Brexit und danach?

Ein an die Times of London geleaktes Dokument zeigt, dass die Polizei Notfallpläne aufstellt, um auf mögliche bürgerkriegsähnliche Zustände besonders in den Wochen nach dem Brexit vorbereitet zu sein (kein Polizist darf in dieser Zeit Urlaub nehmen). Dazu zählt auch eine mögliche Kooperation mit dem Militär (Theresa May hatte zuvor als Innenministerin das Budget für die Polizei gekürzt). Die Sorge ist, dass sich mit Nahrungsmittelverknappung auch der allgemeine Gesundheitszustand verschlechtert, und sich somit die Medikamentenknappheit dramatisch auswirkt. Eine andere Sorge, die nur indirekt mit dem Brexit zusammenhänge, ist, dass reduzierte Verfügbarkeit von Gütern zu vermehrten Eigentumsdelikten führen könnte. Schließlich wird die Verstopfung der Straßen in grenznahen Gebieten zu Chaos führen.

Police chiefs are drawing up contingency plans to deal with widespread civil disorder at the country’s borders and ports in the event of a no-deal Brexit, according to a leaked report.

The bombshell document, prepared by the National Police Co- ordination Centre, warns that the “necessity to call on military assistance is a real possibility” in the weeks around Britain’s departure from the EU.

https://www.thetimes.co.uk/edition/news/police-plan-for-riots-and-crimewave-if-there-is-no-deal-brexit-frbbnjjqp

Vor diesem Hintergrund erscheinen die Worte von Raab, die zur Beruhigung dienen sollten, dass das Militär nicht dazu eingesetzt werden soll, Nahrungsmittel zu verteilen, in einem etwas anderen Licht.

Theresa May möchte im Falle eines Austritts ohne Abkommen auch nicht die volle im Dezember vereinbarte Austrittssumme zahlen, wie sie jetzt im Parlament erklärt hat.

https://news.sky.com/story/theresa-may-says-uk-might-not-pay-brexit-divorce-bill-in-no-deal-scenario-11495906

Laut Z/Yen, ein in London sitzendes Think-Tank dessen Schwerpunkt im Bereich der Finanzdienstleistung liegt, hat New York nun London endgültig den Platz als wichtigstes Finanzzentrum der Welt abgenommen, hauptsächlich wegen der noch immer bestehenden Unklarheiten des Brexit.

https://www.reuters.com/article/us-britain-eu-financialcentres/london-loses-top-spot-to-new-york-in-financial-survey-due-to-brexit-idUSKCN1LS16I

Das wird Boris 'fuck business' Johnson sicher freuen.

Mark Carney, der governor der Bank of England, hat in den letzten Tagen einige Prognosen zu einem no deal Brexit abgegeben:

- die Auswirkungen wären vergleichbar mit der Finanzkrise von 2008
- Immobilienpreise würden etwa um ein Drittel fallen
- Das Rentensystem müsste am besten komplett abgeschafft werden, ältere Arbeiter, die ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können, müssten umgelernt werden. In den USA sieht man z.B. öfters Personen im Rentenalter, welche im Supermarkt Einkaufstaschen befüllen, der Kunde macht das nämlich nicht selber.

https://www.dailymail.co.uk/news/article-6165689/No-deal-Brexit-bad-2008-financial-crash-BoE-governor-warns-cabinet.html

Während Theresa May alle Einigungsversuche zur Nordirland-Frage ablehnt und gleichzeitig den britischen Abgeordneten droht, dass ihr (von der EU bereits abgelehnter) "Chequers-Plan" die einzigen Alternative zum no deal darstellt, zieht die Deutsche Bank hunderte Milliarden von Vermögenswerten wegen des Brexits aus dem UK ab.

https://www.afr.com/business/banking-and-finance/deutsche-bank-to-shift-more-assets-and-ringfence-uk-unit-after-brexit-20180917-h15hrp

Jaguar Landrover schickt seine 3000 Mitarbeiter in Castle Bromwich in Kurzarbeit und beschäftigt sie nur noch an 3 Tagen in der Woche. Zuvor hatte ein Tory-Abgeordneter Jaguar Landrover Panikmache wegen des Brexit vorgeworfen, nachdem Jaguar Landrover angekündigt hatte, sich im Fall eines no deal Brexits nach und nach komplett aus dem UK zurückzuziehen.

https://www.theguardian.com/business/2018/sep/17/more-than-3000-jaguar-land-rover-staff-will-go-to-three-day-week-brexit

Der kollektive Realitätsverlust der Brexiteer ist wirklich erstaunlich. Muss wohl so eine Art Stockholm-Syndrom sein.

Die UBS verleht ebenfalls ihre Europazenztrale von London nach Frankfurt..........

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/nach-brexit-ubs-waehlt-frankfurt-als-eu-drehkreuz-15792027.html

wieviel Arbeitsplätze das wohl diesmal kostet?

Im Falle eines no deal Brexit wird BMW seine Produktionstätte für den Mini für mind. 1 Monat nach dem Brexit-Tag als Teil eines Notfallplanes komplett schließen, die Produktion wird eingestellt.

https://news.sky.com/story/bmw-to-shut-mini-factory-for-a-month-after-brexit-day-sky-sources-11501360

Neue umfangreiche Studie kommt zu dem Ergebnis, dass EU-geborene UK-Einwohner im Schnitt 2.300 £ pro Jahr mehr in die öffentlichen Kassen einbezahlen, als UK-Einwohner, die im UK geboren wurden (= britische Staatsbürger).

https://www.telegraph.co.uk/business/2018/09/18/eu-migrants-worth-public-finances-uk-born-study-claims/

Theresa May fordert in einem Gastbeitrag in der Welt in deutscher Sprache die EU auf, ihre Position zu überdenken. Sie stellt dabei klar, dass der von der EU als Bedingung genannte Sonderstatus von Nordirland auf keinen Fall für sie in Frage kommt:

Keine Seite kann von der anderen etwas völlig Inakzeptables verlangen, etwa eine Zollaußengrenze zwischen Teilen des Vereinigten Königreichs – was auch kein anderes Land in dieser Situation akzeptieren würde

Um diese Binnengrenze in der Irischen See zu vermeiden, gleichzeitig aber auch eine Grenze in Irland, will sie faktisch in der Zollunion bleiben, sich aber nicht an die damit verbundenen Regeln halten:

Um eine harte Grenze zu vermeiden, muss ein reibungsloser Verkehr von Gütern gewährleistet sein. Das ist nicht das Gleiche wie eine Teilmitgliedschaft im Binnenmarkt: Britische Unternehmen hätten zum Beispiel nicht die gleichen Rechte.

Sie spricht daher auch nicht von eine Zollunion, sondern von einem Freihandelsabkommen, meint aber das gleiche:

Eine Freihandelszone zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU für Güter und landwirtschaftliche Erzeugnisse verbunden mit einem erleichterten Zollverfahren würde Zoll- und regulatorische Kontrollen an unseren gemeinsamen Grenzen überflüssig machen und die einmaligen integrierten Lieferketten und Just-in-time-Prozesse erhalten, von denen Arbeitsplätze und Existenzen in allen unseren Ländern abhängen.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article181577710/Gastbeitrag-Theresa-May-Keine-Seite-kann-von-der-anderen-voellig-Inakzeptables-verlangen.html

Für die Wähler in der EU wird es nicht zu vermitteln sein, warum das UK solche Vorrechte erhalten soll, ohne sich an Verpflichtungen zu halten. Das UK hätte in diesem Szenario vollen Zugang zum Binnenmarkt und wäre damit weit besser gestellt als jedes Mitgliedsland, da das UK weder einen Beitrag leisten würde noch sich an die gemeinsamen Spielregeln zur Wettbewerbsfähigkeit halten müsste.

Es sieht also wirklich schlecht aus, auch im Oktober wird kein Durchbruch zu erwarten sein, ob das im November eigentlich anvisierte Nottreffen des EU-Rates dann überhaupt noch stattfinden wird, ist auch fraglich.

Scheint nicht zu laufen für May auf dem EU- Gipfel:

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brexit-theresa-may-prallt-an-der-eu-wand-ab-a-1229204.html

Beim Dinner hatte Theresa May knapp zehn Minuten, um die Staats- und Regierungschefs der anderen 27 EU-Staaten zu überzeugen. Zehn Minuten, um zumindest einen kleinen Keil in die bisher feste Wand zu treiben. Zehn Minuten, um zwischen Wiener Schnitzel und Sachertorte endlich direkt mit ihren EU-Amtskollegen über den Brexit zu reden.

Die Staats- und Regierungschefs sollten von Beobachtern zu Teilnehmern werden, sagte die britische Premierministerin zu ihnen nach Angaben von EU-Beamten. Großbritannien habe sich bereits bewegt, und nun sei die restliche EU an der Reihe. Dann setzte May sich wieder. Von den anderen Staats- und Regierungschefs antwortete niemand. Sie diskutierten stattdessen am Donnerstag beim informellen Gipfel in Salzburg mit EU-Chefverhandler Michel Barnier weiter - ohne May.

Damit war ein weiterer Versuch Mays gescheitert, an Barnier vorbei über den Brexit zu verhandeln. Doch ihre Gesprächspartner denken offenbar gar nicht daran, Zugeständnisse zu machen. Bei den zentralen Streitfragen - dem britischen Zugang zum EU-Binnenmarkt und der irischen Grenzfrage - "haben wir sehr klare Prinzipien", sagte etwa Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Nicht die EU, sondern Großbritannien müsse sich bewegen, insbesondere was die Frage der irischen Grenze betreffe.

Naja wie soll das auch besserw erden wenn sie sich nicht rührt sondern wie von Anfang an nur alle Rosinen ohne Zahlungen und ohne Verpflichtungen beansprucht....

Und jetzt jammert die May ...die Verhandliugen wäre festgefahren und die EU ist Schuld....

https://www.n-tv.de/politik/May-Brexit-Gespraeche-sind-in-Sackgasse-article20635483.html

wer bewegt sich seit der Brexit Abstimmung nicht und will stur weiter alle Vorteile ohne zu zahlen oder sich an die Regeln zu halten....

@querdenkerSZ
Irgendwie erinnert mich das Ganze an den Witz mit dem amerikanischen Flugzeugträger und dem kanadischen Leuchtturm.
Frau May hat als Kommandant eines Flugzeugträgers natürlich Vorrecht und die EU muß ausweichen.

Eigentlich geht es doch jetzt nur noch darum, in regelmäßigen Abständen vor die Presse zu treten und, wie immer, die versetzte Diva zu mimen: sie habe doch die Gespräche "in gutem Glauben" geführt, warum sei dann die EU immer so böse, fies und gemein zu ihr? Am Ende sei das doch alles nur Geplänkel, die EU werde schon einknicken, daher jetzt auf keinen Fall nachgeben und als erste mit der Wimper zucken.

Das Problem ist, dass der Plan B komplett fehlt, alles läuft auf ein "Irgendwie wird es schon gut gehen" hinaus. Ist ja auch billiger, die Armee auf die eigene Bevölkerung loszulassen, als mehr Polizisten oder Grenzebeamte einzustellen.

Interessanter statistischer Zusammenhang: :D

http://webfail.com/fd2c554f9cb

@sigbert

Ja, interessant, allerdings waren ländliche Regionen für den Brexit, das war z.B. auch bei dem Norwegen-Referendum zum EU-Beitritt so. In städtischen Regionen tritt wiederum BSE nicht auf, da es dort keine Rinder gibt.

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Corbyn ist jetzt offen für ein 2. Referendum, da die Parteimehrheit dies befürwortet. Außerdem will Labour gegen jeden derzeit möglich erscheinenden Brexit-Deal im Parlament stimmen.

https://www.theguardian.com/politics/2018/sep/23/corbyn-would-back-labour-membership-call-for-second-referendum

Dadurch steigen die Chancen für ein 2. Referendum, da derzeit kein möglicher Brexit-Deal, auch nicht ein no-deal eine Mehrheit im Parlament hätte. Theresa May soll daher auch Neuwahlen erwägen.

@Anaximander
das UK hat doch den §50 getriggert und kann nur nur einen (Neu-)Eintritt nach §49 zurück in die EU, oder habe ich das falsch verstanden? Also würde auch ein 2. Referendunm nur einen Neueintritt beinhalten, oder?

@cpt_void
So wie ich das in Erinnerung habe, kann das UK die Kündigung jederzeit vor dem Austrittsdatum widerrufen.