Heute in der Zeit.
Zwei Tage lang, Freitag und Samstag (bis zum Nachmittag), hatte fast so etwas wie Ruhe in der Türkei geherrscht. Denn lange vor der plötzlich ausgebrochenen Protestbewegung hatte sich das türkische EU-Ministerium eine "Istanbul-Konferenz" ausgedacht, um dem Beitrittsprozess zur EU neuen Schwung zu geben. Die fand nun statt, und so waren einige EU-Honoratioren im Land, vor allem EU-Komissar István Füle. Da wollte man wohl nicht allzu viel Polizeigewalt als Hintergrund haben.
Füle ging zuerst einmal demonstrativ im von Demonstranten besetzten Gezi-Park spazieren. Seine Auftaktrede zur Konferenz war eine regelrechte Standpauke an die Adresse des türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan. Die Demonstranten, die Erdogan zuvor "Terroristen" und "Vandalen" genannt hatte, bezeichnete Füle als "friedliche Bürger", deren Proteste "ein Recht auf Meinungsäußerung".
Das Vorgehen der Polizei gegen sie beweise, dass die Türkei noch viel zu tun habe, um den "Kopenhagener Kriterien" zu genügen – ein Katalog von Mindestanforderungen in Sachen Rechtsstaat und Demokratie, die jeder EU-Beitrittskandidat vor der Aufnahme erfüllen muss.
Erdogan wetterte zurück, die EU sei unfair, die Türkei erfülle schon heute alle Beitrittsbedingungen, ...
Lügt Erdi da sich und seinen Schäfchen eins in die Tasche, oder ist er so realitätsfern, dass er seinem eigenen Geschwätz Glauben schenkt?
Egal, den EU Beitritt kann er mit seinem aktuellen Auftritten gewiss nicht beschleunigen.
In der Nacht zu Freitag hatte er herbeitransportierte :D AKP-Anhänger mit harschen Worten zu Gewaltbereitschaft aufgepeitscht: "Tayyip, nur ein Wort von dir, und wir werden Taksim zermalmen." Am Sonntag machte Erdogan mit der mühsamen Arbeit weiter, Volksmassen in solche Erregung zu versetzen, dass sie zu Gewalt bereit werden. Ein rhetorisches Kunststück, bei dem er sie, noch während er ihr Blut zum Kochen brachte, dazu ermahnte, ihre Wut gegen die "Vandalen und Terroristen" nur an den Wahlurnen auszutoben.
In der Nacht zuvor hatte es schwere Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten in Ankara gegeben. Und in Adana, wo Erdogan am Sonntag eine seiner beiden Brandreden dieses Tages hielt, wurden Steine werfende Jugendliche in den Reihen der Polizei fotografiert – offenbar erste Anzeichen dafür, dass Erdogans verbale Aufwiegelung tatsächlich Gewalt durch seine Anhänger ankündigt.
Nanu, ich dachte nur die Demonstranten seien das verkörperte Böse. Müssen da ein paar Erdi-Hörige vielleicht mal eine neue Schublade aufziehen?
Ob daraus wirklich eine AKP-Massenbewegung wird, wird man in einer Woche wissen. Für den 15. und 16. Juni hat Erdogan zu Pro-AKP-Großdemonstrationen in Istanbul und Ankara aufgerufen. Deswegen nicht gleichzeitig, weil wohl Anhänger von einer Stadt zur anderen gebracht werden müssen. ( Zu gut :D )Ob er vorher wagen wird, den Taksim-Platz durch eine "strategische" Polizeiaktion zu räumen, wie mancherorts gemunkelt wird, das wird sich zeigen. Am Sonntag demonstrierten dort wieder mehr als Hunderttausend Menschen.
Jep, das wird spannend.
Auf jeden Fall wächst in der Türkei die Angst und die Sorge vor dem, was kommt. Denn statt den Forderungen der Demonstranten nachzugeben und den Gezi-Park einen Park sein zu lassen, radikalisiert Erdogan seine Anhänger. Und statt Dialog zu suchen, spaltet er das Land.
Erdogan riskiert freilich auch, die eigene Partei zu spalten. Staatspräsident Abdullah Gül sagte am Freitag, er werde nicht dulden, dass eine "Hexenjagd auf Twitteruser" entsteht. Mehr als 30 waren festgenommen (und zumeist später wieder freigelassen) worden, nachdem Erdogan Twitter als "große Gefahr" bezeichnet hatte. Nach Güls Aussage ging es mit den Festnahmen munter weiter, wie um ihm zu zeigen, dass er nichts zu melden hat. Inzwischen liegt die Zahl der vorübergehend Festgenommenen bei gut 50.
http://www.welt.de/politik/ausland/article116965655/Erdogan-peitscht-Truppen-mit-aggressiven-Parolen-an.html?wtmc=google.editorspick?wtmc%3Dgoogle.editorspick&google_editors_picks=trueHervorhebenungen durch mich.
Ja, Erdi hat ein Problem mit der freien Meinungsäusserung Anderer, er entsorgt seinen Mist ja gerne gross- und lautsprecherisch.
Aber das scheint ja in seinen Reihen System zu sein. Auch hier im Forum wird ja von seinen Hörigen nur zu gerne die Berichterstattung ausländischer Medien kritisiert und dabei ausser acht gelassen, dass gerade die Türkei, was freie Presse angeht, momentan ein Bild abgibt, wie es peinlicher nicht sein kann.
Vielleicht ist es ja für ein gewisses Klientel nötig sich die Türkei schön zu lügen, Land und Leuten tut man damit allerdings keinen Gefallen.