Das Buch der toten Namen
09.09.2006 um 03:44
Das Necronomicon ...
Alles Erfindung.
Im Mythos tauchen immer wiederalte, arkane Schriften auf, wie der urzeitliche "R’lyeh Text", das "De Vermis Mysteriis"oder die "Unaussprechlichen Kulten". Von ihnen existieren nur wenige Exemplare, die vonden Anhängern verbotener Kulte im Verborgenen gehalten werden. Sie berichten von denGroßen Alten und den Anderen Göttern und enthalten längst vergessenes Wissen und mächtigeZauberformeln, die den menschlichen Geist meistens in den Wahnsinn stürzen.
Dasberühmteste und bedeutendste dieser Bücher wurde selbstverständlich von Lovecrafterfunden: Das "Al Azif", welches besser unter dem Namen der griechischen Übersetzungbekannt ist - Das Necronomicon.
Der Verfasser des Necronomicons ist AbdulAlhazred, ein Dichter und Poet aus Sanaa, Jemen, der auch als "der verrückte Araber"bekannt ist, und Anfang des 8. Jahrhunderts lebte. Alhazred reiste zehn Jahre durch dieWüste von Arabien und suchte die Ruinen von Babylon und Memphis auf. Er behauptete vonsich, im sagenumwobenen Irem, der Stadt der Säulen, gewesen zu sein und in den Überresteneiner namenlosen Stadt in der Wüste die Geheimnisse und Aufzeichnungen über eine Rassemächtiger Wesen gefunden zu haben, die älter sind als die Menschheit. Daraufhin schrieber in den letzten Jahren seines Lebens (um ca. 730) in Damaskus das Al Azif, wobei dasWort "azif" im Arabischen benutzt wird, um die nächtlichen Laute der Insekten zubeschreiben, von denen man glaubte, es sei das Heulen von Dämonen.
Ansonsten istnicht viel mehr über Alhazred bekannt. Er verehrte die Wesen, die er im Al Azifbeschrieben hatte, mit den Namen Yog-Sothoth und Cthulhu. Er verschwand auf mysteriöseWeise im Jahr 738, es heißt, daß er durch die Hand eines unsichtbaren Monsters aufgrausame Weise getötet wurde.
Theodorus Philetas übersetzte 950 das Al Azif, daßzu dieser Zeit unter den Philosophen recht bekannt war, ins Griechische und gab ihm denNamen Necronomicon.
Im nachfolgenden Mittelalter wurde das Necronomicon zunächstins Lateinische und dann in andere europäischen Sprachen übersetzt. Doch vieleAbschriften gingen verloren, denn das Buch wurde immer wieder geächtet und verboten, zumBeispiel vom Patriarchen von Konstantinopel oder Papst Gregor IX. Alle gefundenenExemplare wurden verbrannt, denn nicht nur die im Necronomicon beschriebenenZauberformeln bargen ungeahnte Gefahren, schon alleine das Lesen des Buches zog oftschreckliche Konsequenzen nach sich.
Somit gibt es heute kaum noch Exemplare desNecronomicons, der arabische Text selbst ist verloren. Bekannt ist, daß es nochlateinische Abschriften im British Museum in London, in der Bibliotheque Nationale inParis und den Bibliotheken der Universitäten von Buenos Aires, der Miskatonic Universityin Arkham und Harvard gibt, die jedoch alle unter Verschluß gehalten werden. Weiterhinvermutet man noch mehrere, geheimgehaltene Ausgaben in Privatbesitz, zum Beispiel befandsich eine griechische Übersetzung aus dem 16. Jahrhundert in den Händen der FamiliePickman aus Salem, die allerdings im Jahr 1926 zusammen mit dem Künstler R. U. Pickmanverschwand.
Die wichtigste Informationsquelle über das Necronomicon ist einkurzes Essay von Lovecraft aus dem Jahr 1927, das unter seinen Freunden und anderenAutoren sehr verbreitet war, "History of the Necronomicon" (dt. Titel: Geschichte undChronologie des Necronomicons). Hier beschrieb er knapp alle wichtigen geschichtlichenFakten, von Abdul Alhazred beginnend bis zu den Übersetzungen, die bis zur heutigen Zeitnoch existieren.
In Lovecrafts Geschichten taucht das Necronomicon das erste Malkurz in der Geschichte "The Hound" (dt. Titel: Der Hund) aus dem Jahr 1922 auf. Dort wirdauch Abdul Alhazred als Verfasser genannt, aber es wird nicht näher auf Inhalt oderGeschichte des Buches eingegangen, noch wird es mit dem Cthulhu-Mythos in Zusammenhanggebracht. Daß das Necronomicon später so bekannt wurde, ist wohl dem Umstand zuverdanken, daß Lovecraft immer wieder bereits vorhanden Elemente aus früheren Geschichtenaufgriff und wiederverwendete.
Doch was soll dieses Wort überhaupt bedeuten? Ineinem Brief aus dem Jahr 1937 an Harry O. Fischer schrieb Lovecraft: „...der NameNecronomicon (von necros: tot; nomos: Gesetz; eikon: Bild = Ein Bild vom Gesetz derToten) erschien mir im Verlauf eines Traumes, obwohl die Etymologie perfekt klingt...“
Seit langem wird, insbesondere natürlich im WWW, darüber debattiert, was dasWort genau bedeuten soll. Es gibt teils recht bizarre Interpretationen, zumindest istsicher, daß Lovecrafts Übersetzung nicht hundertprozentig korrekt ist. Diegebräuchlichste Bezeichnung ist "Das Buch der toten Namen". Allerdings ist das WortLovecrafts Erfindung und von daher sollte er wohl am besten wissen, was es heißen soll.
Trotz seines Namens handelt das Necronomicon nicht, wie viele annehmen, von derNekromantie (= Zweig der Magie, der sich mit den Toten und dem Beleben toter Dingebeschäftigt). Das Buch taucht nämlich auch an Stellen auf, die nichts mit dem Mythos zutun haben, und dient dann als Leitfaden zur Beschwörung von Zombiearmeen, als Beispielwäre der bekannte Horrorfilm "Army of Darkness" zu nennen. Lovecraft bezog sich mit derVorsilbe necro wohl eher auf die Großen Alten, die tot und zugleich träumend warten.Allerdings behandelt das Necronomicon nicht nur ihre Herkunft und ihre Geschichte,sondern auch zahlreiche Zauberformeln und Rituale zur Anrufung der Großen Alten.
Trotz aller sich hartnäckig haltenden Gerüchte und wilden Theorien, muß in allerDeutlichkeit gesagt werden, daß es kein real existierendes Necronomicon oder einehistorische Vorlage gibt. Auch basiert das Necronomicon nicht auf der sumerischenMythologie. Es gibt zwar zahlreiche Ausgaben in Buchform und noch mal so viele meistenglische Publikationen im WWW, von denen sich aber keine weiter als bis 1922zurückdatieren läßt. Dies sind teilweise von Fans geschriebene Texte, die natürlich fürRollenspieler und angehende Mythos-Autoren interessant sind, teils auch wirklichernstgemeinte magische Werke, aber keines stammt von Abdul Alhazred, der ebenfalls reineFiktion ist, oder einem der von Lovecraft genannten Übersetzer wie Dr. John Dee, welcherallerdings wirklich gelebt hat. Das Necronomicon ist einzig und allein eine ErfindungLovecrafts, auch wenn man viele Quellen finden kann, die Gegenteiliges behaupten.
Schon zu Lebzeiten Lovecrafts wurde das Necronomicon in seinem Freundes- undAutorenkreis bekannt, nicht zuletzt wegen des Essays. Und viele von ihnen griffen diesesKonzept auf und fügten ihrerseits ähnliche Werke in den Mythos ein, wie zum Beispiel dervon August Derleth erfundene R’lyeh Text. All diese Bücher des verbotenen Wissens, daseinen normalen Menschen um den Verstand bringen kann, sind ein elementarer Bestandteildes Mythos, und ihr Ursprung ist Lovecrafts Necronomicon.
So, das wars. ;)