Der Fall Oskar Gröning

@liaewen

ohne diesen Prozess aber, hätte sich Frau Eva Mozes Kor nicht zu Wort melden können, in sofern hat dieser Prozess doch sein Gutes, sollte Frau Mozes Kor tatsächlich ihre und die Akte ihrer Schwester finden und sich auf ihre Bitte hin, vielleicht doch noch Verantwortliche zu ihrem Beitrag bekennen!

Narrenschiffer schrieb:Wir arbeiten zu fünft. Zielobjekte sind Menschen, die viel Geld bei sich tragen. Zwei entführen einen Typen, zwei andere erschlagen ihn im Keller, ich zähle das Geld.

Eine Anklage wegen Beihilfe zum mehrfachen Mord wäre gegen mich also eine Hetzkampagne?

Der Geldzähler leistet gerade keine Beihilfe zum Mord. Zu einem Raub sicherlich. Aber an den Morden ist er vollkommen unbeteiligt.

Das Beispiel passt dann, wenn eure Gruppe eine terroristische Vereinigung ist. Dann genügt schon die Mitgliedschaft, sich strafbar zu machen.

liaewen schrieb:die meisten wollten wohl leben und ihre Familien beschützen

Die systematische Vernichtung von Millionen Menschen ist eine ganz andere Kategorie. In diesem Kontext kann man erwarten, dass menschen sich nicht daran beteiligen. Und sei es, indem sie fliehen oder andere - weniger lukrative - Arbeiten erledigen.
Aber "nur ein bisschen" an einer derart monströsen Geschichte beteiligt zu sein, ist schon zuviel.

kleinundgrün schrieb:Das Beispiel passt dann, wenn eure Gruppe eine terroristische Vereinigung ist. Dann genügt schon die Mitgliedschaft, sich strafbar zu machen.

Dann reicht eigentlich die Mitgliedschaft zur Totenkopf-SS. Wäre mir aber nie aufgefallen, dass die Mitgliedschaft alleine schon zu einer Anklage führte.

Narrenschiffer schrieb:Wäre mir aber nie aufgefallen, dass die Mitgliedschaft alleine schon zu einer Anklage führte.

Das ist recht schnell verjährt - und die Norm gibt es erst seit 1976.

@DieSache
Natürlich wäre das gut. Obwohl ich denke, dass die meisten schon tot sind, oder schon so alt wie dieser eine Herr..

@kleinundgrün
Ich will hier ja auch nichts schön reden, um Gottes willen. Ich wollte eben nur als Laie wissen, was er denn hätte tun können/sollen. Weil ich nicht wusste, welche Alternativen er hatte/hätte.

liaewen schrieb:Weil ich nicht wusste, welche Alternativen er hatte/hätte.

Mögliche (fehlende) Alternativen finden sicherlich beim Strafmaß Berücksichtigung.

Aber dem Grunde nach ist eine solche Vernichtung menschlichen Lebens etwas derart "Gewaltiges", so dass auch schon kleine Beiträge zu dieser Vernichtungsorgie grundsätzlich unrecht sind. Auch wenn der Handelnde, um dieses Unrecht zu vermeiden, persönliche Risiken eingehen muss.

Aus welchem Grund wird die Diskussion um seine Überzeugung/ seinen Kenntnisstand überhaupt geführt?
Geht es dabei tatsächlich um die Personalie Gröning und seine Involvierung in den Massenmord?

Wird Gröning als Einzelperson unter die Lupe genommen oder ist das eine Stellvertreter-Diskussion?

@keyshan
als ich dein ersten beitrag zu diesem thema gelesen habe, war ich echt geschockt, meinst dieser mann sollte wirklich ungeschoren davon kommen?

der mann, der alles mit unterstützt hat und jetzt zu rechenschaft gezogen wird, weil unser lieber staat mal wieder gepennt hat?

leute sowas sollte zwar vorher aufgedeckt werden und nicht jahre später, aber auch wenn es zu spät ist, sollte keiner wieder frei laufen.

ich persönlich (jüdischen papa) kann solchen menschen nicht verzeihen und auch viele andere nicht

liaewen schrieb:Ich wollte eben nur als Laie wissen, was er denn hätte tun können/sollen. Weil ich nicht wusste, welche Alternativen er hatte

1. Er meldete sich freiwillig zur SS.
2. Die Alternative wäre wohl Fronteinsatz gewesen.

Im Vergleich dazu war Buchhalter in einem staatsterroristischen Mordlager ein ziemlich gemütlicher Job.

Es gab ein ganz normales Leben in Auschwitz. Es gab einen Gemüseladen, in dem man auch Knochen kaufen konnte, um sich eine Suppe zu kochen. Es war wie in einer Kleinstadt.
[...]
Abends, wenn der Dienst zu Ende ist, trägt Gröning sein Essen in die Baracke, spielt Karten mit den Kameraden und Mensch-ärgere-Dich-nicht mit dem Vorgesetzten. Wenn die Kameraden schlafen gehen, sind sie manchmal betrunken. Dann schießen sie das Licht mit der Pistole aus. Am Wochenende trifft er seine Sportgruppe, sie turnen nicht weit von Rampe und Gaskammer. Sie haben viel Spaß zusammen.

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-40325395.html

niurick schrieb:Wird Gröning als Einzelperson unter die Lupe genommen oder ist das eine Stellvertreter-Diskussion?

Momentan geht es darum, warum seine Taten, die schon so lange zurückliegen, dennoch strafwürdig sind bzw. sein könnten.
Zum konkreten Fall und den Tatumständen hat sich hier niemand geäußert - soweit ich das sehe.

@kleinundgrün
Ja das ist es. Und auch er sollte seine Strafe bekommen, aber ich denke er ist einfach zu alt dafür. Und viele werden wohl schon unter der Erde liegen..
Da hat Deutschland einfach zu spät reagiert.

@Narrenschiffer
Naja klar ist es bequemer hinter dem Bürotisch zu sitzen als an der Front. Da muss man wohl nicht viel darüber nachdenken als Beteiligter.
Entweder war er echt so naiv und wusste nicht was vor sich ging oder er war von der damaligen Krankheit ebenfalls befallen und meint er macht das Richtige. Wie wohl viele. Anscheinend wollte er sich ja versetzen lassen. Vielleicht wurde es ihm doch zu viel, wer weiß was in solchen Menschen vorgeht.

liaewen schrieb:aber ich denke er ist einfach zu alt dafür. Und viele werden wohl schon unter der Erde liegen.

Der folgende Satz (Wiki) gibt den Grundgedanken in diesem Fall gut wider:

Die Nebenklägervertretung gab bekannt, dass die Höhe des Strafmaßes für sie von nebensächlicher Bedeutung sei, wichtiger sei die juristische Feststellung der BRD, dass jemand, der „ein Rädchen im Getriebe“ einer industrialisierten Massenmordstätte war, sich mitschuldig gemacht hat.

http://www.heute.de/auschwitz-prozess-gegen-oskar-groening-beginnt-in-lueneburg-wegen-morden-im-dritten-reich-38108914.html (Archiv-Version vom 10.09.2015)

@kleinundgrün
Ja das habe ich mir auch schon gedacht. Weil viel werden sie von der Festnahme ja nicht wirklich haben. Die Menschen können froh sein, dass diese schreckliche Zeit vorbei ist. Die vielen Opfer werden sowieso keine Gerechtigkeit erfahren. Zumindest all die, die so schrecklich ermordet wurden. Vielleicht ist es für noch Lebenden eine leichte Genugtuung.

@liaewen

hab so nen ambivalenten Wunsch, würde gerne für ein Jahr nach Jerusalem um dort mit den noch lebenden Überlebenden zu reden, ihre Geschichten zu hören. Für mich sind Berichte im TV immer so nicht wirklich greifbar, mir hat man wie gesagt nie wirklich erzählt was zu der Zeit hier in der Familie so vor sich ging, ob man wirklich überzeugt war...von wegen man hätte nichts gewusst, war doch nur eine Flucht davor, sich nicht mit dem Erlebten auseinander zu setzen und dann vielleicht doch zu zu gestehen, dass man etwas entsetzlich schreckliches unterstützt und womöglich noch gefördert hatte!

@Kältezeit

das es zum prozeß kommt ist vollkommen richtig, aber man muß ihm zu gute halten, dass er ein geständnis abgelegt hat und wie du schon sagtes, durch dieses geständnis, diesen ganz holocaustleugner den wind aus den segeln nimmt.

Nur weil er 93 ist, sind seine Taten nicht ungeschehen. Deswegen sollte er verurteilt werden. Wie andere Täter auch.
Dass es so spät passiert, ist bedauerlich, aber besser spät als nie.
Gut finde ich, dass er gestanden hat, und vieles erzählt hat, und damit, wie schon gesagt, den Holocaust-Leugnern einen vor den Latz gegeben hat.


Dennoch, Strafe muss sein, auch bei einer Beihilfe. Auch wenn er den Gashahn nicht aufgedreht hat.

Vor dem Gericht ist jeder gleich zu behandeln. Deshalb darf auch das Alter neben vielen anderen Faktoren keine Rolle spielen.

Es geht nicht um "Strafe", was mMn bei einem 93-jährigen eh nebensächlich ist, es geht darum, immer wieder daran zu erinnern, wie Faschismus entsteht, was es für Auswirkungen hat und wie man vorbeugen kann.

Aus dem Tagesspiegel, ein wie ich finde, guter Leserkommentar dazu.

Erklären und verstehen ohne zu rechtfertigen
Das ist die Klippe, die man gegenwärtig überwinden muss. Dazu muss man in das damaligen Zeitgeschehen eintauchen, ohne dabei den Grund unter den Füßen zu verlieren und unterzugehen. Geschieht das, rechtfertigt man.

Die Verhältnisse der Weimarer Republik waren schon recht verwickelt. Aus heutiger Sicht kaum mehr erklärlich.

Die entzivilisierende Wirkung des Faschismus zu begreifen, ist noch schwerer. Man sieht ja nur die Ergebnisse.

Der aus und in der zerrissenen Weimarer Republik entstehende Faschismus konnte sich u.a. dadurch ausbreiten, dass es in Deutschland noch keine Tradition der Demokratie gab.

Der durch Fürsten- und Königstümer sowie durch das kaiserliche Deutsche Reich über Jahrhunderte den einfachen Menschen eingebläute und eingebrannte Untertanengeist sowie die in den bürgerlichen und adligen Kreisen verbreitete Kriegsbegeisterung und der Heldenkult waren tief im Denken und Fühlen verankert.

Die Ideologie der Faschisten setzte dort an, konnte sich aber nur durch viel Geld und rohe Gewalt gegen Antifaschisten in Deutschland durchsetzen. Auch durch die maßlose Unterschätzung ihrer entzivilisierenden Kraft durch bürgerliche und adlige Kreise, die die Faschisten an die Macht brachten.

Den sozialpsychologischen Mechanismus der auf den Einzelnen einwirkenden und ihn mitreißenden Macht der Masse beschrieb Elias Cannetti in Masse und Macht.

Das Herrschaftssystem der Faschisten beschrieb Eugen Kogon in Der SS-Staat.

Die sozialpsychologischen Methoden und Wirkungen der Unterjochung beschrieb Zimbardo in Der Luzifer-Effekt.

Als Nachgeborene können wir in Gröning das Ergebnis erkennen, ohne ihn zu richten oder zu rechtfertigen.

Was wir tun können, ist, wirklichen Faschismus erkennen zu lernen, in welcher Verkleidung auch immer er sich zeigt. Dann können wir ihn bekämpfen und verhindern, dass er erstarkt. Dazu muss man auch unterscheiden lernen, was nicht Faschismus ist. Damit wirklicher Faschismus nicht verharmlost wird.
http://www.tagesspiegel.de/politik/buchhalter-von-auschwitz-oskar-groening-wir-waren-dressiert-auf-befehl-zu-handeln/11691648.html (Archiv-Version vom 29.04.2015)

@CosmicQueen

CosmicQueen schrieb:Es geht nicht um "Strafe", was mMn bei einem 93-jährigen eh nebensächlich ist, es geht darum, immer wieder daran zu erinnern, wie Faschismus entsteht, was es für Auswirkungen hat und wie man vorbeugen kann.

Und darum wird dann alle Jahre mal wieder ein Kriegsverbrecher aus dem Ärmel gezaubert, um das dann medienwirksam zu inszenieren?

Die aus der Zeit der SS, gehen ja nun "leider" so langsam aus....

@Kältezeit
Die werden nicht "aus dem Ärmel gezaubert" die sind vorhanden und müssen dafür gerade stehen...früher oder später. Warum man bei diesem Herren so lange gewartet hat, oder eher, warum es jetzt erst zu dieser Verhandlung kommt, dazu habe ich mich noch nicht belesen und wird sicherlich seine Gründe haben. Aber du weißt es ja anscheinend besonders gut, denn laut dir, soll damit ja lediglich medienwirksam inszeniert werden.