Spukorte im Raum Freiburg
18.06.2007 um 08:56
und nochmal Freiburg;
Den "Alten Friedhof" in Freiburg kennt wohl jederEinheimische, denn die Geschichte, die sich um das dortige Friedhofskreuz rankt, ist soschaurig schön, daß man sie für immer behalten muß.
Doch zuvor: Ursprünglichwurden die Verstorbenen in Freiburg auf der Nordseite des Münsters, der Schattenseite,beerdigt, bedeutete doch der Tod auch das Dunkle und Ungewisse. Die Toten erinnerten dieLebenden auf dem "Kirchhof" mitten in der Stadt täglich an die Vergänglichkeit desDaseins: "Memento mori - Erinnere dich daran, daß du sterben mußt, lerne loszulassen!"Leid, Sterben und Vergänglichkeit des Seins waren noch nicht – wie heute- tabuisiert.Hochgestellte Persönlichkeiten der Stadt und Kanoniker versuchten allerdings innerhalbdes Münsters beerdigt zu werden, vielleicht, um am "Jüngsten Tag" den Schall der Posaunenals erste zu hören und dadurch möglicherweise "schneller" in den Himmel zu kommen.!Durchaus eine mittelalterliche Vorstellung! –Seit den 6oger Jahren werden in der neueingerichteten Krypta der Kirche nur die Bischöfe bestattet.!
Nicht umsonstist der Figurenschmuck des Münsters "unsrer lieben Frau" auf der Nordseite - übrigens inallen Kulturen Symbol für Untergang und Tod - wesentlich geringer, als auf der sonnigenSüdseite. Im Pflaster deuten die Umrisse der dunklen Steine, leider oft verdeckt durchdie Marktstände, noch auf die ursprüngliche Andreaskapelle (darunter der "Kärner", dasBeinhaus) hin. Weil man oft nur 8o cm tief beerdigte, und bei Hochwasser oderEisaufbrüchen die Knochen auf dem Münsterplatz herumlagen(!), somit eine Gefahr für dieGesundheit der Bevölkerung darstellten, verordnete um 1510 Kaiser Maximilian I. unter demEindruck verschiedener Pestepidemien, den Kirchhof an den Stadtrand (bei derNikolaikirche in der Vorstadt Neuburg) zu verlegen. Dort fiel er 1677 den vomfranzösischen Baumeister Vauban geschaffenen Festungsmauern zum Opfer. So fanden seitetwa 1683 die Freiburger auf dem Gelände des heutigen "alten Friedhofs" ihre letzte Ruhe(bis 1872). Verschiedene Erweiterungen wurden dort möglich, nachdem diese Festungsmauern1745 von den französischen Truppen wieder geschleift worden waren. Der 4. Friedhof, derheutige Freiburger Hauptfriedhof, wurde dann erst 1872 angelegt und weiter ausgebaut,weil Freiburg in dieser Zeit stark an Bevölkerung zunahm, so daß eine Neuanlage undErweiterung wichtig wurde.
Der "alte Friedhof" in Freiburg ist nahezu eineSeltenheit in Deutschland, finden sich doch Begräbnisstätten aus dem 17. bis19.Jahrhundert nur noch in wenigen Städten unseres Landes. Die Grabkultur hier vermitteltuns nicht nur individuelle und künstlerisch wertvolle Grabstelen eines selbstbewußten undstolzen Bürgertums dieser Zeit, sondern ist auch Hinweis auf die Geisteshaltung und dasGlaubensbewußtsein seiner Zeitgenossen. Auf diesem "Alten Friedhof" in Freiburg liegennämlich bedeutende Freiburger Persönlichkeiten und Familien beerdigt, Künstler,Kaufleute, Politiker, auch der berühmt-berüchtigte Major v. Hennenhofer, "Mörder" (?) desKaspar Hauser, des Sohns (?) des Prinzen Karl von Baden und seiner Frau Stephanie, derNapoleontochter. Der "Uhrenprofessor" Pater Rinderle aus St. Peter ruht hier ebenso wieder bekannte Johann Karl Knie aus dem weltbekannten Breisacher "Zirkus Knie", der ja beieiner Vorführung auf dem Münsterplatz vom Hochseil abgestürzt war. Die exzentrischeGräfin Bermudez-Colombi ist hier begraben, und sogar die Revolutionäre von 1848 habendort Erwähnung auf einem Gedenkstein gefunden. Daß allerdings diese wunderbare "grüneLunge im Mittelpunkt Freiburgs" immer noch existiert und keinem Bauboom zum Opfer fiel,soll damit zusammenhängen, daß der berühmte Freiburger Architekt und BarockkünstlerJohann Christian Wenzinger verfügte, er hinterlasse sein großes Vermögen (7o.ooo Gulden!) nur dann dem Freiburger Stiftungsfond, wenn sein Grab "auf ewige Zeiten" dort auf dem"Alten Friedhof" gesichert sei. Ein weiser Entschluß -und ein für uns alle bis heutewirksames Vermächtnis!
Das riesengroße Friedhofskreuz aus Buntsandstein aufdem alten Friedhof (vor der kleinen barocken Michaels-Kapelle mit dem "Totentanz" ),ursprünglich wohl auf dem Münster-Kirchplatz errichtet und dann hierher geschafft, zeigtdem Betrachter unter dem Kruzifixus am Fußende einen Totenschädel, -einen Totenschädelbesonderer Art.
Den Schädel des "Alten Adam" findet man ja oft am unteren Endevon Kreuzen, weil er nach frommer Legende auf dem Kalvarienberg, der "SchädelstätteGolgotha"", bei der Aufrichtung des Christus-Kreuzes dort zum Vorschein gekommen sei. Der"Alte Adam" verkörperte in christlicher Symbolik die unerlöste und dem Tod geweihteMenschheit, während Christus als ein zweiter und "Neuer Adam" der Welt die Auferstehungund den Sieg über den Tod gebracht hat. So wird es in Darstellungen mit Kreuz undTotenschädel zum Ausdruck gebracht und sichtbar gemacht: "wie durch einen Menschen derTod kam, so kam durch einen Menschen die Auferstehung" – lebendige Bibel , bibliapauperum,- für jeden Gläubigen verständlich!
Aber auf dem "alten Friedhof" inFreiburg ist das anders: Statt des "Alten Adam" schaut einen ein makabrer Totenschädelan, der hat eine leere Augenhöhle, ein wenig Haar überwellt seinen Kopf, ein Nagel ziehtsich vom linken Backenknochen zum Mund. Und dann ist da noch die Kröte, die aus derKiefernhöhle herausglotzt. – entsetzlich.
Jetzt beginnt die schaurig schöneGeschichte, die man in Freiburg erzählt: Nahe beim Christoffeltor, dem Ausgang nachNorden, etwa beim ehemaligen Siegesdenkmal, habe einst ein alter Schmied gewohnt, dessenjunge Frau mit dem geliebten Schmiedegesellen den Tod des Meisters bewirkt habe. Diebeiden töteten den Schmied mit einem Schlag in den Kopf, versteckten den Nagel unter denHaaren – niemand bemerkte den Mord. Auch schöpfte niemand Verdacht, als die beiden wenigspäter heirateten. Aber als aus Platzmangel die Leiche des Ermordeten nach einigen Jahrenexhumiert wurde, entdeckte der Totengräber, aufmerksam geworden durch eine Kröte, denNagel im Kopf, meldete seine Beobachtung beim Stadtrat – und so wurden die beiden Mörderschließlich doch noch ihrer gerechten Strafe zugeführt.
Erkenntnis und Hinweisfür Jedermann: Gottes Mühlen mahlen langsam
PS. Daß dieser "Totenschädel" fürmanchen Medizinstudenten als Souvenir eine "bleibende Erinnerung" an Freiburg bedeutete,ist verständlich. Mehrfach mußte im Laufe der Jahre dieser Schädel ersetztwerden!
Ein Gang über den alten Friedhof in Freiburg ist jederzeit empfehlenswertund bedeutet einen Gang durch Freiburgs Geschichte und Kunstgeschichte vom Barock bis zumNeoklassizismus. Hier läßt sich an vielen Gräbern ablesen, welche Glaubenseinstellung manin seiner Zeit hatte und welches Verhältnis bestand zum Tod "als dem Bruder desSchlafes".
Hermann Althaus