Nachwuchsstar LaBeouf
Shia und der Spielberg-Faktor
Den Vergleich mit seinem Über-Vorbild James Stewart hält das Nachwuchstalent Shia LaBeouf für Blödsinn. Dennoch ist der 21-jährige US-Schauspieler ("Transformers", "Disturbia") auf dem Sprung in eine große Karriere - dank Steven Spielberg.Er nennt ihn Steven. Wie einen Kumpel von früher. Oder den netten Onkel mütterlicherseits. Dann stockt Shia LaBeouf einen Moment, als würde er plötzlich bemerken, dass nicht jeder diesen gewissen Steven bei seinem Vornamen kennt. Und ergänzt nach der kleinen Pause: Steven Spielberg.
Nun kennt jedermann den Namen Steven Spielberg. Und noch kaum jemand den Namen Shia LaBeouf. Aber das wird sich bald ändern: Denn LaBeouf ist auf dem Weg, eines der vielversprechendsten jungen Gesichter Hollywoods zu werden. LaBeouf spielt nicht nur die Hauptrollen in zwei der kommerziell erfolgreichsten Filme dieses Jahres, dem Action-Spektakel "Transformers" und dem demnächst in die deutschen Kinos kommenden Teenie-Thriller "Disturbia", der ein Sensationserfolg an den amerikanischen Kinokassen war. Momentan steht er auch noch vor der Kamera für den lange erwarteten vierten Teil der "Indiana Jones"-Reihe an der Seite von Harrison Ford. In Spielbergs Action-Abenteuer, das vermutlich im Mai nächsten Jahres anläuft, gibt LaBeouf den Sohn des legendären Titelhelden.
"Alles echte Muskeln. Unglaublich!"
Eine Aufgabe, die den Jungstar beim Interviewtermin in einem Berliner Hotel bereits Wochen vor Drehbeginn beschäftigt. Die dunklen Locken an diesem Tag streng zurück pomadiert, berichtet er von seinem strengen Trainingsplan. Beim täglichen Jogging legt er "sechs, sieben Meilen" zurück, um "nicht unangenehm aufzufallen neben Harrison Ford", soeben 65 geworden. Die Ausstatter, erzählt LaBeouf bewundernd, hätten die alten Kostüme aus den ersten Indiana-Jones-Filmen aus dem Fundus gezerrt - und sie hätten Ford gepasst wie angegossen. "Der ist vielleicht austrainiert", staunt LaBeouf, "aber nicht wie Sylvester Stallone, nicht Anabolika-austrainiert. Das sind alles echte Muskeln. Einfach unglaublich!"
Der 21-Jährige, nach eigener Aussage ein "Kinoverrückter", gerät auch ansonsten leicht ins Schwärmen, wenn er über ältere Kollegen spricht: über Michael Caine, dessen Buch "Acting in Film" er verschlungen hat; über James Stewart, den er "Jimmy" nennt; über die von ihm nicht so geliebte "Rampensau" Dustin Hoffman; über Marlon Brando, James Cagney oder Jon Voight. Dann beugt er sich im Sessel nach vorne, fixiert den Gesprächspartner mit einem wohltrainierten Schauspielerblick und sagt: "Jon Voight hat mich eingeführt in den Zauber der Schauspielerei, in die 50.000 Jahre alte Tradition des Berufes und in die Verantwortung, die man trägt."
Das war bei den Dreharbeiten zu "Holes". Der damals 16-jährige LaBeouf spielte seine erste Hauptrolle, einen der jugendlichen Delinquenten eines Arbeitscamps, die tagtäglich neue Löcher in der Wüste graben mussten. Voight, einst als "Midnight Cowboy" zu Weltruhm gelangt, gab den ebenso herzlosen wie skurrilen Leiter des Camps - und dem jungen Kollegen in den Drehpausen eine Einführung ins Berufsethos. Bis dahin hatte LaBeouf die Schauspielerei vor allem als einfachste Möglichkeit begriffen, schnell Geld zu verdienen und damit herauszukommen aus Echo Park, dem ärmlichen Viertel von Los Angeles, in dem er mit einer vom heroinsüchtigen Vater verlassenen Hippie-Mutter aufgewachsen war.
Von diversen Schulen, so erzählt es die Legende, wurde der junge Shia wegen seines losen Mundwerks suspendiert. Dafür stand er angeblich bereits mit zehn Jahren als Stand-Up-Comedian auf der Bühne. Sein Talent fiel jedenfalls früh auf: Wenig später spielte er drei Jahre lang die Hauptrolle in der Disney-Channel-Serie "Even Stevens", aber Schauspieler, behauptet er, wollte er damals immer noch nicht werden. Der Umschwung kam erst am Set von "Holes" und durch die Bekanntschaft mit dem Veteranen Voight: Seitdem erst weiß er die Schauspielerei zu schätzen als "faszinierende Kunst, ein Handwerk mit unendlichen Möglichkeiten".
Rockstar Jimmy Stewart
Diese Möglichkeiten hat Shia, dessen aus dem Jüdischen stammender Name "Gottes Geschenk" bedeutet, studiert, indem er "viele Filme, sehr viele Filme" gesehen hat. Eine Schauspielschule hat er dagegen nie besucht. "Niemand kann mir beibringen, wie man spielt", erregt er sich, "man kann da nicht drüber reden, Schauspieler waren nie Intellektuelle. Schauspieler kommen von der Straße". Trotzdem kann er sich sehr eloquent darüber auslassen, welche seiner Vorgänger welche Bedeutung für ihn hatten. Voight und John Hurt seien "mein Superman und mein Batman", vor allem aber habe ihn James Stewart beeindruckt: "Der war ein Rockstar für mich."
Mit dem legendären Stewart wird LaBeouf nicht erst verglichen, seit er im Überraschungserfolg "Disturbia" einen pubertierenden Jugendlichen spielt, der zum Hausarrest verdonnert die Nachbarschaft beobachtet und dabei einem Kapitalverbrechen auf die Spur kommt. "Disturbia" ist zwar kein ausdrückliches Remake von "Fenster zum Hof", doch ist nicht nur der Plot ganz offensichtlich an den Hitchcock-Klassiker angelehnt: Auch das verletzliche, trotzdem fast beiläufige Spiel von LaBeouf erinnert an den eingegipsten Stewart von 1954.
Dem Nachwuchsstar ist der Vergleich trotzdem unangenehm. "Das ist das Dümmste, was ich seit langem gehört habe", sagt er, "Jimmy Stewart ist eine Ikone, und meine Karriere ist noch am Anfang". Was natürlich nicht wahr ist. Fast sein halbes Leben schon steht Shia LaBeouf vor der Kamera und überzeugt mit einem sensiblen Spiel, bei dem er stets die Balance findet zwischen persönlichem Ausdruck und Demut vor der Rolle.
Nun muss er nur noch die Entwicklung vom Kinderstar zum Leinwandhelden bewältigen. Die Präsenz dazu hat er schon. Selbst in der Materialschlacht "Transformers", die nächste Woche auch in deutschen Kinos anläuft, gelingt es ihm, seinem Part mehr abzugewinnen als bloße Staffage für die überbordenden Spezialeffekte, die eigentlich die Hauptrolle spielen. Beste Voraussetzungen dafür, dass demnächst der Vorname Shia zum Markenzeichen wird.
http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,496834,00.html (Archiv-Version vom 03.07.2011)