Gibt es Filme oder Bücher, die Euer Leben...
06.09.2006 um 09:56
Albert Camus - Der Fremde
Roman. Rowohlt Taschenbuch 143 Seiten, ISBN:3-499-22189-6
Ersch. 1942 unter dem Titel "L´Etranger"
Deutsch 1994 vonUli Aumüller
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Der Autor:
Albert Camus,geboren am 7. November 1913 als Sohn einer Spanierin und eines Elsässers in Algerien,studierte von 1933 bis 1936 an der Universität Algier Philosophie. 1934 trat er derKommunistischen Partei Algeriens bei, brach jedoch drei Jahre später mit der KP. 1940 zoger nach Paris, 1957 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Er starb 1960 bei einemAutounfall.
Meursault, ein junger Franzose, lebt in Algier. Er hat einen gutenJob, den er ohne großen Ehrgeiz bewältigt, ein paar Freunde. Seine Mutter ist geradegestorben, er war zum Altersheim gefahren, hatte Totenwache gehalten, sie beerdigt undwar zurück nach Algier gefahren. Die Entscheidung, seine Mutter ins Altersheim zu geben,hatte ihm einen schlechten Ruf im Viertel eingetragen, aber "sowohl Mama wie ich hättennichts mehr voneinander erwartet, noch von sonst jemand übrigens".
Am Tag danachbegegnet er Marie wieder, einer Frau, die er im Büro kennen gelernt hatte, geht am Abendmit ihr in einen lustigen Film und fängt ein Verhältnis mit ihr an.
Sein Nachbarhat Probleme mit einer Frau, sie hat ihn beleidigt, und er will sich an ihr rächen - dochihm fehlen die Worte, den gemeinen Brief zu schreiben, den er sich vorstellt, alsoerledigt Meursault das für ihn, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen. Die macht ersich auch noch nicht, als sein Nachbar diese Frau dann verprügelt und daraufhin von derenSchwester verfolgt wird.
Gemeinsam mit Marie und seinem Nachbarn macht er einenAusflug zum Meer - wo sie wieder auf die Araber treffen, die seinen Nachbarn verfolgen.Und am Ende des Tages hat alles sich geändert - "ich begriff, dass ich das Gleichgewichtdes Tages, das ungewöhnliche Schweigen des Strandes zerstört hatte, an dem ich glücklichgewesen war. Dann schoss ich noch viermal auf einen leblosen Körper, in den die Kugelneindrangen, ohne dass man es sah. Und es waren gleichsam vier kurze Schläge an das Tordes Unheils".
Als ich die ersten 50 Seiten dieses Buches gelesen hatte, war ichja noch sehr skeptisch, warum mir ausgerechnet von diesem Buch so vorgeschwärmt wordenwar. Eine Handlung, die emotionslos vor sich hin plätschert, ein junger Mann, dessenMutter gestorben ist, der eine neue Freundin findet - und alles registriert er zwar,findet es bedauerlich oder eben schön, aber ohne davon tiefer berührt zu sein.
Ob er am Nachmittag dasitzt und aus dem Fenster sieht oder mit jemandem ausgeht, isteinerlei - großteils hört er den Geschichten ohnehin nicht zu, die ihm erzählt werden.Und ob er nun Marie heiratet, die ihn liebt, oder eine andere Frau, die ihn vielleichtfragen würde - was kümmert es ihn!
Doch dann kommen die Schüsse am Strand.Und.... nichts passiert. Ob er nun im Gefängnis sitzt und in Freiheit lebt - so groß istihm der Unterschied nicht. Man gewöhnt sich an alles, hatte auch seine Mutter schongesagt. Und genauso emotionslos lässt er auch den Prozess über sich ergehen.
Unddem Autor gelingt eines: während man mitliest, schaukelt man so auf dem bequemen, trägenStrom von Meursaults Gedanken mit, und wundert sich mit ihm, warum die Umwelt sich soaufregt, so unbedingt Reue sehen will? Und empfindet es mit ihm als langweilig, dieFragen zum Tathergang zum wiederholten Mal beantworten zu müssen.
Ob er dennnicht an Gott glaube, daran, dass er eine Sünde begangen habe? Was denn eine Sünde wäre,fragt er - man hätte ihm beigebracht, dass er schuldig wäre, er bezahle dafür, und mehrkönne man nicht von ihm verlangen.
Der Mensch ohne Gewissen - aber auch ohnejede Absicht oder Ehrgeiz; das ist es, was Albert Camus uns mit dieser Romanfigur vorAugen führt. Eine erschreckende Vision.