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Anima und Animus
07.07.2012 um 18:05Das das weibliche im Mann und das männliche in der Frau...
Mit dem Archetypus der Anima betreten wir das Reich der "Götter" beziehungsweise das Gebiet, welches sich die Metaphysik reserviert hat. Alles, was die Anima berührt, wird numinos, das heißt unbedingt, gefährlich, tabuiert, magisch. Sie ist die Schlange im Paradies des harmlosen Menschen voll guter Vorsätze und Absichten. Was uns fehlt, was wir suchen, was rätselhaft und dadurch faszinierend ist, das ist immer ein Anderer, eine Andere, ein zuerst Fremder, das Gegenstück oder die fehlende Ergänzung: mein Animus oder meine Anima. Manchmal erschreckend, weil er die tiefsten, oft genug verdrängten Bereiche unserer Seele anspricht - manchmal sehr hilfreich und zwingend nötig, weil er uns endlich Antwort auf offene Fragen geben kann.
So finden auch im Realen viiele Menschen ihre Dualseele, ihren Animus oder ihre Anima oft genug nicht unter 'Ihresgleichen', sondern entweder in einem weit entfernten Land, in einer anderen Gesellschaftsschicht oder unter verbotenen, gefährlichen Umständen. Das langwierige, hartnäckige Durchhalten gegen alle Unterschiede und Widerstände auf dem Weg zur Zweisamkeit ist dann aber meistens ein besserer Garant für eine dauerhafte Bindung als ein schnelles Feuer für jemand besonders gut Passenden.
Es ist das ewige Problem in Beziehungen, dass wir eigentlich uns selbst suchen und sehr schnell sehr einnehmend auf eine jeweils neue Liebe eingehen, weil der andere uns anscheinend so ähnlich ist, so eigenartig vertraut, so ganz und gar verstehend. Wir lassen uns faszinieren, wir identifizieren uns total - um dann nach einer gewissen Zeit zu merken: das ist ja ein Fremder, ein völlig von uns Verschiedener und überhaupt nicht passend. Denn - sucht man einen Menschen, mit dem man in jeder Hinsicht übereinstimmt, der alles versteht und in jeder Lebenslage immer zu einem selbst stehen kann - dann gibt es dafür nur eine oder einen: sich selbst. Einen anderen aber um seiner selbst willen zu lieben, das ist ein riesiger Unterschied. Sobald wir in der Lage sind, die Unterschiede zwischeneinander zu lieben, heben wir die Schatten auf und betreten ein neues Paradies.
Eine positive Anima, die nicht projiziert wird, lässt den Mann seine weibliche Seite entwickeln. Diese ist nach Jung zugleich eine Führerin nach innen. Denn sie bringt den Mann dazu, seine Gefühle, Phantasien, Empfindungen, seine Sehnsucht ernst zu nehmen, vielleicht ein Tagebuch zu führen und sich so auf dem Weg zum Selbst, zum Wachstum des inneren Menschen, zu helfen. In diesem Sinne sei auch das "ewig Weibliche" in Goethes Faust zu verstehen. Die "innere Frau" könne Botschaften des Selbst dem Ich übermitteln. So verstanden entspricht das Weibliche im Manne dem empfangenden Prinzip. Ein positiver Animus kann jedoch bei "der Frau zu Mut, Unternehmungsgeist, Wahrhaftigkeit ... führen". Dies allerdings nur, wenn die Frau bereit ist, ihre alten Überzeugungen infrage zu stellen.
Der Individuationsprozess, als ein auf das ganze Leben verteiltes Geschehen, ist im Grunde niemals vollendet. Der Zweck der Individuation ist es, das Selbst aus den falschen Hüllen der Persona einerseits und aus der Suggestivgewalt unbewusster Bilder andererseits zu befreien. Ein Neurotiker, aber oft auch der "ganz normale" Mensch, versucht immer das Leben mit allen seinen Einzelheiten zu denken und aus-zudenken, aber es nicht am eigenen Leib erfahren zu wollen. Er entzieht sich den Unberechenbarkeiten der Existenz, wo er nur kann, und sucht Sicherheit gegen Gefahren, wobei Überraschungen bereits als Gefahren empfunden werden, anstatt im Leben möglichst viel erfahren und erleben zu wollen, auch die eigenen Grenzen und auch das Böse in einem selbst. Oder, auch typisch: man wünscht sich das Leben einfach, sicher und glatt und darum sind Probleme tabu. Man will Sicherheiten und keine Zweifel, man will Resultate und keine Experimente, ohne dabei zu sehen, dass nur durch Zweifel Sicherheiten und nur durch Experimente Resultate entstehen können.
Anima (lat.: Seele) ist das kollektive Bild der Frau beim Mann. Sie ist das weibliche Element in seinem Unbewussten, seine "innere Frau". Diese erfährt beim Einzelnen persönliche Abwandlungen, die von den jeweiligen Lebenserfahrungen bedingt sind. Im menschlichen Wesen ist eine Dualität – im männlichen Wesen existiert eine weibliche und im weiblichen eine männliche Gestalt – der Animus (lat.: Geist). Niemand ist nur männlich oder nur weiblich. In jedem Menschen sind beide Elemente vorhanden und individuell kombiniert. Es kommt sehr auf die innere Harmonie an, wie ein Mann seine weibliche oder eine Frau ihre männliche Seite integrieren, erkennen und mit ihr im Einklang leben kann.
Im Allgemeinen wird die Anima als intuitiv, aufnehmend, einfühlsam, aber auch launisch aufgefasst.
Der Animus dagegen ist rational, bestimmend und beherrschend. Anima und Animus tauchen oft in den vordergründigen Charakterzügen der Persona (lat.: Maske) auf und haben kompensierende Funktion. Je mehr z.B. bei einem Mann die Persona durch eine männliche Fassade durchdrungen ist, desto eher ist es wahrscheinlich, dass in einem anderen Lebensbereich ein weiblich-sanftes Verhalten auftaucht.
Frauen und Männer: ein unerschöpfliches Thema!
Es ist wieder mal ein Thema welches sich mit einer Mischung aus Psychologie und Philosophie befasst, ich finde das ganze aus dem Grund interessant, weil wirklich jeder Mensch teilweise in der Lage dazu ist seine "Anima" oder seinen "Animus" zu finden, auszuleben oder mit anderen zu teilen. Habt ihr denn schon Bekanntschaft mit der jeweils anderen "Seite" in euch gemacht?
Ich selbst habe für mich eine gewisse Harmonie entdeckt, für mich gibt es in mir nichts typisch männliches oder weibliches mehr aber natürlich ist beides fragmentarisch vorhanden, manches mag ich, manches eher weniger ;)
Was denkt oder fühlt ihr, habt ihr eines von beidem in euch?