Eylandt - nach Kriegsende bis 2006 im Keller versteckt?
13.08.2008 um 09:27
Nur als Beispiel
Gespenstisch - ein Dorf steht unter Strom
Ausnahmezustand: Autos und Möbel brennen, Handys wählen, Fernseher schalten sich ein - alles wie von Geisterhand. Forscher rätseln: Welche geheimnisvolle Energie versetzt Canneto di Caronia auf Sizilien in Angst?
Von Andreas Englisch
Canneto di Caronia -
Es ist nichts Außergewöhnliches zu sehen oder zu hören an diesem Abend an der sizilianischen Nordküste zwischen Messina und Palermo. Und doch geschieht Unglaubliches. Exakt um 21.16 Uhr fährt Antonio Siracusano mit seinem Fiat Fiorino über die Küstenstraße 113 an dem Dorf Canneto di Caronia vorbei. Als der Wagen in die Via del Mare einbiegt, beginnt das Auto plötzlich ohne jede Erklärung zu hupen. Antonio Siracusano hält an und steigt aus, um nachzusehen, was geschehen ist. Das rettet ihm sein Leben. Augenblicke später steht der Wagen in Flammen und explodiert.
Zur gleichen Zeit will Nino Pezzino etwa 500 Meter entfernt seinen Fiat Punto in der Nähe der Via del Mare parken. Bevor er den Motor abstellt, hat er gerade noch Zeit, sich darüber zu wundern, dass das Navigationssystem in seinem Auto seltsame Töne von sich gibt. Dann fährt eine Stichflamme aus dem Gerät. Nino Pezzino erleidet Verbrennungen. Die Windschutzscheibe zerspringt durch die Hitze.
Um 21.18 Uhr an diesem Abend registriert die Zentrale der italienischen Telecom, dass im Gebiet um Canneto di Caronia alle dort zugelassenen Handys beginnen, nicht existierende Telefonnummern zu wählen. Die Handys senden dabei über Frequenzen, die Mobiltelefone normalerweise gar nicht benutzen können.
Um 21.20 Uhr geht Paolo Pizzuto mit seinem Hund Edmondo in der Nähe der Via del Mare am Strand entlang. Er wundert sich plötzlich über einen seltsamen Geruch, dann erschrickt er zu Tode: Seine mit Metalldrähten verstärkten Schuhe stehen in Flammen, das rechte Hosenbein brennt. Pizzuto erleidet schwere Verletzungen. Für seinen Hund endet der Abend tragisch: Er läuft am Strand entlang und fällt plötzlich tot um. Der Tierarzt diagnostiziert später einen Herzinfarkt.
Um 21. 24 Uhr ereignet sich vor den Augen des Physik-Professors Giuseppe Maschio, einem Beauftragten für Katastrophenschutz der italienischen Regierung, das rätselhafteste Ereignis seines Lebens. Er baut gerade in einem Haus in der Via del Mare, dessen Stromversorgung unterbrochen wurde, batteriegetriebene Messgeräte in einem Raum auf, der bis auf einen Stuhl mit Metallsprungfedern völlig leer ist. Plötzlich ist das Zimmer hell erleuchtet, der Stuhl steht in Flammen und ist wenig später ein Haufen Asche.
Was um Himmels willen geht in Canneto di Caronia vor sich? Treibt dort ein Poltergeist sein Unwesen?
"Da draußen ist irgendetwas", sagt Professor Maschio - und deutet aufs Meer, während die Kameras des italienischen Fernsehens ihn an diesem Tag filmen. "Irgendetwas da draußen sorgt dafür, dass sich hier ein unfassbar starkes Magnetfeld aufbauen kann, ein Feld, das so stark ist, dass ich nicht für möglich gehalten hätte, dass es auf diesem Planeten Erde existiert."
Die Autowerkstätten von Canneto di Caronia haben am nächsten Tag viel zu tun: Autofahrer kommen nicht mehr in ihre Fahrzeuge, weil die Fernbedienungen für ihre Türschlösser von allein ihren Funk-Code geändert.
Die Vorgänge, die sich an diesem Abend des 19. Februar ereigneten, lassen der Regierung in Rom keine andere Wahl mehr: Sie verhängt über das Dorf Canneto di Caronia den Ausnahmezustand. Die Häuser der betroffenen Zone werden geräumt, die Straßen abgesperrt, die Bewohner in Notunterkünften untergebracht. Ein Untersuchungsausschuss muss sich mit der Frage beschäftigen: Was passiert in Canneto di Caronia?
Begonnen hatten die rätselhaften Vorgänge bereits am 24. Januar: In der Wohnung von Nino Pezzino an der Via del Mare stand plötzlich der Sicherungskasten in Flammen. Noch am selben Tag ersetzte die italienische Stromgesellschaft den ausgebrannten Apparat durch eine moderne Sicherungsanlage. Doch noch am Abend, gegen 20.30 Uhr, brannte auch diese aus. Gleichzeitig fingen elektrische Geräte in 29 Häusern in Canneto di Caronia Feuer.
Die Stromgesellschaft versuchte tags darauf alle Schäden zu reparieren. Doch der Spuk hörte nicht auf: In den kommenden Tagen bis zum 8. Februar brannten immer wieder elektrische Geräte. Dann wusste sich die Stromgesellschaft Enel nicht anders zu helfen und schaltete in dem Dorf den Saft ab. Fachleute der Enel untersuchen die Häuser ohne Strom. Dabei filmten sie ein unfassbares Phänomen: Fernseher schalteten sich ein, Stereoanlagen begannen, laute Musik, in die Gassen der dunklen Stadt zu dröhnen, Glühbirnen leuchteten auf, bis der Glühdraht durchbrannte - und das alles ohne Strom.
Am 9. Februar sicherte eine Einheit des Zivil- und Katastrophenschutzes das Dorf. Sie sollte die Frage klären: Was geht hier vor? Am 11. Februar trafen von Rom beauftragte Fachleute ein: Physik-Professoren der Universitäten Palermo und Turin. Sie bauten in dem Dorf große Messgeräte auf. Eine Sonderabteilung der Forschungsstation des nahe gelegenen Vulkans Ätna untersuchte, ob Phänomene aus dem Inneren der Erde die seltsamen Ereignisse in Canneto di Caronia auslösen. Die Wissenschaftler kamen aber zu keinem Ergebnis.
Der Chef der Untersuchungen der Universität Palermo, Giovanni Gregori, glaubt, es handle sich um ein Phänomen ähnlich dem Nordlicht, nur tausendfach stärker. Gregori: "Es kann ein Phänomen sein wie das Sankt-Elms-Feuer oder etwas, das einem Kugelblitz ähnelt. Aber besonders plausibel ist das zugegebenermaßen nicht."
Die Hochschule Turin widersprach prompt. Der Astrophysiker Gianni Comoretto, Experte für elektrische Ladungen, sagte: "Es gibt auf der Erde kein Nordlicht, das so stark ist, dass es einen Stuhl in Brand setzen könnte. Wissenschaftlich ist nie bewiesen worden, ob so etwas wie ein Kugelblitz überhaupt existiert."
Die Staatsanwaltschaft Messina ermittelt gegen unbekannt und schaltete den militärischen Abschirmdienst Sismi ein. Aber auch die Militärs haben keine Erklärung, nur einen Verdacht: Kann irgendeine Nation der Welt heimlich eine gewaltige Maschine gebaut haben, eine völlig neue Art U-Boot, das über einen neuen Antrieb verfügt, der ein gigantisches Magnetfeld aufbaut? Aber was sollte diese Maschine dann immer wieder ausgerechnet an der Küste von Canneto di Caronia wollen? Ist der Grund, dass dort unten Süßwasserquellen am Meeresgrund entspringen?
Strahlungsforscher Giuseppe Maschio von der Uni Messina: "Sicher ist nur, dass dieses Magnetfeld, woher immer es kommen mag, so stark ist, dass es die Gesundheit der Menschen gefährdet. Vielleicht muss Canneto di Caronia ganz geräumt werden."
erschienen am 29. März 2004 im Hamburger Abendblatt