Eben das würde ich für mich in Anspruch nehmen. Der Boden, den ich der Schweiz unter die Füsse wünsche, ist so europäisch wie vor zweihundert Jahren Schillers «Tell». (3)Das Stück hat ganz real dazu beigetragen, dass die Schweiz nach dem Sonderbundskrieg wieder zusammenheilte. Nicht nur die geschlagene Urschweiz, auch Zürcher Liberale und Genfer Arbeiter haben sich in diesem «Tell» wiedergefunden – dank seiner Mehrdeutigkeit. Er demonstriert jenes Gleichgewicht der «Potenzen», das Burckhardt dem geschichtlichen Glücksfall zuschrieb. Damit sich Staat, Religion und Kultur – und mit dieser die Wirtschaft – die Waage halten, muss sich jede Potenz zur Kunst erheben, wie im Athen des Perikles. Inzwischen hat die Schweiz über Äusserungen immerhin lachen gelernt, die vor dreissig Jahren noch Fichen-würdig gewesen wären. Etwa Daniel Schmids «Beresina»-Film oder die Nummern von Giacobbo-Müller. Aber auch die Sicherheitsdienste haben nicht geschlafen. Inzwischen wissen wir, dass jeder Nutzer des Internets sich bei NSA und GCHQ automatisch selbst anzeigt, wenn nicht als möglicher Terroristen, so doch als mögliche Kunden.
Damit Du lieber
@wichtelprinz nun nicht meinst ich habe mich beleidigt abgewendet, denn ich wurde leider unterbrochen, möchte ich noch anführen weshalb ich den Tell erwähnte. Die Erklärung hierfür ist oben im mit drei markierten dritten Satz bis Ende zu finden.
Zu wenig wird heute noch daran gedacht, daß es sich dabei um einen zur >Einigkeit< führenden Prozess handeln sollte, der in dem Drama seinen Niederschlag fand, nicht um Einheit einer Gleichmacherei, weshalb ich auch nicht die These nachvollziehen kann, Tell sei nicht mehr zeitgemäß, denn es ist das Individuelle das zur Freiheit führt, nicht das Persönliche, auch wenn, oder gerade wenn es in den vielen lebt. Alles andere ist Gleichmacherei wenn auch verschleiert. Einigkeit hingegen kann immer nur ein fortlaufender Prozess um welchen man sich bemühen muß sein und in welchem Gewalt immer nur das allerletzte Mittel darstellt.
Jeder Krieg ist schrecklich wird schon im Beginn des Dramas gesagt, aber es kann nicht darum gehen überhaupt keine Überzeugungen mehr zu haben, außer der, ich will in Frieden, Wohlfahrt leben und schlucke hierfür alles, am besten laß ich es den Nachbarn schlucken, was heute teilweise grenzüberschreitend Usus geworden und als allgemeiner Friede und Rücksicht auf den Nachbarn noch bezeichnet wird, unter Anerkennung einer wie auch immer sich gebärdenden Staatsgewalt die es schon "richten" wird.
Hier ist Perversion sichtbar die zuvor verborgen war. Beim "Tell", als eines gegen Gewalt- und Willkürherrschaft Auftretenden, war der Zeit nach Unterdrückung vergleichsweise normal, also dort wehrte man sich gegen etwas, was als größtenteils normal verstanden wurde, der Adel hatte die Macht, heute verbirgt er das....Bauer Hirt und Fischer hatten nichts zu sagen.
Das macht aber das Drama nicht unpopulär, denn es weist in seelische Regionen die immer neu befruchtet sein wollen und den Menschen als viel facettenreicher dargestellt, als man ihn haben möchte.
Letztlich geht es um ein menschliches Urverständnis, wenn ich es so nennen darf, daß Einigkeit nur mit einem Grad an Wahrhaftigkeit herbeiführen kann, der auch der Natur noch abgewinnen darf was sie sonst nur gegen den Menschen richtet. Dies ist weder ausgelotet noch verstanden, aber durchaus zeitlos. So sehr ich Frisch teilweise schätze, Schiller reicht er nicht das Wasser, er ist ja der Unschweizer..
:) aber das genügt in keinem Falle. Sein Vergleich
@wichtelprinz schrieb:
Wow wow wow jetzt mach mal halblang... Max Frisch, einer DER Humanisten aus der Schweiz verglich Tell in seinem Buch "Tell für die Schule" mit lybanesischen Freiheitskämpfern. Ist Dir diese Bildung auch bewusst?
war mehr als unglücklich und ebenso falsch. Schriftstellerei und Kunst sind sehr voneinander verschieden. Da man heute nur noch den Schriftsteller verstehen kann, denn den Genius sieht man nicht mehr, hat man eben für ihn ein Faible.