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Die letzten Rätsel der Menschheit

2.782 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Wissenschaft, Menschheit, Rätsel ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:12
@Keysibuna

Bevor das Orakel sprach, bedurfte es eines Omens: Ein Oberpriester besprengte eine junge Ziege mit eisigem Wasser. Blieb sie ruhig, fiel das Orakel für diesen Tag aus, und die Ratsuchenden mussten einen Monat später wiederkommen. Zuckte sie zusammen, wurde sie als Opfertier geschlachtet und auf dem Altar verbrannt.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:14
@KlausBärbel

Nun konnten die Weissagungen beginnen. Begleitet von zwei Priestern begab sich die Pythia zur heiligen Quelle Kastalia, wo sie nackt ein Bad nahm, um kultisch rein zu sein.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:17
@Keysibuna

Aus einer zweiten Quelle, der Kassiotis, trank sie dann einige Schlucke des heiligen Wassers. Begleitet von zwei Oberpriestern und den Mitgliedern des Fünfmännerrates ging die Pythia anschließend in den Apollontempel. Sie wurde nun vor den Altar der Hestia geführt, wo aus einer Erdspalte die berauschenden Dämpfe aufstiegen und sie, mehr oder weniger in Trance, ihre Weissagungen machte.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:18
@KlausBärbel

Umstritten ist, wieweit die Aussagen der Pythia von den Priestern interpretiert und formuliert wurden und inwieweit diese auch von Informanten gewonnene Erkenntnisse in ihre Deutung miteinbezogen.

Joseph Eddy Fontenrose kommt zu dem Ergebnis, dass die Pythia direkt zu den Fragestellern gesprochen hat.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:20
@Keysibuna

Allerdings wurden nur die begüterten Klienten individuell beraten und bekamen ausführliche, wenn auch oft rätselhafte Antworten. Die Ärmeren mussten mit einem Binärorakel (Ja-Nein-Orakel) vorlieb nehmen.

Sie durften deshalb auch nur solche Fragen stellen, die sich mit Ja oder Nein beantworten ließen. Die Pythia griff dann in einen Behälter mit weißen und schwarzen Bohnen und nahm eine von ihnen heraus: Weiß bedeutete Ja, schwarz Nein.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:22
@KlausBärbel

Frühere geologische Untersuchungen ließen es zunächst zweifelhaft erscheinen, dass in Delphi echte Gase aus einer Erdspalte austraten. Es wurde daher angenommen, dass der Mythos aus einem spirituellen Hauch physikalische Gase gemacht habe.

2001 publizierte Forschungen des amerikanischen Geologen Jelle de Boer von der Wesleyan University konnten aber nach umfangreichen Laboranalysen belegen, dass das in Delphi austretende Gas Ethylen die Trance der Priesterin bewirkt haben könnte.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:24
@Keysibuna

Italienische Geologen um Giuseppe Etiope widersprachen jedoch 2006 de Boers These, da nach ihren Ergebnissen das Ethylen keine neurotoxischen Konzentrationen erreicht haben könne. Nach ihrer Ansicht erklärt sich die Trance der Priesterin durch den hohen Methan- und Kohlendioxid-Anteil der aus dem Gestein aufsteigenden Gase; dieser habe bei der Pythia zu einem Sauerstoffmangel und zu Halluzinationen geführt.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:25
@KlausBärbel

De Boer hält jedoch weiter an seiner These fest; dass heute in Delphi keine großen Ethylenkonzentrationen mehr erreicht werden, erklärt er damit, dass sich die Austrittswege durch Erdverschiebung oder Versinterung geschlossen hätten.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:26
@Keysibuna

Unstreitig ist festzuhalten, dass Delphi als eines der größten panhellenischen Heiligtümer regelmäßig Reisende aus dem gesamten Mittelmeerraum empfing. Anfragen an das Orakel, die beispielsweise von Seiten einer Polis oder eines Oikisten kommen konnten, enthüllten deren vertrauliche politischen Absichten oder konnten Aufschluss geben über Koloniepläne.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:28
@KlausBärbel

Die delphische Priesterschaft verfügte damit wie kaum eine andere Personengruppe über Informationen, konnte dazwischen Zusammenhänge herstellen und sicherlich auch auf diese Weise Vorhersagen treffen, die durch Trancezustände allein nicht zu erklären sind.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:33
@Keysibuna

Nachfolgend sind die berühmtesten delphischen Orakelsprüche zusammengestellt. Da das Orakel von Delphi bereits in der Antike sagenumwoben war, werden einige seiner Weissagungen (und zwar gerade die bekanntesten) in der Geschichtswissenschaft als legendarisch bzw. unecht (fiktiv) beurteilt. Im Anschluss an die einzelnen berühmten Orakel wird hier ihre Quelle, ihre historische Beurteilung sowie die Belegstelle im maßgeblichen Werk von Joseph Eddy Fontenrose (1978) genannt.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:35
@KlausBärbel

Der Legende nach prophezeite das Orakel von Delphi dem König von Theben, Laios, dass sein Sohn ihn dereinst töten und seine Frau heiraten werde. Darauf ließ er dem Neugeborenen die Füße durchstechen, zusammenbinden und ihn von einem Hirten im Gebirge aussetzen.
Der Hirte übergab das verstoßene Kind dem Königspaar von Korinth, welches es adoptierte und nach seinen geschwollenen Füßen Ödipus nannte.
So wuchs Ödipus in Korinth auf, ohne von seiner Herkunft zu wissen.
Als ihm ein Orakel verkündete, dass er seinen Vater töten werde, verließ er aus Sorge um seinen vermeintlichen Vater Korinth und machte sich auf den Weg nach Theben.

Unterwegs begegnete er an einer Wegekreuzung dem mit kleinem Gefolge reisenden Laios; dieser hielt Ödipus für einen Räuber und wollte ihn nicht durchlassen, woraufhin Ödipus ihn und die meisten seiner Gefolgsleute erschlug. Somit erfüllte sich eine der zwei Prophezeiungen


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:37
@Keysibuna

Von ihrer Verwandtschaft nicht wissend, hatten die beiden in der Folgezeit vier Kinder miteinander. Als nach einigen glücklichen Jahren in Theben eine Seuche ausbrach, verkündete das Orakel von Delphi, der Mörder des Laios müsse gefunden werden. Ödipus untersuchte den Fall und fand heraus, dass er selbst der gesuchte Mörder war und seine eigene Mutter geheiratet hatte. Darauf erhängte sich Iokaste und Ödipus blendete sich.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:39
@KlausBärbel

Der lydische König Gyges von Sardes ließ sich vom Orakel von Delphi seine Herrschaft bestätigen, nachdem er um 685 v. Chr. seinen Vorgänger Kandaules ermordet hatte.

Dafür bedankte sich Gyges mit großzügigen Goldgeschenken für das Orakel.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:40
@Keysibuna

Doch laut Herodot soll ihm die Pythia auch gesagt haben, dass Kandaules in der fünften Generation nach ihm, Gyges, gerächt werde. So geschah es tatsächlich, denn der fünfte König nach Gyges in seiner so genannten Mermnaden-Dynastie, Krösus mit Namen, war der zugleich letzte: denn Krösus verspielte seine Herrschaft mit seinem gescheiterten Perserfeldzug.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:42
@KlausBärbel

Außerdem soll sich der sehr reiche Gyges für den glücklichsten Menschen der Welt gehalten haben. Dies konnte ihm das Orakel von Delphi auf Nachfrage jedoch nicht bestätigen, sondern antwortete, dass Agelaos, ein unbekannter und armer Dorfbewohner in Psophis, viel glücklicher sei.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:43
@Keysibuna

Krösus, der sprichwörtlich reiche letzte König von Lydien, wollte die Zuverlässigkeit von sieben Orakeln prüfen (neben Delphi z. B. das Orakel von Dodona oder von Siwa). Boten sollten am hundertsten Tag nach ihrer Abreise jedes der Orakel befragen, was Krösus gerade tue.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:46
@KlausBärbel

Wie Herodot berichtet, gab nur die Pythia die richtige Antwort, und das auch noch wie zumeist in einem wohlgesetzten Vers im Hexameter, hier in entsprechender Übersetzung:

"Duft von Schildkröte ward mir bewusst, dem gepanzerten Tiere,/Die in ehernem Kessel gekocht wird, und Stücke von Lammfleisch,/Erz ist darunter gelegt, und Erz wird ruh'n auf dem Kessel."


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:47
@Keysibuna

Herodot, Historien 1,47,3. Historische Beurteilung: unecht; Delphi zu testen hätte zugleich Apollo selbst herauszufordern bedeutet, und dies hätte wohl kein antiker Grieche bzw. Lyder gewagt.


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Die letzten Rätsel der Menschheit

21.11.2010 um 21:49
@KlausBärbel

Übel hereingefallen ist Krösus dann allerdings mit dem Orakel, das er ersuchte, bevor er 546 v. Chr. gegen den Perserkönig Kyros II. aufbrach, und das als griechischer Hexameter lautete:

Kroisos Halyn diabas megalen archen katalysei, oder in lateinischer Übersetzung: Croesus Halyn penetrans magnam pervertet opum vim,

in deutscher Prosa: "Wenn Krösus den Halys (heute: Kizilirmak) überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören. Krösus bezog diese Weissagung auf das Perserreich, es war aber sein eigenes."


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