@Moire Die wurden Anfang der Siebziger dort geklaut.
Veröffentlichungen dazu findest Du in dieser Liste:
http://www.nadir.org/nadir/archiv/PolitischeStroemungen/Stadtguerilla+RAF/RAF/brd+raf/055.htmlHier noch ein Text dazu:
Weisse Folter
Weisse Folter
Guantánamo, Abu Ghraib - kein schwarzes Loch der Erkenntnis
Von Folter und Forschung in der BRD
Von Dieter Drüssel
"Das Gefühl, es explodiert einem der Kopf. Das Gefühl, die Schädeldecke müsste eigentlich zerreißen, abplatzen. Das Gefühl, es würde einem das Rückenmark ins Gehirn gepresst. Das Gefühl, die Zelle fährt. Man wacht auf, macht die Augen auf: die Zelle fährt, nachmittags, wenn die Sonne reinscheint, bleibt sie plötzlich stehen. Man kann das Gefühl des Fahrens nicht absetzen. Rasende Aggressivität, für die es kein Ventil gibt. Das ist das Schlimmste. Klares Bewusstsein, dass man keine Überlebenschance hat. Völliges Scheitern, das zu vermitteln. Besuche hinterlassen nichts. Eine halbe Stunde danach kann man nur noch mechanisch rekonstruieren, ob der Besuch heute oder vorige Woche war. Einmal in der Woche baden dagegen bedeutet: einen Moment auftauen, erholen - hält auch für ein paar Stunden an - Das Gefühl, Zeit und Raum sind ineinander verschachtelt (.)"
So beschrieb die RAF-Gefangene Ulrike Meinhof in den 70er Jahren die Folgen sensorischer Deprivation. Die US-kanadische Folterforschung wurde in den frühen 70er Jahren etwa am Hamburger Universitätsspital weiter entwickelt, angeblich, um bei isolierten LanzeitpPatientInnen, die lange isoliert an lebensrettenden Geräten hängen, Deprivationsphänomene zu mildern. Die 1974 veröffentlichten Resultate fanden sofort Eingang in die bundesdeutsche "Behandlung" von Gefangenen aus linken , bewaffneten Gruppen: "Tote Trakte", in denen Geräusche von ausserhalb der Zelle praktisch inexistent waren; weiss oder in wissenschaftlich bestimmten eintönigen Farben gestrichene Zellen; Unterbindung möglichst jeden natürlichen menschlichen Kontakts durch Einzel- oder Kleinstgruppenisolation etc. Das Prinzip dieser "Weissen" Folter bestand nicht darin, etwa die Augen auszustechen, sondern sie nichts als Monotonie sehen zu lassen. Sensorische Deprivation führt zu schweren körperlichen Schädigungen und so genannten Psychosen und Halluzinationen. Wie das 1977 einer der Hamburger Forscher in der Zeitschrift "Psychologie Heute" 1977 formulierte: "Wenn die Sinne schweigen, sprechen die Nerven". Voraussetzun für die, wird sie vom "Feind" betrieben, korrekt "Gehirnwäsche", wird sie selber angestrebt, "Reue" genannte Verhaltensänderung. Was die Reaktionen sind, wenn nicht alles nach Wunsch klappt, zeigt die aktuelle Hetze um eine "vorzeitige" Haftentlassung des Ex-RAF-Gefangenen Christian Klar - voller bösartiger Wut, dass da einer nach 25 Jahren Gefängnis nicht untertänig geworden ist. In seiner zum "Skandal" genommenen Grussbotschaft an die Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz vom vergangenen Januar formulierte Christian Klar die Hoffnung, dass es uns in Europa gelinge, auch dank Inspiration aus Lateinamerika, "die ökonomisch gerade abstürzenden großen Gesellschaftsbereiche den chauvinistischen "Rettern"" zu entreissen und so "die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen".
Wie bewusst Forschung und Repressionsapparat ihr Tun schon lange ist, zeigt folgendes Zitat von 1956: "Die speziellen Auswirkungen der Isolation, Angst, Ermüdung, Schlafentzug, unangenehmer Temperatur (.) führen bei nahezu allen Gefangenen zu Störungen im Stimmungshaushalt und des Verhaltens. Der KGB begreift diese Angriffe nicht als 'Folter'. Sie beteuern, dass sie 'keine Gewalt oder Folter einsetzen, um Informationen von Gefangenen zu bekommen'. Aber alles bereitet dem Gefangenen grosses Unbehagen und führt zu einer Anzahl von Störungen im Körperhaushalt. Es gibt keinen Grund, diese Art von Behandlung von Folter zu unterscheiden", hielten damals Hinkle und Wolff fest, die für das kanadische Verteidigungsministerium die Folter der sensorischen Deprivation erforschten (aus Hartwig Hansen, Horst Peinecke: Reizentzug und Gehirnwäsche in der BRD. Libertäre Assoziation, 1981. Eine ausgezeichnete kleine Schrift zweier Hamburger Psychologiestudenten, die, entsetzt vom Vernichtungsgehalt "humanitärer" Wissenschaft, Szenarien aus Deprivationsexperimenten mit Aussagen von Gefangenen verglichen, die in der BRD der Reizfolter unterzogen worden waren.).
Das dies Folter ist, war damals klar und wird seither geleugnet. Etwa so: "Die Propaganda mit der "Isolationsfolter" erwies sich als grosser Erfolg: Eine zweite Generation der RAF wurde dadurch rekrutiert. Wie Jörg Herrmann anschaulich belegt, konnte von strengen Haftbedingungen nicht die Rede sein. Folgende Zeitschriften gelangten legal ins Gefängnis: das "Deutsche Waffenjournal", die "Waffenrevue", die "Allgemeine Schweizerische Militärzeitschrift", "Der Sprengmeister - Neuzeitliche Sprengtechnik"" (NZZ, 3.3.07: Wer war Andreas Baader?). Wer ein blaues T-Shirt trägt, ertrinkt nicht ... Ob bloss aus warenfetischistischem Kretinismus oder bewusstem Komplizentum - die Folter wird gedeckt.
Zuweilen vermittelt man, 30 Jahre nach der Tat, den Foltergehalt der sensorischen Deprivation doch noch - in homöopathischer Dosierung: "Die RAF-Mitglieder wurden zeitweise nicht nur völlig von jedem menschlichen Umgang abgeschottet, sondern auch durch Sichtblenden und Schallschutzmassnahmen optisch und akustisch isoliert. Eine rund um die Uhr brennende Beleuchtung der in hellem Weiss gestrichenen Zellen und temporäre Unterkühlung gehörten ebenso zu einer Art des Strafvollzugs, die nach Ansicht von Anstaltsärzten und Gutachtern zu Gesundheitsschäden führte"(NZZ, 3.2.07: Der Rechtsstaat und die Zeiten des Terrors).
Aber freuen wir uns nicht zu früh: Wenn Organe wie dieses Blatt der Kriegstreiber "dunkle Grenzbezirke" ausloten, die "auch demokratische Gemeinwesen betreten, wenn sie sich in ihrer Existenz durch Terrorismus bedroht sehen" (ibid.), steht zu befürchten, dass das letztlich affirmativ gedreht wird. Vergessen wir nicht, dass nach dem 11. September 2001 Organe wie die Weltwoche fasziniert das Für und Wider von Folter "erörterten" und der Zürcher Staatsanwalt Ulrich Weder die Vorzüge von Gewaltanwendung bei Verhören testen wollte. Und auch die Bundeskriminalpolizei hat einen - wie muss man sagen? - "unverkrampften" Bezug zu Guantánamo.
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Quelle:
Correos de Centroamérica Nr. 149, 20. April 2007, S. 8
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2007