Globalisierung = Amerikanisierung
30.01.2005 um 14:32Globalisierung = Amerikanisierung?
Ich habe immer mehr den Eindruck, daß Deutschland "amerikanisiert" wird.
Daher habe ich hier erst einmal verschiedenste kurze Abrisse und Links als Einstand zum Thema, und hoffe, daß dieser Thread nicht wieder nur zugespammt wird, sondern von Interessierten mit Beiträgen zum Thema
bereichert wird.
q.
>>Zitat:
Heinrich Jaenecke
Denn was Globalisierung genannt wird, hat mit Verbrüderung wenig zu tun: Es ist nichts anderes als die Amerikanisierung der Welt, das heisst die Unterwerfung des Globus unter die wirtschaftliche und politische Hegemonie der USA. Die einzige Nation, die sich unter der Globalisierung nicht zu ändern braucht, sind die Vereinigten Staaten. Es ist die Welt, die sich Amerika anpassen muss.>>Terry von Bibra
Geschäftsführer Yahoo! Deutschland
Zum Januar 2005 wurde Terry von Bibra zum Geschäftsführer der Yahoo! Deutschland GmbH berufen. Sein vorrangiges Ziel sieht von Bibra darin, "für unsere Nutzer die Yahoo! Produkte und Services weiter zu verbessern und auszubauen sowie Yahoo! als Plattform für unsere Marketing- und Werbekunden immer größer und attraktiver zu machen".
Der gebürtige US-Amerikaner war vor seiner jetzigen Tätigkeit bei dem amerikanischen Unternehmen Amazon.com tätig und verantwortete dort seit 2001 als European Head of Business Development das europäische Online Marketing Geschäft. Terry von Bibra berichtet direkt an Dominique Vidal, Chief Operating Officer von Yahoo! Europe.
>>Viva sendete Schwarzbild
Besonders drastisch hatte der Kölner Musiksender Viva auf die Ereignisse in Amerika reagiert. Am Dienstag (11.09.01), dem Tag der Anschläge, wurde das Programm von Viva und Viva II um 19 Uhr unterbrochen: Bis Mittwochmittag war nur ein Schwarzbild mit Senderlogo zu sehen. Zudem informierte eine durchs Bild laufende Textzeile: "Aus Respekt vor den Geschehnissen setzen wir unser Programm vorübergehend aus." Anschließend strahlte Viva eine dreistündige Livesendung zu den Anschlägen aus. "Da sprachen Gäste im Studio und Zuschauer von zu Hause aus über ihre Ängste und Nöte", sagte eine Sprecherin von Viva gegenüber wdr.de.
>>Musiksender Viva an Viacom verkauft
Wieder erwirbt ein US-Konzern einen hiesigen Fernsehkanal. Damit sind vier von fünf deutschen Musikkanälen in der Hand von Viacom. Bestandsgarantien für die Standorte in Köln und Berlin, aber nicht für die einzelnen Programme.
Als der deutsche Musikkanal Viva vor einigen Jahren den internationalen Marktführer MTV hierzulande überholte, kannte die Begeisterung für das Programm des ehemaligen NRW-Rockbeauftragten Dieter Gorny keine Grenzen. Dann kam die Krise samt Verlusten. Seit gestern ist die Viva Media AG nun in amerikanischer Hand: Ein US-Medienunterunternehmen übernimmt über 75 Prozent der Aktien. Es ist Viacom - der Mutterkonzern von MTV.
Damit sind jetzt nicht nur vier der fünf in Deutschland ausgestrahlten Musikprogramme (Viva, Viva Plus, MTV 1, MTV 2 Pop) unter ein und demselben Konzerndach. Auch die Strategie der deutschen TV-Unternehmen, einen Einstieg der großen US-Konzerne im deutschen Markt zu verhindern, ist endgültig gescheitert. Schon 2003 hatte der US-Medienmilliardär Haim Saban die ProSieben-Sat.1-Senderfamilie übernommen.
>>Ein grundsätzliches Problem der meisten Debatten zur Amerikanisierung ist die mangelnde Verständigung über Schlüsselbegriffe.1 Was ist eigentlich Amerikanisierung? Dieser Begriff bezeichnet zum einen die kulturelle Assimilation von Einwanderern in die amerikanische Gesellschaft.2 Zum anderen beschreibt er den kulturellen Transfer von Amerikanismen, wie z.B. Produkten, Normen, Verhaltensweisen und Symbolen, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten haben oder als amerikanisch empfunden werden.
Die Debatte über solche Transferprozesse hat in Europa Tradition. Sie war immer schon von der Ambivalenz der Alten gegenüber der Neuen Welt geprägt und oszillierte, wie dies Alf Lüdtke formuliert hat, zwischen den Extremen von "Traum und Alptraum". Besonders deutlich wurden diese Ambivalenzen im deutschen Amerikadiskurs.3 Während Goethe ein Hochlied auf die USA anstimmte und sein "Amerika, du hast es besser" zum Sinnbild deutscher Amerikabewunderung wurde, kritisierte schon Heinrich Heine den Materialismus der neuen Welt:
"Der weltliche Nutzen ist ihre eigene Religion und das Geld ist ihr Gott, ihr einziger, allmächtiger Gott".4
Auch Friedrich Nietzsche warnte vor der "atemlosen Hast der Arbeit" in Amerika, die beginne "... bereits durch Ansteckung das alte Europa wild zu machen und eine wunderliche Geistlosigkeit darüber zu breiten".5
Die Forschung hat darauf aufmerksam gemacht, daß bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts alle Kernstereotypen entstanden sind, die uns bis heute in einer endlosen feedback-Schleife wieder begegnen.6
Der Begriff 'Amerikanisierung' entstand bereits in den 1830er in Großbritannien und fand ab 1850 allmählich in ganz Europa Verbreitung.7
Der englische Journalist William T. Stead verhalf dem Terminus dann mit seinem 1901 veröffentlichten Buch The Americanization of the World zum Durchbruch.8
Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich Amerika in Deutschland und Europa zur Folie einer umfassenden Zivilisationskritik als Reflex auf die als nachteilig empfundenen Konsequenzen der Moderne.
Sowohl die Begriffe Amerikanisierung wie auch Amerikanismus, ein Ausdruck, der vor allem in den 1920er und 1930er Jahren gebräuchlich war, enthalten Ambivalenz und zahlreiche Kernstereotypen, die bis in die Gegenwart fortwirken.9
Hierzu zählen die Vorstellung von der Machbarkeit der Natur und der Übermacht der Technik im amerikanischen Alltag, die ambivalente Rezeption der zumeist ungezwungenen Umgangsform der Amerikaner, die bewundert, aber auch als kindisch und oberflächlich beschrieben wird, das Unbehagen an der amerikanischen Massengesellschaft und schließlich (und dies besonders beharrlich) der Vorwurf, Amerika sei ein Land, eine Zivilisation ohne Kultur.
>>Im Frühjahr 1992 war es soweit: Vor den Toren von Paris, in Marne-la-Vallée, öffnete nach mehrjähriger Bauzeit Euro Disney seine Pforten, ein riesiger Vergnügungspark der Walt Disney Corporation, gestaltet nach den Vorbildern Disneyworld und Disneyland in Florida und Kalifornien. Doch während amerikanische Bands für die musikalische Begleitung der großen Micky-Maus-Parade sorgten und das farbenprächtige Feuerwerk über Frontierland und Tomorrowland untermalten, erschallten im Hintergrund andere, schrillere und weniger vergnügte Töne. Nicht nur beschwerten sich Anwohner über die Belästigung durch Lärm oder Verkehr, nicht nur wetterten Gewerkschafter gegen die Arbeitsbedingungen in Euro Disney (beispielsweise gegen Bestimmungen, die den männlichen Angestellten das Tragen von Bärten verboten, den weiblichen Angestellten das Färben ihrer Haare); sondern all die unterschiedlichen Klagen, Beschwerden und Proteste fanden ihr verbindendes Element in einer harschen und ganz allgemeinen Amerikakritik. Diese artikulierte, gleichsam als Thema mit Variationen, zahlreiche und zum größten Teil altbekannte antiamerikanische Ressentiments und Stereotypen: von der Verflachung der europäisch-französischen Kultur durch den amerikanischen Einfluß bis hin zur angeblich typisch amerikanischen Fixierung auf Geld und Konsum. Breit wurde einmal mehr und überaus heftig die amerikanische Gefahr für die französische Kultur und Gesellschaft beschworen. Euro Disney sei der 51. amerikanische Bundesstaat, hieß es nicht zuletzt. Führende Kommentatoren warnten vor der "Disneylandisierung" — disneylandisation — französischer Schlösser, Museen und anderer historischer Stätten, sie warnten vor der "Industrialisierung der Freizeit". Intellektuelle wie Alain Finkielkraut werteten Euro Disney als "beängstigenden riesigen Schritt in Richtung einer Homogenisierung der Welt unter amerikanischen Vorzeichen". Der vielleicht drastischste Kommentar stammte indes von der bekannten französischen Filmregisseurin Ariane Mnouchkine, die den Park als "kulturelles Tschernobyl" attackierte.1
Zwar besuchen heute Jahr für Jahr Zehntausende von Franzosen – zusammen mit vielen anderen Europäern – Euro Disney. Die Wogen der Aufregung und der antiamerikanischen Aufwallung der frühen neunziger Jahre haben sich geglättet – zumindest oberflächlich. Dennoch verdienen die hier kurz geschilderten Stimmungen und Urteile eine vertiefte Analyse, zumal sie in der langen Tradition eines französischen Antiamerikanismus stehen, der seit den zwanziger Jahren, spätestens aber seit 1945 in Frankreich und vor allem in den Zirkeln französischer Eliten latent vorhanden war und immer wieder in heftigen Schüben und Eruptionen manifest wurde. Diese Ausbrüche – das zeigt ein Blick auf die Politik Charles de Gaulles – beschränkten sich beileibe nicht nur auf den Bereich der Kultur. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang erhebt, ist die nach dem spezifischen Charakter und der Eigenart des französischen Antiamerikanismus bzw. der französischen Reaktionen auf tatsächliche oder perzipierte Prozesse der Amerikanisierung.2 Eine vergleichende Perspektive kann dieser Beitrag nicht öffnen, doch bieten die in diesem Band insgesamt versammelten Aufsätze zumindest Ansätze dafür. Komparatistische Analysen sind umso wichtiger, als nur sie es vermögen, auf dem Umweg der Identifikation je unterschiedlicher nationaler Ausprägungen von Amerikanisierung, Amerikanismen oder Antiamerikanismen auch mögliche Kernbestände und Grundstrukturen von Amerikanisierungsprozessen, von Ameri-kanismen oder Antiamerikanismen herauszuarbeiten. Amerikanismen nämlich beispielsweise – oder das, was man als solche bezeichnet – haben in verschiedenen nationalen Kontexten divergierende Ausprägungen, Erscheinungsformen und Inhalte. Sie werden französisiert oder germanisiert, sind also nationalkulturell bedingt und bestimmt.
Auch die Frage nach den Begriffen stellt sich an dieser Stelle. Ausdrücke wie Amerikanisierung oder Amerikanismus sind zunächst viel weniger analytische Begriffe, sondern sie bezeichnen Diskurse, sie entstammen politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Konfliktfeldern und Auseinandersetzungen. Das mag der Hinweis auf die deutsche Amerikanismus-Debatte in den Jahren der Weimarer Republik belegen, aber auch, mit Blick auf Frankreich, die nicht zuletzt um den vielschichtigen und schillernden Amerikanisierungsbegriff zentrierte politische Diskussion während der Präsidentschaft de Gaulles.
Amerikanisierung steht überdies nicht selten als Chiffre für ganz unterschiedliche sozioökonomische, soziopolitische und soziokulturelle Entwicklungen und Konzepte wie zum Beispiel "Modernisierung", "Industrialisierung", "Technisierung", "Kapitalismus", "Marktwirtschaft", "Konsumgesellschaft", "Massenkultur" oder "moderne Unterhaltung".
>>http://ejournal.thing.at/Essay/usgerm.html
>>Die Personalisierung politischer Kommunikation gilt als eines der zentralen Merkmale der Amerikanisierungsthese. Dem Beitrag von Marcinkowski und Greger kommt das Verdienst zu, anhand der Befunde einer Studie über die Personalisierung von Politik in der Fernsehkommunikation endlich den rationalen Hintergrund darzulegen: Mit dem Rückgang fester Parteibindungen in Deutschland würden kurzfristige Einflüsse auf das Wahlverhalten, wie sie etwa vom Personalangebot ausgehen, für den Erfolg politischer Parteien zunehmend wichtiger. Außerdem verlangten die Menschen in einer Welt komplexer politischer und gesellschaftlicher Problemlagen verstärkt nach personellen Orientierungen und Identifikationsangeboten. Hinzu komme der gewachsene Druck von Darstellungszwängen und Nachrichtenwerten auf die Nachrichtenmacher, die in einer komplexer gewordenen Welt auf Personen angewiesen sind, die Politik verständlich vermitteln.
Als berühmt-berüchtigtster Beleg für die Amerikanisierung der politischen Kommunikation in Deutschland wird gerne der Leipziger Parteitag der Sozialdemokraten im April 1998 ins Feld geführt. Er habe deutlich gemacht, dass Stil und Handwerkszeug amerikanischer Kampagnenführung in Deutschland kopiert werden. Konjunktur hatte die Amerikanisierungsthese wieder in der Analyse des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes 2000, als dem hyperaktiven Fallschirmspringer Jürgen Möllemann eine Punktlandung bei 9,8 Prozent der Wählerstimmen gelungen war. Die Diskussion um die Amerikanisierung der politischen Kommunikation ist jedoch ganz und gar nicht neu. Anfang der 60er Jahre, als Willy Brandt als Spitzenkandidat der SPD gegen Konrad Adenauer antrat und seine Berater in die Vereinigten Staaten schickte, hieß es, er habe eine deutlich sichtbare Tendenz zur Amerikanisierung erkennen lassen und es habe auffallende Ähnlichkeiten zwischen den Wahlkampfmethoden der USA und der Bundesrepublik gegeben. Vor diesem Hintergrund verwundert Christina Holtz-Bachas Fazit über den Wahlkampf in Deutschland nicht: Die Diskussion um die Amerikanisierung deutscher Wahlkämpfe wird wenigstens alle vier Jahre wiederbelebt, und das seit etwa 40 Jahren, als sich Willy Brandt für den Bundestagswahlkampf 1961 zum ersten Mal am amerikanischen Vorbild orientierte.
>>http://www.inter-cultural.de/globalisierung/globalisierung_ amerikan.htm
>>Die "Amerikanisierung" des deutschen Fernsehens
Autor: Sven Boehme
...breathe...your heart is beating...
Ich habe immer mehr den Eindruck, daß Deutschland "amerikanisiert" wird.
Daher habe ich hier erst einmal verschiedenste kurze Abrisse und Links als Einstand zum Thema, und hoffe, daß dieser Thread nicht wieder nur zugespammt wird, sondern von Interessierten mit Beiträgen zum Thema
bereichert wird.
q.
>>Zitat:
Heinrich Jaenecke
Denn was Globalisierung genannt wird, hat mit Verbrüderung wenig zu tun: Es ist nichts anderes als die Amerikanisierung der Welt, das heisst die Unterwerfung des Globus unter die wirtschaftliche und politische Hegemonie der USA. Die einzige Nation, die sich unter der Globalisierung nicht zu ändern braucht, sind die Vereinigten Staaten. Es ist die Welt, die sich Amerika anpassen muss.>>Terry von Bibra
Geschäftsführer Yahoo! Deutschland
Zum Januar 2005 wurde Terry von Bibra zum Geschäftsführer der Yahoo! Deutschland GmbH berufen. Sein vorrangiges Ziel sieht von Bibra darin, "für unsere Nutzer die Yahoo! Produkte und Services weiter zu verbessern und auszubauen sowie Yahoo! als Plattform für unsere Marketing- und Werbekunden immer größer und attraktiver zu machen".
Der gebürtige US-Amerikaner war vor seiner jetzigen Tätigkeit bei dem amerikanischen Unternehmen Amazon.com tätig und verantwortete dort seit 2001 als European Head of Business Development das europäische Online Marketing Geschäft. Terry von Bibra berichtet direkt an Dominique Vidal, Chief Operating Officer von Yahoo! Europe.
>>Viva sendete Schwarzbild
Besonders drastisch hatte der Kölner Musiksender Viva auf die Ereignisse in Amerika reagiert. Am Dienstag (11.09.01), dem Tag der Anschläge, wurde das Programm von Viva und Viva II um 19 Uhr unterbrochen: Bis Mittwochmittag war nur ein Schwarzbild mit Senderlogo zu sehen. Zudem informierte eine durchs Bild laufende Textzeile: "Aus Respekt vor den Geschehnissen setzen wir unser Programm vorübergehend aus." Anschließend strahlte Viva eine dreistündige Livesendung zu den Anschlägen aus. "Da sprachen Gäste im Studio und Zuschauer von zu Hause aus über ihre Ängste und Nöte", sagte eine Sprecherin von Viva gegenüber wdr.de.
>>Musiksender Viva an Viacom verkauft
Wieder erwirbt ein US-Konzern einen hiesigen Fernsehkanal. Damit sind vier von fünf deutschen Musikkanälen in der Hand von Viacom. Bestandsgarantien für die Standorte in Köln und Berlin, aber nicht für die einzelnen Programme.
Als der deutsche Musikkanal Viva vor einigen Jahren den internationalen Marktführer MTV hierzulande überholte, kannte die Begeisterung für das Programm des ehemaligen NRW-Rockbeauftragten Dieter Gorny keine Grenzen. Dann kam die Krise samt Verlusten. Seit gestern ist die Viva Media AG nun in amerikanischer Hand: Ein US-Medienunterunternehmen übernimmt über 75 Prozent der Aktien. Es ist Viacom - der Mutterkonzern von MTV.
Damit sind jetzt nicht nur vier der fünf in Deutschland ausgestrahlten Musikprogramme (Viva, Viva Plus, MTV 1, MTV 2 Pop) unter ein und demselben Konzerndach. Auch die Strategie der deutschen TV-Unternehmen, einen Einstieg der großen US-Konzerne im deutschen Markt zu verhindern, ist endgültig gescheitert. Schon 2003 hatte der US-Medienmilliardär Haim Saban die ProSieben-Sat.1-Senderfamilie übernommen.
>>Ein grundsätzliches Problem der meisten Debatten zur Amerikanisierung ist die mangelnde Verständigung über Schlüsselbegriffe.1 Was ist eigentlich Amerikanisierung? Dieser Begriff bezeichnet zum einen die kulturelle Assimilation von Einwanderern in die amerikanische Gesellschaft.2 Zum anderen beschreibt er den kulturellen Transfer von Amerikanismen, wie z.B. Produkten, Normen, Verhaltensweisen und Symbolen, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten haben oder als amerikanisch empfunden werden.
Die Debatte über solche Transferprozesse hat in Europa Tradition. Sie war immer schon von der Ambivalenz der Alten gegenüber der Neuen Welt geprägt und oszillierte, wie dies Alf Lüdtke formuliert hat, zwischen den Extremen von "Traum und Alptraum". Besonders deutlich wurden diese Ambivalenzen im deutschen Amerikadiskurs.3 Während Goethe ein Hochlied auf die USA anstimmte und sein "Amerika, du hast es besser" zum Sinnbild deutscher Amerikabewunderung wurde, kritisierte schon Heinrich Heine den Materialismus der neuen Welt:
"Der weltliche Nutzen ist ihre eigene Religion und das Geld ist ihr Gott, ihr einziger, allmächtiger Gott".4
Auch Friedrich Nietzsche warnte vor der "atemlosen Hast der Arbeit" in Amerika, die beginne "... bereits durch Ansteckung das alte Europa wild zu machen und eine wunderliche Geistlosigkeit darüber zu breiten".5
Die Forschung hat darauf aufmerksam gemacht, daß bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts alle Kernstereotypen entstanden sind, die uns bis heute in einer endlosen feedback-Schleife wieder begegnen.6
Der Begriff 'Amerikanisierung' entstand bereits in den 1830er in Großbritannien und fand ab 1850 allmählich in ganz Europa Verbreitung.7
Der englische Journalist William T. Stead verhalf dem Terminus dann mit seinem 1901 veröffentlichten Buch The Americanization of the World zum Durchbruch.8
Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich Amerika in Deutschland und Europa zur Folie einer umfassenden Zivilisationskritik als Reflex auf die als nachteilig empfundenen Konsequenzen der Moderne.
Sowohl die Begriffe Amerikanisierung wie auch Amerikanismus, ein Ausdruck, der vor allem in den 1920er und 1930er Jahren gebräuchlich war, enthalten Ambivalenz und zahlreiche Kernstereotypen, die bis in die Gegenwart fortwirken.9
Hierzu zählen die Vorstellung von der Machbarkeit der Natur und der Übermacht der Technik im amerikanischen Alltag, die ambivalente Rezeption der zumeist ungezwungenen Umgangsform der Amerikaner, die bewundert, aber auch als kindisch und oberflächlich beschrieben wird, das Unbehagen an der amerikanischen Massengesellschaft und schließlich (und dies besonders beharrlich) der Vorwurf, Amerika sei ein Land, eine Zivilisation ohne Kultur.
>>Im Frühjahr 1992 war es soweit: Vor den Toren von Paris, in Marne-la-Vallée, öffnete nach mehrjähriger Bauzeit Euro Disney seine Pforten, ein riesiger Vergnügungspark der Walt Disney Corporation, gestaltet nach den Vorbildern Disneyworld und Disneyland in Florida und Kalifornien. Doch während amerikanische Bands für die musikalische Begleitung der großen Micky-Maus-Parade sorgten und das farbenprächtige Feuerwerk über Frontierland und Tomorrowland untermalten, erschallten im Hintergrund andere, schrillere und weniger vergnügte Töne. Nicht nur beschwerten sich Anwohner über die Belästigung durch Lärm oder Verkehr, nicht nur wetterten Gewerkschafter gegen die Arbeitsbedingungen in Euro Disney (beispielsweise gegen Bestimmungen, die den männlichen Angestellten das Tragen von Bärten verboten, den weiblichen Angestellten das Färben ihrer Haare); sondern all die unterschiedlichen Klagen, Beschwerden und Proteste fanden ihr verbindendes Element in einer harschen und ganz allgemeinen Amerikakritik. Diese artikulierte, gleichsam als Thema mit Variationen, zahlreiche und zum größten Teil altbekannte antiamerikanische Ressentiments und Stereotypen: von der Verflachung der europäisch-französischen Kultur durch den amerikanischen Einfluß bis hin zur angeblich typisch amerikanischen Fixierung auf Geld und Konsum. Breit wurde einmal mehr und überaus heftig die amerikanische Gefahr für die französische Kultur und Gesellschaft beschworen. Euro Disney sei der 51. amerikanische Bundesstaat, hieß es nicht zuletzt. Führende Kommentatoren warnten vor der "Disneylandisierung" — disneylandisation — französischer Schlösser, Museen und anderer historischer Stätten, sie warnten vor der "Industrialisierung der Freizeit". Intellektuelle wie Alain Finkielkraut werteten Euro Disney als "beängstigenden riesigen Schritt in Richtung einer Homogenisierung der Welt unter amerikanischen Vorzeichen". Der vielleicht drastischste Kommentar stammte indes von der bekannten französischen Filmregisseurin Ariane Mnouchkine, die den Park als "kulturelles Tschernobyl" attackierte.1
Zwar besuchen heute Jahr für Jahr Zehntausende von Franzosen – zusammen mit vielen anderen Europäern – Euro Disney. Die Wogen der Aufregung und der antiamerikanischen Aufwallung der frühen neunziger Jahre haben sich geglättet – zumindest oberflächlich. Dennoch verdienen die hier kurz geschilderten Stimmungen und Urteile eine vertiefte Analyse, zumal sie in der langen Tradition eines französischen Antiamerikanismus stehen, der seit den zwanziger Jahren, spätestens aber seit 1945 in Frankreich und vor allem in den Zirkeln französischer Eliten latent vorhanden war und immer wieder in heftigen Schüben und Eruptionen manifest wurde. Diese Ausbrüche – das zeigt ein Blick auf die Politik Charles de Gaulles – beschränkten sich beileibe nicht nur auf den Bereich der Kultur. Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang erhebt, ist die nach dem spezifischen Charakter und der Eigenart des französischen Antiamerikanismus bzw. der französischen Reaktionen auf tatsächliche oder perzipierte Prozesse der Amerikanisierung.2 Eine vergleichende Perspektive kann dieser Beitrag nicht öffnen, doch bieten die in diesem Band insgesamt versammelten Aufsätze zumindest Ansätze dafür. Komparatistische Analysen sind umso wichtiger, als nur sie es vermögen, auf dem Umweg der Identifikation je unterschiedlicher nationaler Ausprägungen von Amerikanisierung, Amerikanismen oder Antiamerikanismen auch mögliche Kernbestände und Grundstrukturen von Amerikanisierungsprozessen, von Ameri-kanismen oder Antiamerikanismen herauszuarbeiten. Amerikanismen nämlich beispielsweise – oder das, was man als solche bezeichnet – haben in verschiedenen nationalen Kontexten divergierende Ausprägungen, Erscheinungsformen und Inhalte. Sie werden französisiert oder germanisiert, sind also nationalkulturell bedingt und bestimmt.
Auch die Frage nach den Begriffen stellt sich an dieser Stelle. Ausdrücke wie Amerikanisierung oder Amerikanismus sind zunächst viel weniger analytische Begriffe, sondern sie bezeichnen Diskurse, sie entstammen politischen, gesellschaftlichen oder kulturellen Konfliktfeldern und Auseinandersetzungen. Das mag der Hinweis auf die deutsche Amerikanismus-Debatte in den Jahren der Weimarer Republik belegen, aber auch, mit Blick auf Frankreich, die nicht zuletzt um den vielschichtigen und schillernden Amerikanisierungsbegriff zentrierte politische Diskussion während der Präsidentschaft de Gaulles.
Amerikanisierung steht überdies nicht selten als Chiffre für ganz unterschiedliche sozioökonomische, soziopolitische und soziokulturelle Entwicklungen und Konzepte wie zum Beispiel "Modernisierung", "Industrialisierung", "Technisierung", "Kapitalismus", "Marktwirtschaft", "Konsumgesellschaft", "Massenkultur" oder "moderne Unterhaltung".
>>
>>Die Personalisierung politischer Kommunikation gilt als eines der zentralen Merkmale der Amerikanisierungsthese. Dem Beitrag von Marcinkowski und Greger kommt das Verdienst zu, anhand der Befunde einer Studie über die Personalisierung von Politik in der Fernsehkommunikation endlich den rationalen Hintergrund darzulegen: Mit dem Rückgang fester Parteibindungen in Deutschland würden kurzfristige Einflüsse auf das Wahlverhalten, wie sie etwa vom Personalangebot ausgehen, für den Erfolg politischer Parteien zunehmend wichtiger. Außerdem verlangten die Menschen in einer Welt komplexer politischer und gesellschaftlicher Problemlagen verstärkt nach personellen Orientierungen und Identifikationsangeboten. Hinzu komme der gewachsene Druck von Darstellungszwängen und Nachrichtenwerten auf die Nachrichtenmacher, die in einer komplexer gewordenen Welt auf Personen angewiesen sind, die Politik verständlich vermitteln.
Als berühmt-berüchtigtster Beleg für die Amerikanisierung der politischen Kommunikation in Deutschland wird gerne der Leipziger Parteitag der Sozialdemokraten im April 1998 ins Feld geführt. Er habe deutlich gemacht, dass Stil und Handwerkszeug amerikanischer Kampagnenführung in Deutschland kopiert werden. Konjunktur hatte die Amerikanisierungsthese wieder in der Analyse des nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampfes 2000, als dem hyperaktiven Fallschirmspringer Jürgen Möllemann eine Punktlandung bei 9,8 Prozent der Wählerstimmen gelungen war. Die Diskussion um die Amerikanisierung der politischen Kommunikation ist jedoch ganz und gar nicht neu. Anfang der 60er Jahre, als Willy Brandt als Spitzenkandidat der SPD gegen Konrad Adenauer antrat und seine Berater in die Vereinigten Staaten schickte, hieß es, er habe eine deutlich sichtbare Tendenz zur Amerikanisierung erkennen lassen und es habe auffallende Ähnlichkeiten zwischen den Wahlkampfmethoden der USA und der Bundesrepublik gegeben. Vor diesem Hintergrund verwundert Christina Holtz-Bachas Fazit über den Wahlkampf in Deutschland nicht: Die Diskussion um die Amerikanisierung deutscher Wahlkämpfe wird wenigstens alle vier Jahre wiederbelebt, und das seit etwa 40 Jahren, als sich Willy Brandt für den Bundestagswahlkampf 1961 zum ersten Mal am amerikanischen Vorbild orientierte.
>>
>>Die "Amerikanisierung" des deutschen Fernsehens
Autor: Sven Boehme
...breathe...your heart is beating...