@sigbert Der Bericht auf ntv ist etwas verkürzt und scheint mir einiges durcheinanderzuwerfen, es wird dort nicht hinreichend zwischen Republik Irland (Dublin) und Nordirland (Belfast) untertschieden.
Im Interesse der EU (bes. Irlands) wäre durchaus der dort angesprochene Sonderstatus mit Verbleib im Binnenmarkt, allerdings natürlich nur bezogen auf Nordirland. Die Grenze zwischen Nord und Süd in Irland könnte dann ähnlich wie Norwegen - Schweiz gestreamlined sein. Nordirland würde sich verpflichten, sich an die Produktvorgaben der EU zu halten, diese Produkte können dann auch ohne großen Aufwand eingeführt, Handelsketten aufrecht erhalten werden. Idealerweise sogar mit Verbleib in der Zollunion, allerdings gäbe es dann eine Grenze in der irischen See.
Das große Problem sind hierbei die protestantischen Unionisten der DUP. Diese waren eigentlich nur deshalb für den Brexit, um sich stärker von Irland abzusetzen und enger an das UK anzuschließen. Die der Sinn Fein nahestehenden Katholiken wollen dagegen letztlich die Wiedervereinigung, die Unionisten lehnen immer alles ab, was die Gegenseite als Erfolg verkaufen könnte.
Die DUP hat daher jeden Sonderstatus für Irland abgelehnt.
Die britische Regierung, die ja auch als Minderheitsregierung von der DUP getragen wird, möchte vielmehr, wie im Artikel beschrieben, Irland und das Good Friday Agreement als Präzedenzfall dazu nutzen, um über ein einfaches Freihandelsabkommen möglichst direkten Zugang zu Irland, im Weiteren aber auch zum EU-Binnenmarkt zu bekommen, indem sich Grenzkontrollen und nicht-tariffäre Hemmnisse auf ein Minimum reduzieren, Irland und die EU sollen einfach die britischen Standards automatisch anerkennen. Das lehnt natürlich die EU ab.
Somit geht es um die Quadratur des Kreises, eine Lösung ist nicht absehbar, und es ist möglich, dass allein aufgrund dessen keine gütliche Einigung zustande kommt, was dann eine harte EU-Außengrenze (die einzige abgesehen von Russland) bedeuten würde.
Was die britische Presse betrifft, so kommt es auch hier wieder auf die Tendenz und editorischen Hintergrund der Zeitungen an (frei/nicht frei). Für Zeitungen, wie Guardian, Financial Times usw. ist Nordirland der ideale Testfall, um die Absurdität des Brexits und die Unmöglichkeit der Forderungen von Brexiteers zu demonstrieren. Zeitungen wie der Telegraph beurteilen es hingegen als im Interesse Irlands liegend, sich ebenfalls von der EU abzuspalten. Problem ist, dass die Iren das nicht wollen, aufgrund der leidigen Erfahrungen mit dem großen Nachbarn und den positiven Erfahrungen mit der EU sind 80% für den Verbleib in der EU. Daher zielt die Strategie derzeit auch eher darauf, die EU als undemokratisch zu beschimpfen, da sie sich gegen die "souveräne Entscheidung des britischen Volkes" stelle. Aus diesem Grund sei der Brexit um so notwendiger, um also dem demokratiefeindlichen Brüssel zu entkommen. Was dies dann für Irland bedeutet, bleibt offen, Nordirland wird jedenfalls wirtschaftlich am härtesten getroffen werden, da die gesamte Wirtschaft eine Einheit mit der Republik darstellt. Dennoch gibt es auch in Nordirland Befürworter, allein aus dem unionistischen Motiv, mit dem Süden brechen zu wollen, wobei die volkswirtschaftlichen Analysen als Hokuspokus abgetan werden. Andere wollen gerade diesen Sonderstatus mit dem Ziel der späteren Wiedervereinigung. Mit den im Referendum diskutierten Fragen (Souveränität, EU-Migration) hat das alles nichts zu tun.