subgenius schrieb:Ich habe einen (schon garnicht deinen) Stanpunkt aus deinen und meinen Ausführungen konstruiert.
Du darfst gerne zurückrudern, ist nichts Ehrenrühriges dabei. Aber dann steh auch dazu. Dein
subgenius schrieb:Ich meine wie weit zurück möchtest du die Geschichten über eine 'Wilde Humanoide' Rasse datieren ?
kam deutlich rüber.
subgenius schrieb:Wenn wir davon ausgehen (weil sonst das Topic langweilig ist) das der 'Wilde Mann' kein Naturgeist eine vermenschlichte Vision der Wildniss ist
OK, nehmwa mal an.
subgenius schrieb:sondern auf realen Berichten über Sichtungen und Kontakten zu Yeti/Bigfoot/Wilder Mensch beruht stellt sich doch die Frage woher kommen die Geschichten ?
Ich füg noch ne Frage hinzu:
wo[her] kommen die Geschichten [vor]?
Und da fehlt unter allen Kontinenten meines Wissens nur die Antarktis. Quasi weltweit gibt es solche Vorstellungen vom "wilden Mann". Weltweit. Insofern würde ich mal den Neandertaler ausschließen; zumindest die subsaharischen Afrikaner (bzw. deren Vorfahren) sind dem ja nie begegnet.
subgenius schrieb:a.) Bär, Affe & Co
b.) Einzefälle von 'ausgewilderten' Homosapiens
c.) Der Neandertaler
d.) ... ?
Ist doch eine Interesannte Frage, wie weit geht das Gedächniss der alten Geschichten ?
Wie gesagt, c) eher nicht. Putzigerweise wurde auch schon in populärwissenschaftlichen Medien für den indonesischen Hobbit gefragt, ob indonesische Zwergenvolklegenden auf eine wenigstens 15.000-jährige Begegnung zwischen Homo sapiens und Homo floresiensis zurückgingen. Da frag ich gleich, woher haben dann die anderen Völker anderer Weltgegenden ihre Zwergengeschichten? Glaub ich ebenso wenig, zumal man in der Forschung bei Sagen von einer Halbwertszeit von 200 Jahren für die darin enthaltene historische Erinnerung ausgeht.
Als ich das mit der Sagenhalbwertszeit mal nem Freund gegenüber erwähnte, erzählte er mir von einer Geländegemarkung aus seiner alten Heimat (bei Kiel) und von der Sage dazu, die die Leute da erzählten und die verdammt kurz ist: "Do hatn Füer brannt"- Es handelt sich um ein germanisches Bootsgrab. Nach nahe zehn Halbwertszeiten (also <2000a) ist halt nur noch eine einzige historische Erinnerung übriggeblieben. Kommt also hin. - Dann aber frage ich mich, wie bittschön eine historische Erinnerung 15.000 Jahre Bestand haben sollte (Hobbit) oder gar knappe 30.000 (Neandertaler). Oder noch schlimmer: 65 Millionen Jahre (es gibt einige Genies, die Drachenvorstellungen für alte Dino-Erinnerungen halten)!
Wenden wir uns lieber weniger als 2000 Jahre alten möglichen historischen Anhaltspunkten zu.
Dein b) würde ich eher unter "Wolfsmensch/Wolfskind" abhaken. Es gibt durchaus Legenden, auch wieder in verschiedenen Weltgegenden, von Menschen, die ihr halbes oder ganzes Leben in der Wildnis verbringen. Auch mittelalterliche Heiligenlegenden. Weiß leider nicht mehr, welche das war, aber da gabs so ne Frau, die allein im Wald lebte, und deren einzige Kleidung ihr ungeschnittenes Haar war. Ikonographisch gabs dazu Darstellungen, bei denen nicht nur die brünette Lockenpracht vom Haar alles züchtig bedeckte, sondern selbst an Armen und Beinen gelockte Stoppeln zu wachsen schienen. Irgendso ein christliches Heiligenfräulein, das vom heidnischen Königspapa nem heidnischen Bräutigam versprochen ward, und dem anderweitig bzw. im Falle des Christlichbleibens der Tod drohte.
Aber eigentlich, ich sagte es ja bereits, ist die Vorstellung vom verwilderten Menschen eigentlich eine vom Wilden Volk getrennte, verschiedene Vorstellung. Wenn also waldlebende Einsiedler im weitesten Sinne legendenstiftend waren und diese nicht auf Wolfskind & co. hinauslief, dann führte das eher zu solchen Waldheiligen udgl., aber nicht zum Wilden Mann.
Bleibt eigentlich nur a) übrig: Bär, Affe & co. OK, ich hätte noch ein d), obwohl das bei a) unter "co." fallen könnte:
Der Mensch am Horizont.
Jahrtausendelang lebten Menschen in ihrem Wohngebiet. Sei es nun das Dorf, das einsame Gehöft oder das nomadische Revier. Wer so lebte, der kannte sein Gebiet, in dem er schlief und Nahrung erwarb. Jenseits dieses Gebiet kannte er dann auch andere Dörfer, andere Gehöfte, andere Reviere, mit den dortigen Menschen. Die Welt nochmals dahinter aber kannten diese menschen kaum. Es war klar, daß es dahinter weitergeht, daß dahinter weitere Menschen lebten, aber aus eigener Ansicht kannte man das nicht. Es war eine fremde Welt, und die begann hinterm "Horizont" (der sichtbare wie der Denkhorizont). Selbst von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Weltkarten, sogar aus antiken Weltbeschreibungen kennen wir das. Je weiter eine Weltgegend weg von der Heimstatt der Kartenzeichner oder Weltbeschreiber lag, desto absonderlicher malten sie die dortigen Einwohner (mit Bildern oder Worten). Hier, wo wir sind, da sehen die Menschen normal aus, und da gibts Kuh und Pferd und Hirsch und Hase. Aber in ferneren Gegenden, da sind die Menschen schwarz oder gelb, und da leben menschenfressende Riesenkatzen und Olifanten. Und noch weiter weg, da gibt es dann Einhörner und Drachen, und da haben die Menschen nur ein Bein, oder da sitzt ihr Gesicht am Bauch.
In manchen Gegenden und Zeiten endete der Horizont bereits wenige Stunden Fußwegs hinterm Dorfrand. Da galt jeder Höhleneingang als "Höllenloch am Ende der Welt".
Jahrtausendelang lebten die Menschen so. Und wenn sie mal auf einem Weg entlangwanderten, dann war das eine Weltreise. Sah man dort einen anderen Menschen, so ging man entweder auf den zu und an ihm direkt vorbei (nicht ohne wenigstens zu grüßen), oder man ging in die selbe Richtung, was bedeutete, man holte diesen ein bzw. wurde eingeholt, und ging dann ein Stück Wegs gemeinsam (weswegen Weggabelungen bei uns Scheidewege heißen; hier scheidet der zeitweilige Weggefährte). Wenn man einen Menschen im Freien trifft, geht man auf ihn zu oder mit ihm mit. Man kommt sich nahe, spricht miteinander, lernt sich ein wenig kennen.
Aber es gibt noch eine andere Begegnung. Der Mensch am Horizont. Man sieht ihn, kommt ihm aber nicht nahe. Man erfährt nichts über ihn, kann ihn nicht mal genau erkennen. Er geht einen ganz anderen Weg, vielleicht ist dort nicht einmal ein Menschenweg. Er ist fern, er hat nichts mit meiner Welt zu tun. Ist er freundlich oder feindlich? Ist er ein Mensch mit nur einem Bein oder mit dem Gesicht am Bauch? Lebt er überhaupt in einem Dorf?
Je weniger der Mensch etwas kennt, desto phantasievoller schmückt er es aus. Von Herodot über Merian bis zum Allmyuser von nebenan kennen wir Beispiele dafür. Und der Mensch am Horizont ist der Fremde, Unbekannte, womöglich Unmensch par excellence. Man sieht ihn immer nur, wenn man in der Fremde unterwegs ist, in der Natur. Nicht in der Nähe von Dörfern (weil Wege früher nie an nem Menschenort vorbeiführten, nicht in sichtbarer Entfernung, sondern zum Ort hin). Der Fremde am Horizont war also immer ein "Wesen der Natur", fernab der "Zivilisation".
So mag der Zentaur entstanden sein; als das Reiten noch nicht allen Völkern bekannt war, mag ein Reiter am Horizont wie ein Wesen mit Pferdeleib und Menschenoberkörper ausgesehen haben. Und weil nicht mal das Pferd bekannt war, dachte man an ein ähnliches Tier, den Stier (griechisch tauros). Wahrscheinlich entstand der Kentaur nochmal anders, aber zum Verdeutlichen ists ganz nett, dacht ich...
Welcher "Mensch am Horizont" nun konkret der Ursprung des Wilden Manns war (oder welcher Bär, Affe & co.), diese Frage ist müßig. Wenn, dann
jeder "Mensch am Horizont". So wie der historische Anhaltspunkt für die Bildung einer Sintflut eher
jedes erlebte oder überlieferte Flutereignis gewesen sein dürfte, nicht ein konkretes.
Ein weltweit wiederkehrendes Motiv des Wilden Mannes ist die nichtmenschliche Körperbehaarung. Aber da würde schon ausreichen, daß die Sichtung des "Menschen am Horizont" diesen eben mit der zivilisationsfernen Wildnis verbindet. Also mit der "Heimstatt der Tiere". Und Tiere (Theria) haben nun mal ein Haarkleid am ganzen Körper. Als Ursprung der Fellvorstellung sollte das eigentlich als Erklärung hinreichen.