Was ist Kapitalismus und was nicht?

In Anlehnung an folgende Diskussion:
Was ist Rassismus und was nicht?

stelle ich hier in einem Forum, in dem scheinbar besonders viele linksintellektuell gegen den Kapitalismus argumentieren, die Frage was denn nun Kapitalismus ist und was nicht.
Z.B. auch, ob Deutschland denn nun kapitalistisch ist oder ob China, nur weil es in einigen Bereichen gewisse Reformbemühungen zeigt, deshalb schon kapitalistisch ist.
Und was ist mit Russland? Eher sozialistisch oder kapitalistisch? Und wie kapitalistisch ist die EU?

Nahezu in allen Ländern hat der Kapitalismus, oder besser, der Neoliberalismus Einzug erhalten.
China ist ein paradoxes Beispiel. Dort macht sich ein aggressiver Neoliberalismus breit der nur noch auf Profit und Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist, obwohl das Land offiziell kommunistisch ist. Der Staat ist zwar sehr stark, aber diese Stärke setzt er nur ein um die Freiheit des Marktes zu gewährleisten.
Russland und viele andere Länder genauso, Deutschland sagt sich eine soziale Markwirtschaft zu betreiben, doch auch hier zählt nur noch Profit und Wachstum, die Schere zwischen arm und reich geht immer mehr auseinander, Geld wandert vermehrt von unten nach oben.

Der Irrglaube oder dreiste Lüge des Neoliberalismus ist, dass das Geld doch irgendwann nach "unten" wandert und alle vom Wohlstand profitieren.
Die großen Konzerne und Banken sind zu schützen, koste es was e wolle, denn wenn die untergehen gehen alle unter, so die Meinung der Neoliberalen.
Uns aus Angst machen alle mit.

Weit gefehlt! Das ist nur Panikmache damit die Oberen immer mehr Geld scheffeln!
Und das Geld bleibt dort oben.
Und die Armut und Verzweiflung wachsen unter der Bevölkerung.
Mich widert dieses System nur so an, das mit den Chicago Boys von M. Friedman begann und sich über Reagan und Thatcher ab den 80ern über den gesamten Globus verteilt hat.

Trotz des offensichtlichen Scheiterns dieses Systems mit der Wirtschaftskrise, hält die Welt weiter an den Neoliberalismus fest.

Und unser Präsident verteidigt auch noch dieses brutale menschenverachtende System.

Für mich persönlich beschreibt es ein durch asoziale Gier getriebenes wirt. Handeln. Ein ("kontrollierter") volksnaher Liberalismus sollte wohl ganz gut funktionieren. Bissl komische Formulierung aber man kriegt die Idee denke ich.

Ach alles "ich lass mein Geld arbeiten" zählt auch dazu und wohl die Art von Börse wie man sie zur Zeit hat.

Ich finde die Idee für den Thread gar nicht schlecht. Vieles, was an (negativen) Eigenschaften dem "Kapitalismus" zugeschrieben wird, gab es in ähnlicher bzw. schlimmerer Form bereits vor diesem.

Simowitsch schrieb:Z.B. auch, ob Deutschland denn nun kapitalistisch ist oder ob China, nur weil es in einigen Bereichen gewisse Reformbemühungen zeigt, deshalb schon kapitalistisch ist.
Und was ist mit Russland? Eher sozialistisch oder kapitalistisch? Und wie kapitalistisch ist die EU?

Sie sind alle kapitalistisch.

Wo Geld regiert, wo getrickst, gemauschelt und betrogen wird, wo die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, wo Zinseszins und Beitragsbemessungsgrenzen nur die Reichen begünstigen, da herrscht Kapitalismus.

Linner74 schrieb:Nahezu in allen Ländern hat der Kapitalismus, oder besser, der Neoliberalismus Einzug erhalten.

Sehe ich nicht so. Es gibt da so einen Index, der die wirtschaftliche Freiheit der Länder angibt und da ist z.B. Griechenland ziemlich weit hinten. Man muss schon sehr kreativ sein, das Beispiel Griechenland in Verbindung mit "Neoliberalismus" zu bringen.
Italien genauso. Es belegt in diesem Index nur irgendwas mit Platz 80 von 160 ausgewählten Ländern, ist also gerade im Mittelfeld und das von allen Ländern der Welt. Unter den wohlhabenden Ländern ist Italien somit ziemlich am Ende der Skala.
Auch Frankreich, das in letzter Zeit immer mehr kritisiert wurde, belegt nur einen nicht berühmten 70.Platz. Da wundert es nicht dass Frankreich und Italien gerade die Sorgenkinder der Eurozone sind, weil sie in diesem Index auch hintere Plätze in der EU belegen. Nur Griechenland ist eben noch schlechter.
Chinas Ranking ist sowieso eine Katastrophe und verbessert sich auch sichtlich nicht. Gerade mal der 137.Platz steht zu Buche. China wagt also nur sehr begrenzt Kapitalismus, aber trotzdem sind die Einkommensunterschiede größer als in den USA, weil die Regionen Chinas, wo kein Kapitalismsu herrscht, halt viel ärmer sind.
Deutschland belegt immerhin den 18.Platz, aber wirklich neoliberal kann man es auch nicht nennen, weil es gerade bei den Staatsausgaben und der Arbeitsfreiheit geradezu katastrophale Werte erreicht.

@Linner74

bei deiner dastellung des neoliberalismus, wird der punkt kommen wo die sich gegenseitig bekämpfen werden und da wird jeder einzelne mensch drunter leiden.

@Simowitsch

welche bewertungskriterien liegen diesem index zu grunde?

@Simowitsch
Wie heißt denn dieser Index?
Sind denn die Top Ten als sehr neoliberal definiert und am anderen Ende der Skala Planwirtschaft?
Oder wie ist dieses Ranking definiert?

@dasewige

10 Kriterien, die alle gleichermaßen mit einfließen.

@Simowitsch

hast du diese 10 kriterien zur hand oder wo kann ich diese finden?

@dasewige
Diese Ideologie zielt nur auf Profitmaximierung, der wirtschaftlich stärkere gewinnt, schluckt oder schaltet alle anderen aus und ja es besteht damit die Gefahr das irgendwann ein riesiger Konzern, oder Weltregierung alles kontrollieren wird.

@Linner74

Es ist natürlich nicht unbedingt so, dass die am Ende der Skala reine Planwirtschaft betreiben (genauso wie die vorderen Plätze nicht unbedingt Wildwest-Kapitalismus). Die ersten beiden Plätze belegen Hong Kong und Singapur, da gebe ich zu das ist nicht für alle etwas.
Die Schweiz aber ist auf Platz 4, und sowieso sind fast nur wohlhabende Länder auf den ersten 10 Plätzen. Australien, Kanada, Neuseeland, sogar Dänemark ist darunter trotz der katastrophal hohen Steuern.
Unter den Top 10 befinden sich auch 2 Entwicklungsländer: Chile und Mauritius. Die USA liegt nur auf Platz 12, das heißt, in der Schweiz oder in Mauritius oder Dänemark, gibt es mehr wirtschaftliche Freiheit.
Es liegt aber auch GB und die Niederlande noch vor Deutschland. Auf den letzten beiden Plätzen liegt, war nicht anders zu erwarten, Kuba und Nordkorea, wobei Nordkorea mit großem Abstand letzter ist, sehr weit hinter Kuba. Aber neben China (137.) ist auch Russland (140.) schlecht, während die Ukraine nur auf Platz 155 liegt.
Auch Simbabwe, Venezuela und Argentinien belegen die letzten Plätze. Das heißt also in einem sehr freien Land wie Hong Kong mag viel Ungleichheit herrschen, aber es ist allemal besser als in einem Land wo es kein Kapitalismus gibt, wie Simbabwe.

@Simowitsch

ich habe dein post um 9:28 als hinweis auf neoliberalismus verstanden, dabei geht es bei dem index um die wirtschaftskraft der einzelen nationen zueinander.
das hat im endeffekt nichts mit kapitalismus oder neoliberalismus zu tun.

Linner74 schrieb:Diese Ideologie zielt nur auf Profitmaximierung, der wirtschaftlich stärkere gewinnt, schluckt oder schaltet alle anderen aus und ja es besteht damit die Gefahr das irgendwann ein riesiger Konzern, oder Weltregierung alles kontrollieren wird.

Aber das ist wie gesagt besser, als wenn es gar keine Stärkeren mehr gibt. Davon profitieren nämlich die Schwachen auch nicht unbedingt. Vergleichen wir mal Hong Kong mit Simbabwe oder Nordkorea.
Die Probleme liegen immer eher beim Staat. Der will nämlich immer alles kontrollieren, wie ein riesiger Konzern. Wenn ein privates Monopol entsteht, und das stell ich mir schon schwierig vor, ist das auch nicht so schlimm wie ein Staat.

@dasewige

Dann hätte aber Mauritius unter den Top 10 nichts verloren. Es ist nämlich weder beim Pro Kopf Einkommen besonders bedeutend noch bei der Wirtschaftskraft insgesamt, hat ja sehr wenig Einwohner.
Mauritius ist höchstens vielleicht ein Geheimtipp für Investitionen. So wie auch Kap Verde. In Afrika haben sich tatsächlich vor allem einzelne Inseln in letzter Zeit hervorrangend entwickelt.

Kapitalismus ist die absolute Freiheit des Marktes (Angebot und Nachfrage), und sobald sie von einer höher gestellen (sozialen) Idee, wie einer Nation reguliert wird, bekommt sie gewisse Grenzen, die aber zum Schutze der Menschen dienen. Genau wie die gesamte Idee einer Nationalen Gemeinschaft aus einem Schutzbedürfnis heraus entstand. Rudel, Herde, Sippe, Dorf, NATO usw

dasewige schrieb:hast du diese 10 kriterien zur hand oder wo kann ich diese finden?

Hier:

http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=1&cad=rja&uact=8&ved=0CC4QFjAA&url=http%3A%2F%2Fwww.heritage.org%2Findex%2F&ei=rm94U5LtCdKz0QWB8YDABQ&usg=AFQjCNHOcfaEy1QLd8v0nmX7H0h1bMd1JA&bvm=bv.66917471,d.bGE

Es sind die hässlichen Eigenschaften des Menschen, wie Neid, Hass, Lust und Gier. Diese existieren unabhängig vom Kapitalismus, weil sie der Menschheit eigen sind. Alles andere ist Kapitalismus.

@Simowitsch
Ein zu starker oder ein zu schwacher Staat sind beide keine guten Voraussetzungen für ein Volk.
Ich finde das der Neoliberalismus an sich das falsche Konzept ist. Der Staat muss kontrollieren können, natürlich ohne die Oberhand zu gewinnen, die goldene Mitte eben.

Ein entfesselter Kapitalismus führt früher oder später in die soziale und ökologische Katastrophe.
Das ausgerechnet die stärker neoliberalen Länder diejenigen sind mit den meisten Wohlstand ist nur Schein.
Wohlstand für wem? Den Staaten geht's gut, nicht jedoch das Volk.
Nehmen wir als Beispiel die USA: dort herrscht eine breite Armutsbevölkerung, viele sind obdachlos und arbeitslos.

Die Armut der Länder im unteren Bereich der Skala beruht nicht auf eine unfreie Wirtschaft, sondern hat andere Ursachen wie Korruption und machtbesessene Diktatoren an der Spitze.

Der Markt muss dem Volke dienen, nicht umgekehrt, doch die Menschen müssen immer mehr zurückstecken damit der Markt weiterhin maximale Profite erreicht.
Menschen sind nur noch Mittel zum Zweck und lästige Kostenträger.

@Simowitsch

weil kapitalhortung auch zur wirtschaftskraft zählt sind mauritius und ähnliche zur einer wirtschaftskraft gekommen die ihnen von ihren möglichkeiten nicht zustehen (steuerparadise).


das die schweiz (platz 4) ein sinnbild für kapitalismus oder neoliberalismus ist, das sehe ich nicht.

als beispiel für ein kriterieum für kapitalismus und neoliberalismus, sehe ich in der s.g. schere zwischen arm und reich, geht sie weiter auseinander oder nähert sie sich an.
ein weiteres kriterium könnte der zugang zur bildung sein.