@yummiIch glaube, dass es tatsächlich etwas damit zu tun hat, sein Selbst durch andere zu definieren.
Man darf nicht vergessen, dass in den neuen Bundesländern sehr viele Menschen sind, die sich durch die Wende betrogen fühlen. Die glaubten, sie hätten den Schrecken überwunden und stellen nun fest, dass die andere Seite auch ihre Schatten hat. In einem Vollkasko-Staat, welcher zwar verbrecherisch war, aber dennoch sich um alles irgendwie gekümmert hat, entwickelt man eine bestimmte Haltung. In der "freien Welt" jedoch, ist da niemand, der auf dich achtet.
Jetzt wird deine Region mit Geldmittel aufgepumpt, aber alles was geschieht, sind, polemisch gesagt, bessere Straßen für die neuen Autos, die du jetzt kaufen sollst. Bei der Bevölkerung kam nichts an, was langfristig befriedigte und man ertrug es womöglich nicht, immer dem Westen hinterher zu humpeln.
Wenn man sein gescheitertes Selbst in eine Art Kollektivismus überführt, dann nivellieren Störsignale zumindest augenscheinlich. Man kann Erfolge andere zu eigenen machen. ("Wir sind Weltmeister!")
Dadurch schwächt man das eigene Versagen ab, wertet sich mit Taten anderer auf, indem man sich mit ihnen identifiziert.
Wenn eine Nation stark in der Wirtschaft ist, so ist man stolz auf die Leistung, die man als Doitscherrr vollbracht hat, auch wenn man 30 Jahre lang arbeitslos war. Und hier liegt das Problem.
Wenn man sich erbärmlich fühlt, dann sucht man verzweifelt nach etwas, was einem da heraus hilft.
Entweder, man identifiziert sich mit anderen aufgrund lächerlicher Gemeinsamkeiten (gleiche Staatsangehörigkeit, gleiche Religion, gleiche Augenfarbe) oder man schafft sich Feindbilder inkl. aller Verschwörungstheorien, die man braucht, um diese rechtfertigen zu können (Kapitalitstenschweine, Weltjudentum, Islam als neuer Weltherrscher).
Das Traurige daran ist, dass es jeden weiteren kulturellen Fortschritt unmöglich macht.
Es gibt Dinge, die berechtigt kritisiert gehören. Aber man kann sie nicht kritisieren, wenn man jemand vor sich hat, der mit der Kritik übertreibt.
Nehmen wir zum Beispiel den Kapitalismus.
Banken und das Zinssystem bedürfen tatsächlich einer sachlichen Auseinandersetzung. Es ist durchaus angebracht, dieses System zu hinterfragen, zu sezieren und womöglich durch etwas anderes abzulösen. Aber soweit kommt man nicht, wenn gefühlt jeder zweite Mensch, der sich in die Diskussion einklinkt, etwas von der jüdischen Weltverschwörung erzählt. Daneben noch einer, der generell Zinskritik als Antisemitismus brandmarkt. Jetzt hast du einen Antisemiten und einen der dir erzählen will, dass du mit deiner Bankenkritik auch dorthin gehörst. Ein sachliche Diskussion ist überhaupt nicht mehr möglich, da du nur noch damit beschäftigt bist, das Bankensystem vor dem Verschwörungstheoretiker zu verteidigen, um die Verhältnismäßigkeit und Sachlichkeit der Diskussion zu retten. Am Ende bist du keinen Schritt weiter.
Deutschland hat ein Problem mit Migration und mit Integration. Das steht außer Frage.
Nur solange die PEGIDA brüllt, kann man sich nicht ernsthaft um die tatsächlichen Ursachen kümmern, da man ständig gegen den ganzen Schwachsinn ankämpfen muss.
Man weiß ja auch, wie sie reagieren werden.
Ein Beispiel:
Es gibt ein Problem mit der von Städten organisierten Ghettoisierung.
Jetzt sprichst du sachlich über dieses Problem und ein PEGIDA-Hansel wird reinplatzen und schreien "Also doch die Migranten! Wie ich's gesagt habe!". Um das zu vermeiden, spricht man überhaupt nicht mehr darüber. Im Gegenteil. Man konzentriert sich mehr darauf, die Dummheiten zu korrigieren, als das eigentliche Problem. Und am Ende haben diese Deppen dafür gesorgt, dass man unendlich viel Zeit und Ressourcen für Nichtigkeiten verschwendet hat. Und zwischenzeitlich reißen sie alte Wunden und Traumata wieder auf und zwingen dich als deutscher Bürger dazu, dich wieder für deine Flagge im Ausland schämen zu dürfen.
Big shot, baby!