Grünes Geld. Der sanfte Kapitalismus
greenpeace magazin 4.03
Holger Kröske ist sichtlich erleichtert. Sein Aktiendepot ist endlich wieder im Plus. "Zeitweise lag ich mit meinen Umweltaktien kräftig im Minus", sagt der Diplomingenieur aus Falkensee bei Berlin, "aber ich war sicher, dass sich ethisch-ökologisches Investment auf lange Sicht lohnt, wenn die Firmen gut geführt sind." Kröske ist kein Einzelfall. Fast alle "grünen" Anleger wurden in den letzten anderthalb Jahren von der Talfahrt der Aktienmärkte ebenso mitgerissen wie die Besitzer konventioneller Papiere. Immerhin, registriert Kröske bei allen zwischenzeitlichen Sorgen schon fast wieder zufrieden: Während der Deutsche Aktienindex Dax im letzten Jahr 44 Prozent einbüßte, verloren nachhaltige und ethisch-ökologische Aktienfonds im Schnitt "nur" 34,5 Prozent, wie die Analysten von ECOreporter.de ermittelten.
"So niedrig, wie die Kurse zur Zeit sind, haben sie ein gutes Niveau zum Kauf", schöpft Kröske sogar neuen Anleger-Mut. Er setzt darauf, dass der grüne Geldmarkt wieder wächst. Noch ist er zwar ein kleines Pflänzchen im Kapitalmarktdschungel. So hatten die Deutschen Ende 2002 in insgesamt 7707 Fonds 863 Milliarden Euro investiert. Nur 2,1 Milliarden Euro, also ganze 0,25 Prozent, waren in ethisch-ökologischen und in nachhaltigen Fonds angelegt. Allerdings stieg die Zahl der Fonds, die "Rendite ohne Reue" versprechen, bis Anfang 2003 auf 64. Fünf Jahre zuvor waren es ganze zwölf. Ende der 90er Jahre verdoppelte sich ihr Volumen etwa alle sechs bis zwölf Monate. Nur 2002 schrumpfte es, durch den Wertverlust der Aktien in den Fonds.
Dafür gewannen sie aber an Bedeutung. "Ethisches Investment" und "Nachhaltigkeit" sind mittlerweile Begriffe, die auch hart gesottene Börsenexperten ernst nehmen. Der Wunsch einer wachsenden Zahl von Anlegern, aus ihrem Geld Gutes zu machen, wird als marktwirtschaftliche Tatsache akzeptiert. Ob Kinderarbeit, Rüstung, Atomkraft, Treibhausklima, Gentechnik, Subventionen verschlingende Turbo-Landwirtschaft oder Nahrungsmittelskandale - viele Sparer wollen das mit ihrem Geld nicht mehr stützen. Kröske fasst seine Haltung so zusammen: "Ich will keine Dividende, an der Blut klebt - ob direkt wie bei Aktien von Waffenherstellern oder indirekt wie bei der Ölförderung in Afrika."
So klein der Markt des grünen Geldes bislang sein mag, er kann bereits wichtige Erfolge vorweisen: Anfang der 90er Jahre etwa hatten ökologisch engagierte Geldanleger begonnen, Windräder zu finanzieren. Dass mit Windfonds acht bis zehn Prozent Rendite zu erreichen waren, einschließlich der Steuerersparnis oft sogar mehr, sprach sich rasch herum. Der Boom der Windbranche mit ihren heute 40.000 Arbeitsplätzen, Deutschlands Führungsposition bei den erneuerbaren Energien - sie nahmen damals ihren Anfang. Und sie gehen direkt auf das grüne Geld privater Investoren zurück.
Ebenso die Gründungswelle der Umwelt-Aktiengesellschaften Ende der 90er Jahre. Als viele deutsche Unternehmer noch über fehlendes Risikokapital stöhnten, hatten Anleger bereits Millionen in die grüne Nische investiert. Ob Solarzellen- und Biohaushersteller, Hanfproduzent, Windparkprojektierer oder Biosupermarktkette - sie alle konnten sich auf Bürger verlassen, denen es wichtiger war, Ökologie und Ökonomie zu vereinen als sichere Renditen zu erzielen. Umfragen belegten sogar, dass manche Anleger selbst einen Totalverlust ihres Geldes in Kauf nehmen würden, solange es ehrlich für eine gute Sache eingesetzt wird.
So viel Mut wurde belohnt. Die "doppelte Dividende", also der Nutzen für die Umwelt und für das eigene Portemonnaie, wurde zum geflügelten Wort. Wer 1999 die Aktie des Windfondsanbieters Umweltkontor für 12 Euro gekauft hatte, konnte sie schon 2001 für nahezu 100 Euro wieder veräußern. Die Umweltkontor-Gründer Heinrich Lohmann und Leo Noethlichs avancierten durch ihren Aktienbesitz von grünen Kleinkrämern zu zigfachen Euromillionären.
Es sah aus wie die Geschichte der EM-TV-Gebrüder Haffa in grün. Die Ökos an der Börse, und das auch noch mit Erfolg - manchen mag es wie ein Wunder erschienen sein. Börsenblätter brachten Titelstorys zum Öko-Aktien-Boom, Börsen-Zocker stiegen ein. Die "green economy" galt nach dem Sterben der Internetfirmen als neue Hoffnungsträgerin.
In der Phase der Börseneuphorie und unter tätiger Mithilfe von Spekulanten waren die Kurse mancher grüner AGs allerdings in unberechtigte Höhen geschossen. Als wieder Realismus einsetzte, gingen die Kurse - ebenso übertrieben - in den freien Fall über. Auch die Hoffnung der grünen Anleger, ihr Geld werde ausschließlich für die "gute" Sache eingesetzt, erwies sich in Einzelfällen als falsch. Die Umweltkontor-Vorstände Lohmann und Noethlichs etwa mussten sich von Anlegerschützern vorhalten lassen, sie hätten Firmen aus ihrem Privatbesitz an die Umweltkontor AG verkauft - die dafür kräftig löhnte, mit dem sauer Ersparten grüner Aktionäre. Dem Börsenkurs tat dies alles nicht gut: Die Umweltkontor-Aktie kostet derzeit rund 1,40 Euro.
Selbst das einstige grüne Flaggschiff, die Ökobank, wurde von seinem Management so tief ins Minus manövriert, dass die Anlegergelder nur noch von einer Bankensicherungsgesellschaft gerettet werden konnten. Darunter litt auch die viel gepriesene "doppelte Dividende". Wer sie, statt solider Zahlen, in Werbeprospekten anpreist, dem unterstellen Verbraucherschützer "Wollsockenabzocke" - will sagen: Ausnutzen der Naivität von Öko-Engagierten.
Aus der Traum vom grünen Kapitalismus? Keineswegs. Abgeklungen ist nur die Börsenhysterie - aber das gilt für konventionelle Aktien ebenso. Die grünen Sparer jedenfalls, denen es auf langfristige Anlagen ankommt und darauf, dass ihr Geld Gutes tut, werden auch jetzt - in den Zeiten der Wirtschaftsflaute - immer mehr. So berichtet Christof Lützel, Pressesprecher der Bochumer GLS Gemeinschaftsbank, welche die Ökobank übernommen hat: "Ethische Kapitalanlage ist gerade wieder ein großes Thema. Das Interesse an unserer Arbeit ist so groß wie nie. Wir haben 50 bis 60 Anfragen täglich, früher waren es acht bis zehn."
Vielleicht haben diese Anleger einfach nur ein gutes Näschen. Andreas Knörzer, Direktor der Bank Sarasin in Basel, die zu den Nachhaltigkeitsfonds-Pionieren zählt, prognostiziert, grüne Unternehmen würden aus der gegenwärtigen Wirtschaftskrise als Sieger hervorgehen. Doch inzwischen bewirkt der Nachhaltigkeitsgedanke auch bei den konventionellen Unternehmen etwas. Denn mit wachsender Intensität fragt eine junge Generation professionelle Anlagemanager bei Banken und Versicherungen nach der "richtigen" Verwendung von Geld. Als richtig gelten ihnen vor allem jene Firmen, die Risiken frühzeitig erkennen - auch und besonders ökologische Risiken. Für diese junge Generation ist Umweltschutz zur Selbstverständlichkeit geworden. Sie betrachtet das Thema ohne ideologische Scheuklappen.
Sogar ein eigener Berufszweig ist so entstanden: der "Sustainability Analyst" oder Nachhaltigkeitsanalyst. Die Bank Sarasin zum Beispiel hat alleine 17 Mitarbeiter in ihrer Nachhaltigkeitsabteilung, ein erheblicher Aufwand. Sie untersuchen zum Beispiel, ob ein Unternehmen zum Treibhauseffekt beiträgt, in Sachen Rüstung oder Atomkraft tätig ist, ob ein Pharmakonzern Tierversuche durchführt oder welche sozialen und kulturellen Kriterien Arbeitgeber beachten. Das erzeugt Druck - bis in die Vorstandsetagen der Konzerne.
Zudem unterstreichen die Öko-Analysen die Bedeutung des Umweltmanagements von Firmen. Umweltabteilungen gelten nicht länger als lästiges Anhängsel, sondern als Garanten einer erfolgreichen Börsenstrategie. Für Rainer Rauberger, der Leiter des "Sustainability Reporting und Stakeholder Dialogue" beim Düsseldorfer Chemie- und Waschmittelkonzern Henkel, der in Nachhaltigkeitsindices und -fonds gelistet ist, spielt der Imagefaktor "eine große Rolle, intern und extern. Auch für die Mitarbeiter ist das wichtig, dass ihr Unternehmen einen guten Ruf als ‚Sustainability Leader‘ genießt". Die Umweltanliegen seien im Unternehmen eindeutig gestärkt worden, so Rauberger.
Dass Chemiekonzerne wie Henkel und BASF und selbst BMW oder der Kohle- und Atomkonzern RWE in verschiedenen Nachhaltigkeitsfonds geführt werden, irritiert allerdings so manchen grünen Anleger. Einmal abgesehen davon, dass es Fonds gibt, die solche Aktien nicht enthalten (siehe Kasten) - die Befürworter argumentieren mit dem Erfolg des "best-of-class-Prinzips". Lobe den Umweltbesten einer Branche - etwa fürs Energiesparen und effizienten Umgang mit Ressourcen -, dann müssen die anderen nachziehen.
Jochen Staat von Pictet Funds, die ebenfalls nachhaltige Fonds anbieten, sieht es so: "Wenn Unternehmen sich als wenig umwelt- oder sozialverträglich erweisen, riskieren sie, dass ihnen Kunden, Mitarbeiter und auch die Anleger davonlaufen. Für uns ist dies der Hauptanreiz für einen Wandel in der Geschäftswelt."
Und die Zukunft? Zehn Jahre hat es gedauert, bis die von grünem Geld finanzierte Windkraft 3,5 Prozent des deutschen Stromverbrauchs erzeugte. Bis die nachhaltige Geldanlage ganze Branchen umkrempelt, dürfte noch ein wenig länger dauern. Weil es für die Wirtschaft aber nur die Alternative gibt, nachhaltig zu werden oder die Zukunft zu verspielen, ist es für Unternehmen im eigenen Interesse, die Weichen in Richtung ökologischen, sozialen und ethischen Umbau zu stellen. Wer früh kommt, den belohnen die "Grünanleger". Wer zu spät kommt, den bestraft die Börse.
Von JÖRG WEBER
http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=3371 (Archiv-Version vom 20.06.2012)Die Frage ist doch wirklich, wie lange Unternehmen, die auch an sich selbst moralische Maßstäbe anlegen, noch ein Nischendasein fristen, und wann der wirklich Change eintritt. Ich kann es glaube ich sagen, es ist auch nicht schwer. Wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändern.