@Oceansoul Es geht weniger um die inhaltliche Darstellung des Geldsystems als um die geschichtliche. Dem Filmchen wird vorgeworfen, durch Personenbezogenheit strukturell Rassismus zu transportieren, weil suggeriert wird, eine bestimmte Menschengruppe (verkörpert durch Fabian) hätte im Zusammenschluss alles so konstruiert, um am Ende qua einer Verschwörung gegen den Rest der Welt auf dessen Kosten zu leben (Parallele zu Postulaten von 'raffendem' und 'schaffendem Kapital' in der Nazizeit).
Auch, wenn man dir was anderes verzählen will, liegst du in dem Punkt richtig, dass Zins und Zinseszins das Hauptproblem unseres Finanzsystems darstellen und maßgeblich die Umverteilung von Vermögen verantwortlich sind. Darauf geh' ich aber unten nochmal genauer ein.
@kuno7 kuno7 schrieb:... und wenn du eine solche Konstellation für üblich hälst, bitte schön, ich habe als Grundlage für meine Einschätzung auch keine wissenschaftlichen Studien zum Thema, sondern lediglich meine subjektiven Erfahrungen und diese decken sich nun mal nicht mit deinen Aussagen.
Ein Bargeldverbot gab es meines Wissens in der Vergangenheit noch nicht. Inwiefern können denn da subjektive Erfahrungen schon einbezogen werden, wenn wir hier über ein Zukunftsszenario debattieren? Musst du mir mal erklären.
kuno7 schrieb:Schwammig? Was genau möchtest du denn näher beschrieben haben? Unrealistisch? Also ich, für meinen Teil, kenne deutlich mehr Menschen, welche ihr Vermögen in Immobilien, Wertpapieren investieren oder es schlicht verkonsumieren als solche, die es in Bar irgendwo versteckt haben (naja, vielleicht verschweigen die mir das ja auch aus Sicherheitsgründen).
Schwammig, weil Gold als sicherer Hafen eben nicht sicher sein muss, wenn der Staat das nicht mehr möchte. Wir leben in keinem statischen System, sondern sind ständig Änderungen unterworfen. Deshalb ist auch ein Goldverbot nicht auszuschließen, um eine Flucht in einen anderen Wertspeicher zu verhindern, wenn man schon wohlwissend die derzeitige Fluchtmöglichkeit in's Bargeld zu verhindern sucht. Du gehst profan davon aus, alles bliebe auf ewig so, wie es jetzt ist.
Aktien sind und bleiben keine weitreichende Alternative für die Bevölkerung, da sie nicht für jeden geeignet sind. Wertpapierhandel erfordert Fachkenntnisse, ökonomisches Gespür, Risikobereitschaft und nicht zuletzt Liquidität - Eigenschaften, die wenige mitbringen, seien wir mal ehrlich. Die Mehrheit möchte ihr geregeltes Einkommen haben, heißt am Ende des Monats die gewohnten Zahlen auf dem Konto, aber nachhaltiges Finanzmanagement ist oft ein Fremdwort und manchem gar lästig. Was glaubst du, warum so viele ihre Ersparnisse irgendwelchen findigen Bank- und Versicherungsfuzzis anvertrauen? Weil sie auf Grund der Informationsüberflutung, der zig Anlage-Alternativen und dem Fachchinesisch überfordert sind sowie auf Grund von Fulltimejobs unter Dauerzeitmangel stehen und lieber Andere die Arbeit machen lassen, die sie eigtl. selbst machen sollten. Davon, dass das Einkommen i.d.R. gerade für die Tilgung des Nötigsten (die allseits beliebten 'Lebenserhaltungskosten') reicht, und Aktien deshalb ein Wunschtraum bleiben, muss ich wohl nicht extra erwähnen (oder doch?).
Konsum ist als Vorschlag eines Ausweichhafens vor Negativzinsen und Bevormundung wohl ein schlechter Scherz... Zu welchem Zweck werden denn Negativzinsen erst eingeführt? Um die Bevölkerung zum Geldausgeben zu zwingen. Diesen Zwang als Ausweg zu postulieren, ist purer Hohn. Wie unter solchen Bedingungen noch Vermögen aufgebaut werden soll, auch als finanzielle Altersvorsorge, scheinst du nicht bedacht zu haben - deshalb sind deine Argumente auch
unrealistisch.
kuno7 schrieb:Logisch aber nur dann, wenn man davon ausgeht, dass das Bargeld nur deshalb abgeschafft werden soll, damit die Massen besser kontrolliert werden können und nicht aus Gründen wie Kosten, Sicherheit oder Komfort.
Liegt vermutlich daran, weil es mehr als drei fadenscheinige Pro-Argumente braucht, um ein einziges, tonnenschweres Contra-Argument - nämlich das der multiexpansiven Überwachung - überzugewichten.
Kosten... ...sind ein logischer Fehlschluss. Natürlich sind diese nicht so gering, wenn man bedenkt, was alles notwendig ist, um Bargeld nicht nur herzustellen, sondern auch in Umlauf zu bringen. Mit dem Verschwinden von Bargeld verschwinden allerdings keine Kosten, denn diese werden nur
verlagert, und zwar in den
astronomischen Verwaltungsaufwand, den ein bargeldloses, durchdigitalisiertes Zahlungssystem erfordern würde. Eine großartige Ersparnis gibt's da nur in der Fantasie. Mit 'ner ähnlichen Begründung wurde auch die kommende Pkw-Maut in Deutschland beworben, wobei längst errechnet wurde, wie die Mehreinnahmen durch Verwaltungskosten wieder verschlungen würden, was einer tatsächlichen Nullrendite entspricht.
Sicherheit... ...ist das Versprechen einer Illusion. In Relation zu der Auswahl an Möglichkeiten, die die Cyber-Kriminalität anbietet, ist diese simple Verlagerung einer Zahlungsmethode ein Wassermolekül eines Tropfens auf den heißen Stein. Wie
@Oceansoul schon andeutete, verursachen Kartenbetrugsdelikte (Carding, Skimming, Phishing usw.) Schäden in Milliardenhöhe. 2012 erhöhte sich der Gesamtwert betrügerischer Transaktionen um satte 14,8% auf 1,33 Mrd. €:
http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Presse/EZB_Pressemitteilungen/2014/2014_02_25_kartenbetrug.pdf?__blob=publicationFileWas mit Cracking angesichts der gewaltigen Malware-Evolution alles möglich ist, kannst du dir kaum vorstellen. Mit der vollkommenen Digitalisierung des Zahlungsverkehrs lägen wir einem verdammt wachstumsfreudigen und zukunftssicheren Markt - dem der Cyber-Kriminalität - so viel Wert zu Füßen, wie sich die computerverliebten verhassten Nerds damals in der Schule nie zu träumen gewagt hätten, um es mal plakativ auszudrücken. Dass sich Kriminalität zunehmend auf's Internet verlagert, ist kein Geheimnis (und angesichts des IT-Sicherheitsbewusstseins der Bevölkerung auch doppelt so gefährlich), wobei selbst Straßen- oder Drogenkriminalität nicht mit der Abschaffung von Scheinen und Münzen beizukommen wäre. Man kann mit vorgehaltener Waffe auch die Kreditkarte samt PIN erpressen, dafür bräucht's kein Bargeld. Und es wäre auch schön naiv, zu glauben, die Mafia würde ihre Geschäfte nur mit Barem abwickeln. Dafür gibt es längst die passende Erfindung: das Darknet. Sagt dir der Name Ross Ulbricht etwas? Mit seinem Online-Portal Silk Road vertickte er bequem von seinem WG-Sofa aus Drogen in die ganze Welt und machte bis zu seiner Festnahme durch das FBI über 'ne Milliarde Dollar Umsatz. Steuerfrei. Alles mit Giralgeld.
Kurzum, die Argumente "Sicherheit" und "Kriminalitätsbekämpfung" sind fadenscheinig und ziemlich haltlos. Man kann mit ihnen aber super künstliche Bedürfnisse schaffen, um hinterher die vermeintliche Lösung anzubieten. Reines Marketing, aber mittlerweile scheinen sie wohl nicht mehr so zu fruchten. Zumindest ist das der Eindruck, wenn man sich, wie schon erwähnt, die Kommentarspalten diverser Mainstream-Blättchen so durchliest.
Komfort... ...ist das Hauptlockmittel, wenn es darum geht, der Bevölkerung etwas als nützlich zu verkaufen. Komfort, Bequemlichkeit, funktioniert als Begründung fast immer, denn die Menschen sind von Natur aus trägheitsaffin. Nur blöd, wenn man für Komfort seine Seele verscherbelt. Es gibt Dinge, die sind wichtiger als Komfort, zumal das Mehr an Komfort gemessen am Preis dafür (Privatsphäre, Freiheit) ziemlich gering ist und de facto nicht mal annähernd den Schritt in's bargeldlose Zeitalter rechtfertigen kann und darf.
kuno7 schrieb:Die Enthaltene Ironie wird dich aber doch sicher nicht davon abgehalten haben zu erkennen, dass auch Bargeld so seine Nachteile hat, denn das war nämlich meine eigentliche Intention.
Das hab' ich schon verstanden. Nur übertreffen die Nachteile die Vorteile (die größtenteils auch noch auf Scheinargumenten basieren) bei Weitem, und das nicht nur rein subjektiv, wie klar geworden sein müsste. Im Übrigen wirst du nirgendwo je eine (geld)politische Sache finden, die nicht nachteilsbehaftet ist, von daher ist es logisch, dass Bargeld davon nicht ausgenommen werden kann. Dies tut im Hinblick auf einen drohenden Austausch durch ein noch nachteilsbehafteteres Sytem allerdings nix zur Sache.
kuno7 schrieb:Zumindest bei meinem Konto kosten Kartenzahlungen, Überweisungen oder Einzüge nix, dies mag bei anderen Konten anders sein, ist aber so verallgemeinert falsch.
Meines Wissens haben nur Direktbanken keine Kontoführungs- oder Buchungspostengebühren, weil sie preistechnisch zueinander in Konkurrenz stehen. Bei Sparkassen und Volks-/Raiffeisenbanken sieht das anders aus. Lass' mich aber gern korrigieren.
kuno7 schrieb:aber mal im Ernst, ich habe ja nicht bestritten, dass man mit RFID-Chips finazielle Transaktionen autorisieren kann, sondern ich bezweifele nur, dass sowas unter Androhung des gesellschaftlichen Ausschlusses für alle verpflichtend wird sein müssen und warum zum Geier müssen die immer in den Körper eingepflanzt werden?
Von Androhung war nie die Rede. Eher von Marketing mit "Komfort und Sicherheit".
;)Noch was:
kuno7 schrieb:Die Bank gibt einen Kredit aus und schöpft dabei Geld. Du bekommst also das Geld auf deinem Konto gut geschrieben und gleichzeitig hast du eine gleich hohe Schuld bei der Bank. Wenn du jetzt deine Raten zahlst, dann ist das immer ein Teil Tilgung und ein Teil Zins, mit der Tilgung verringert sich deine Schuld und der Zins ist die Einnahme der Bank, mit der bezahlt sie ihre Betribskosten (Löhne, Miete, Strom...), die Zinsen die sie an ihre Kunden zahlen muss und die Zinsen an die Zentralbank, Steuern und die Dividende der Aktionäre/Inhaber, sie hält nichts davon zurück.
Die Angestellten, Aktionäre, der Staat und die Fremdfirmen wiederum behalten das Geld auch nicht für sich, sondern geben es für diverse Dinge aus und somit kommen die gezahlten Zinsen wieder zurück in den Umlauf und fehlen auch nicht im System.
Schön, wenn's so wäre. Lohn- und sämtliche andere Betriebskosten machen nur einen Bruchteil der eingenommenen Kreditzinsen aus. Auch Zinsen an die Zentralbank (aktueller Leitzinssatz 0,05%, der Kreditzinssätzen von zwischen 1,2-15% gegenübersteht) nehmen einen verschwindend geringen Anteil ein. Steuern, die an den Staat fließen, nutzen da auch nicht viel, denn auch Staaten gehören zu den Zinsschuldnern (tlw. mit Zinseszins!) und die Dividenden (die u.U. ähnlich exponenziell steigen wie Zinseszinsen, die ihnen als notwendige Gewinneinnahme gegenüberstehen) werden entweder einkassiert auf ein Konto, wo sie abermals attraktiv verzinst werden, oder in neue Aktien reinvestiert, wodurch nochmal ein Zinseszinseffekt entstehen kann. Mehrheitlich wandern die Schuldzinsen nicht zurück in die Realwirtschaft, sondern in Anlagevermögen, welches durch Zinsansprüche vermehrt wird. Das ist die Umverteilungskette und das zentrale Problem in der Zinsthematik.
Um die Zinsansprüche innerhalb der Tilgungsfristen bedienen zu können, kommt man um eine Ausweitung des Kreditvolumens nicht herum. Dies führt zwangsläufig zu immer stärker werdender Verschuldung, an deren Ende eine Gesellschaftsteilung steht in Vermögende, die sich an den Zinsen bereichern und Liquidät generieren, und in Verarmende, die Schulden aufnehmen müssen und Liquidität verlieren, v.a. dann, wenn keine neuen Kredite - und damit Geld - vergeben werden. Und dieser ganz offensichtliche Effekt, die aufgehende Schere zwischen Arm und Reich, der dürfte mittlerweile echt jedem aufgefallen sein.