Ich glaube, einige müssen mal wieder etwas mehr Differenzierung und Gelassenheit lernen.
Zunächst mal: So schlimm, wie diese Rostock-Sache jetzt war - man kann sie nicht einfach in die Reihe der anderen U- und S-Bahnattacken, um die es in diesem Thread geht, stellen.
Wie
@Wolfshaag schon schrieb können aus den nichtigsten Gründen Leute ausrasten. Wenn Alkohol im Spiel ist, geht das sogar noch weitaus fixer und manche Leute werden sauer und gewalttätig bei Angelegenheiten, über die sie im nüchternen Zustand lachen würden.
Man bedenke: Bei der Rostock-Sache ging es darum, wer am Feiertag, an welchem sich Männer traditionell häufig betrinken und feiern, den besseren Bollerwagen hatte.
Das ist kein typischer ,,Abziehfall" und auch kein typischer ,,Hey, das Opfer da machen wir jetzt fertig, dann sind wir cool" - Fall.
Man kann den Rostock-Fall vielmehr einordnen in die Reihe von Gewalttaten, die zwar traurig und unschön - aber vollkommen normal sind. Es ist einfach nicht möglich, jede Gewalttat von Menschen untereinander zu verhindern. Höchstens dann, wenn wir alle uns in Einzelzimmern einschließen und nur noch auf elektronischem Wege kommunizieren.
Manche Ereignisse muss man einfach hinnehmen. Wenn wir versuchen, ALLES zu verhindern, dann laufen wir Gefahr, überhaupt nichts mehr verhindern zu können, weil unsere Kraft dann nicht reicht.
Menschen haben sich geprügelt und auch totgeprügelt, seit man überhaupt von der Spezies ,,Mensch" reden kann. Und sie werden es auch weiterhin tun, solange man von der Spezies ,,Mensch" sprechen kann.
Mit oder ohne Alkohol. Mit oder ohne Überwachungskameras und Security.
In der Rostock-Sache waren weder Berufsschläger noch Intensivtäter am Werk. Man sollte nicht so selbstgefällig sein und sagen:,,Ich würde NIE aus scheinbar geringem Grund loshauen, auch nicht unter Alkoholeinfluss."
Und deshalb sollte man sich auch gut überlegen, ob man an jeden Fall das gleiche Strafmaß anlegt und nur lauthals möglichst harte Bestrafung fordert!
Nur wenige Gewalttäter denken während ihrer Straftat, während der Aktion, an die Konsequenz und überlegen sich:,,Hm, wenn ich den jetzt verhaue, lande ich 5 Jahre hinter Gitter...".
Der Abschreckungsgedanke hoher Strafen ist eher ein Glücksspiel. Er KANN positiv-abschreckende Wirkung haben, aber genauso kann es auch sein, dass es dem Täter völlig egal ist oder er sich sagt:,,Jetzt bin ich eh unten durch, also Scheiß drauf, ich mach nur noch, was mir passt."
Das heißt nun aber keinesfalls, dass man auf deutliche Strafen verzichten sollte. Jedoch müssen es
sinnvolle Strafen sein. Das kann in letzter Konsequenz auch heißen, dass jemand, der sich jeder Hilfe zur Besserung komplett verweigert, auch lebenslänglich im Knast bleibt. Wobei ,,lebenslänglich" meiner Ansicht nach auch wirklich ,,lebenslänglich" heißen sollte, alles andere ist eine Farce.
Sinnvolle Strafen müssen die Aspekte ,,Gerechtigkeit gegenüber dem Opfer", ,,Schutz von potenziellen Opfern" und ,,Besserung des Täters" in angemessener Weise beinhalten.
Man sollte in einem wirklich christlichen, Menschenrechte anerkennenden Rechtsstaat keinem Punkt ein ZU großes Übergewicht geben. ,,Besserung des Täters" beinhaltet übrigens auch, dass man ihm ganz deutlich klarmachen muss, dass er sich nicht so verhalten kann, wie er es getan hat. Es kann keineswegs nur um das Streicheln des Kopfes gehen.
Danach müssen entsprechende Urteile gefällt werden, wenn sie fair und konstruktiv sein sollen.
Zuletzt sollten wir, wenn wir insbesondere einfach sinnlose Gewalttaten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Bahnen verhindern möchten, den Hintern hoch bekommen und an den IM VORFELD liegenden Gründen IN UNSERER GESELLSCHAFT arbeiten!
Niemand wird aggressiv und gewalttätig geboren, sondern er wird dazu gemacht, durch seine Erfahrungen und Erlebnisse, während der Mensch aufwächst.
Wenn Kinder zu Hause ständig Prügel und Desinteresse erfahren, dann wird sie das prägen und es kann passieren, dass sie diese Verhaltensmuster übernehmen.
Wenn sie keine Vorbilder und keine Werte von zu Hause mitbekommen, dann werden sie sich diese woanders suchen. In Filmen, im Freundeskreis, auf der Straße, in einer Gang, was eben für sie eine Rolle spielt.
Sie werden Verhalten, das sie erfahren, für sich selbst umsetzen.
Und mal ehrlich, was wird denn momentan oft in der Gesellschaft gezeigt, im Fernsehen usw.? Es wird immer wieder gezeigt, dass dummes, assoziales, aggressives, moralisch kaputtes Verhalten toll ist und einen weiterbringt.
Wenn sie keine Perspektiven haben, weil man ihnen in der Schule nicht hilft, wenn sie nur die Perspektive ,,Hilfsarbeiter" und ,,Arbeitsloser" haben, dann wird es ihnen oft einfach egal sein, was sie tun.
Viele dieser U- und S-Bahnschläger muss sich die Gesellschaft auf ihr Konto schreiben.
Denn wir vernachlässigen in sträflicher Weise in unserer Gesellschaft immer mehr eine anständige Erziehung und moralische Werte, wir ersetzen sie durch Egoismus, Härte und Profitgier.
Erziehen dauert. Es erfordert viel Einsatz von vielen Menschen in sehr vielen Bereichen gemeinsam. Und man kann es nicht direkt in bare Münze umsetzen. Wir müssen uns solchen Aufgaben persönlich stellen in unserem Umfeld, wir dürfen nicht immer darauf warten, dass jemand anders irgendeine Lösung findet.
Niemand muss alleine die Welt verändern, aber ein wenig Engagement im eigenen Umfeld kann man von fast jedem erwarten.
Doch ohne derartige Bemühungen dürfen wir uns auch weiter über sinnlose, schwere Gewaltausbrüche von jungen Menschen freuen.