Sersch schrieb:Und nein damit relativiere ich in keinster Weise die einseitige Berichterstattung Russlands...Aber einigen hier muss mal klar werden das unsere Medien in diesem Konflikt kein Deut besser bzw. Objektiver sind.
Nunja,
@Sersch einseitige Berichterstattung ist immer so eine Sache.
Zuvorderst ist unstrittig, dass die Bundesrepublik stark involviert und somit alles andere als objektiv ist.
Zweitens, Journalismus darf man nicht auf die Berichterstattung reduzieren. Journalismus unterteilt sich zwei große Gebiete, die rein informative und die meinungsäußernde Darstellung.
Berichterstattung (echte) gehört zur informativen Form und soll natürlich wertfrei, neutral, objektiv und hinsichtlich der Quellen transparent sein. Die Berichterstattung verrät uns nur wer, was, wo, wann, wie etwas gemacht hat.
Wir erinnern uns, dass die Regierung und die Vorregierung stark involviert sind.
Was folgt daraus unweigerlich?
Keine Objektivität, einseitiger Bericht. Aber (noch) keine einseitige Meinung und keine Parteiergreifung.
Berichte über Westerwelle, Steini, Merkel, Gabriel u.v.w. können in ihrer Gesamtheit gar nicht objektiv sein, selbst wenn es jeder einzelne Bericht wäre, denn der objektive Bericht über die Unsrigen führt natürlich unweigerlich dazu, dass vermehrt Pro-EU und aus Regierungssicht berichtet wird. Die Einseitigkeit ist dem breiten Konsens innerhalb der Politik geschuldet und somit unvermeidlich.
Nun gibt es aber noch andere journalistische Darstellungsformen, besonders erwähnenswert hierbei sind Hintergrundberichte und Kommentare.
Ersterer tendiert Richtung wissenschaftlichem Text. Hierbei werden Daten und Fakten gesammelt und ausgewertet.
Das kann wunderbar funktionieren, wenn es um Statistiken, Konjunkturprogramme oder ähnlichem geht. Hier geht das leider nicht so ohne weiteres, denn es fehlt an objektiven Daten. Man muss auf subjektiv gefärbte Zitate zurückgreifen, beurteilt die Rechtslage, analysiert den Status Quo und versucht sich in Theoriebildung und Schlussfolgerung. Auch diese Darstellungsform läuft automatisch Gefahr einseitig zu werden, wenn man auf Aussagen der Politik zurückgreift, denn dort trifft man wieder auf den breiten Konsens.
Journalisten wissen das, das ist deren Handwerk, das haben die erlernt. Daher wird ein Journalist, der sich bemüht objektiv zu bleiben, versuchen mit ausschließlich neutralen Daten zu arbeiten. Gibt es die überhaupt in so einem Fall? Ja, die gibt es, aber nur sehr wenige und wenig aussagekräftige, wie Zeitlinien oder dergleichen.
Darüber hinaus ist ein Journalist auch nur ein Mensch und unmittelbar seiner Wahrnehmung unterworfen. Selbstverständlich kennt ein Journalist das Rauschen im Blätterwald, er muss im Zuge seiner Recherche sich ausgiebig mit dem Blätterwald beschäftigen, sonst läuft er Gefahr wichtige Fakten unberücksichtigt zu lassen.
Da das allgemeine Rauschen, wie oben erläutert, aufgrund des breiten Konsens niemals objektiv sein kann, läuft der Journalist automatisch Gefahr beeinflusst zu werden. Genauer gesagt: er wird zwangsläufig beeinflusst!
Die Auswirkungen einer solchen Wahrnehmungsbeeinflussung kann man methodisch minimieren, aber niemals ausschalten. Die Folge ist, dass die mehrheitliche Darstellung wieder dem Konsens folgen wird. Der Unterschied wird aber in der Verteilung erkennbar. Aus einer angenommen 80:20 Verteilung (pro:contra) aus der Berichterstattung wird beispielsweise ein 70:30 Verhältnis. Analysen werden in ihrer Gesamtheit vom breiten Konsens zu einem 50:50 Verhältnis tendieren, diesen aber nie erreichen, da sie niemals völlig objektiv sein können.
Das Problem dabei, nur wenige lesen täglich mehrere Blätter und schauen TV aus mehreren unabhängigen Quellen. Der Medienkonsument wird sich daher mit der Auswahl seiner bevorzugten Medien selbst beeinflussen. Bei unserem angenommenen 70:30 Verhältnis findet sich zBsp in der konservativen Presse eine 75:25 und in der linksorientierten Presse ein 65:35 Verhältnis. Schon driften die Meinungen der Leser tendenziell auseinander. Die Präferenzen des Lesers nehmen zudem entscheidenden Einfluss auf seine Meinung, denn durch die Vorlieben werden die Quellen bestimmt. Der Leser mit Hang zum Boulevard wird häufig Erst- und Zweitquellen in boulevardesken Medien suchen. Sein Wahrnehmungsfehler, der auf einseitigen Konsumgewohnheiten beruht, wird im nächsten Schritt, wieder aufgrund einseitigem Leseverhaltens, bestätigt. Und schon ist die Meinung wie eingemeißelt.
Die dritte wichtige Darstellungsform sind journalistische Kommentare. Hier wird unzweifelhaft und absolut beabsichtigt eine Meinung geäußert. Die Meinung ist natürlich stark vom jeweiligen Standpunkt des Autors abhängig. Meinungen sind aufschlussreich, da sie hinter die Denkfassade blicken lassen. Der Leser lernt auf diesem Weg Gedankengänge kennen, die ihm sonst verschlossenen blieben. Wer kennt schon Denkmuster, Hintergründe, Motivation und Weltanschauung eines Meinungs- und Argumentationsgegners?
Kommentare sind daher ein sehr wichtiges Instrument für den Leser, sie können ihn in die Lage versetzen Muster und Schemen zu sammeln und auszuwerten. Kommentare sind ein gutes Mittel um sich eine objektive Meinung zu bilden, aber nur, wenn man sich selbst objektiv verhält. Wer nur die Kommentare in der B... sammelt um sie dann auszuwerten, kann sich die Mühe gleich sparen. Da tauchen keine kontroversen Kommentare auf. Und eben diese Kontroverse braucht man, deshalb gibt es in Leitmedien sehr oft Kommentare unterschiedlicher Aussage und Natur. Das ist zweifelsohne dem Versuch von größtmöglicher Objektivität und Transparenz geschuldet.
Die einseitige Berichterstattung ist somit zwangsläufige Folge des einseitigen und parteiergreifenden Verhaltens unserer Regierung. Berichterstattung lässt gar nichts anderes zu, als mehrheitliches Verhalten abzubilden. Wirfst du den Medien einseitige Berichterstattung vor, so musst du diesen Vorwurf eigentlich den die Akteure richten, nicht an die Überbringer der Botschaft.
Die einseitige Meinungsdarstellung hingegen kann man den Medien zum Teil vorwerfen. Denn sie unterliegt eindeutig dem eigenen Standpunkt und einer fehlerhaften Wahrnehmung (die man aber niemandem vorwerfen kann, denn wir alle unterliegen diesem Fehler, auch Journalisten). Die Prüfung ob ein Medium einseitig oder stark tenzeniell ausgeprägt ist, oder sich um Objektivität bemüht, ist gar nicht so schwer. Dazu muss man nur überprüfen ob jeweilige Gegenstimmen (Bsp. Gysi, Kohl, Schmidt, Kissinger) quantitativ entsprechend zu Wort kommen und wie man sie qualitativ zu Wort kommen lässt.
Es hilft nur Medienkompetenz. Man muss sich entsprechend verhalten, mehrere Quellen bemühen, Quellen unterschiedlicher Standpunkte wählen, möglichst internationale Medien hinzuziehen. Englischsprachige Artikel findet man heute beinahe aus jedem Land. Kathimerini - Griechenland, El Pais - Spanien, Le Monde - Frankreich. Dutchnews, Times of Inda, Peruvian Times, Santiago Times, und unzählige mehr. Niemand ist heutzutage auf nationale Presse limitiert, mit ein klein wenig Mühe bekommt man heute "alles" rein.