OBE,TRAUM
20.07.2004 um 22:17
Das Gefühl, außerhalb des eigenen Körpers zu sein und sich frei durch den Raum zu bewegen (engl. Out-of-the-body experience, abgekürzt: OBE), wollen 15 bis 35 Prozent aller Erwachsenen schon mindestens einmal erlebt haben, wie Umfragen in den USA, Großbritannien und Australien belegen. Die Erfahrung scheint universell: Als eine amerikanische Psychologin in den siebziger Jahren Aufzeichnungen über mehr als 70 Völker außerhalb des westlichen Kulturkreises auswertete, fand sie bei 95 Prozent von ihnen Schilderungen von OBEs.
Schamanen und einzelne hochbegabte Sensitive sollen imstande sein, willentlich solche Erfahrungen zu machen - und dabei Dauer und Ziel ihrer körperlosen Exkursionen zu steuern. Doch meist treten OBEs spontan auf: sei es in Träumen, meditativen und anderen psychischen Ausnahmezuständen, sei es in Grenzsituationen, insbesondere in Lebensgefahr; sogenannte "Nahtodeserlebnisse" (NDEs, "near-death experiences", wie sie viele Sterbende und Reanimierte berichten, schließen häufig OBEs ein.
Sind diese Erlebnisse tatsächlich, was sie zu sein scheinen? Bei der Erklärung von OBEs konkurrieren drei Ansätze:
1. Spiritistische Theorien betrachten außerkörperliche Erfahrungen als echte Wahrnehmungen. Für sie sind OBEs "Seelenreisen", "Astralwanderungen", in denen die menschliche Psyche unter Beweis stellt, daß sie vom Körper unabhängig existieren kann.
2. Psychologische Theorien behandeln OBEs als Sonderfälle von Illusionen: als phantasievoll ausgestattete Realitätsflucht.
3. Dazwischen stehen parapsychologische Theorien, die in OBEs Dramatisierungen von gewöhnlichen außersinnlichen Wahrnehmungen (Hellsehen, "Remote Viewing", Telepathie) sehen.
Seit Anfang der siebziger Jahre haben mehrere Forschungsprogramme, insbesondere im angelsächsischen Raum, dazu beigetragen, den Streit mittels experimenteller Befunde zu entideologisieren. Sie konzentrierten sich auf zwei Grundannahmen:
(a) Wären OBEs echt, so müßten Personen während ihrer "Astralreisen" imstande sein, Gegenstände, Ereignisse und Sachverhalte an entfernten Orten korrekt zu beschreiben, die sie mit ihren gewöhnlichen Sinnen nicht wahrnehmen und auch auf keine andere Weise wissen können.
(b) Wären außerkörperliche Erfahrungen mehr als eine Art von Hellsehen, so müßten OBE-Erfahrene an den Zielorten ihrer Astralreise irgendwelche Spuren hinterlassen.
Diese Forschungen zeigten:
- OBEs sind meist unzuverlässig. Selbst Testpersonen, die nach eigenen Angaben regelmäßig außerkörperliche Erfahrungen machen und sie bewußt lenken können, sind nur selten imstande, experimentell vorgegebene Anordnungen von Objekten an anderen Orten so präzise zu beschreiben, daß Zufallstreffer unwahrscheinlich werden.
- Einige wenige Testpersonen sind manchmal allerdings zu paranormalen Wahrnehmungen fähig, während sie eine OBE erleben.
So experimentierte Charles Tart, Professor für Psychologie an der Universität von Davis, Kalifornien, 1965 und 1966 mit Robert Monroe, einem erfolgreichen Geschäftsmann und Elektronikingenieur aus Virginia, der seit 1958 lebhafte außerkörperliche Erfahrungen gemacht hatte und behauptete, er könne sie willentlich herbeiführen. In einem provisorischen Schlaflabor lag Monroe auf einem unbequemen Armeefeldbett, verdrahtet mit mehreren Geräten, die seine Gehirnströme, seinen Herzschlag und seine Pulsfrequenz aufzeichneten. In einem angrenzenden Kontrollraum war ein Bord oberhalb der Augenhöhe angebracht, auf der eine willkürlich ausgesuchte fünfstellige Zahl stand. Monroe sollte diese Zahl "ablesen" und die Tätigkeiten einer dort anwesenden Assistentin beobachten.
Monroe, der sich in dieser Umgebung unwohl fühlte und sich nur schwer entspannen konnte, gelang es zwar in keinem von acht Versuchsdurchgängen, die Zahl korrekt wiederzugeben; doch "sah" er immerhin, daß die Assistentin einmal ihren üblichen Platz verlassen hatte und auf den Korridor hinausgegangen war, wo sie sich mit einem Kollegen unterhielt.
Anfang 1973 begann die "American Society for Psychical Research" (ASPR) mit OBE-Tests an 100 Freiwilligen, die aus einer unerwartet großen Zahl von Bewerbern ausgewählt worden waren. "Im großen und ganzen waren die Ergebnisse unbedeutend", faßt Karlis Osis, Forschungsdirektor der ASPR, zusammen. "Nur einige wenige Teilnehmer schienen Dinge klar genug zu ?sehen?, um sie genau zu identifizieren". Doch diese wenigen leisteten teilweise Verblüffendes. So stellte Osis, gemeinsam mit der Psychologin Janet Mitchell, unter anderem den Künstler Ingo Swann auf die Probe, der behauptete, seit seinem dritten Lebensjahr laufend OBEs zu erleben. In einem Nebenraum war, etwa einen halben Meter unter der Zimmerdecke und drei Meter über dem Fußboden, eine Hängevorrichtung angebracht worden; darauf lagen verschiedene Gegenstände, die nach jedem Versuchsdurchgang ausgetauscht wurden: unter anderem ein Schirm, ein Apfel, eine Schere, ein Kreuz, die schwarze Lederhülle eines Brieföffners, gedruckte Buchstaben und Zahlen sowie farbige geometrische Figuren, die aus Zeichenpapier ausgeschnitten waren. Von einem Nebenraum aus sollte Swann sie identifizieren. Das gelang ihm zumindest in manchen Sitzungen nahezu perfekt; allerdings erkannte er Zahlen oder Buchstaben schlechter als Gegenstände. (Fehlschläge erklärte er damit, daß sich seine körperlose Psyche den Zielobjekten "im falschen Winkel genähert" habe oder daß zuviel Licht oder auch Schatten auf sie gefallen wäre.)
Dabei muß nicht jeder vermeintliche "Fehlschlag" ein Mißerfolg sein. So hatten einige Teilnehmer an Osis' Großversuch anscheinend zwar eine "Astralreise" angetreten - waren jedoch irregeleitet oder abgelenkt worden. Die Kanadierin Terry Marmoreo zum Beispiel berichtete, sie habe sich zwar "außerkörperlich" von ihrer Heimatstadt Toronto aus auf den Weg zum New Yorker ASPR-Büro gemacht - habe aber kurz davor angehalten, um ein Feuer im nächsten Häuserblock zu betrachten; dort hatte es tatsächlich gebrannt, wie sich hinterher herausstellte. Eine andere Versuchsperson will sich "astral" im Erdgeschoß des ASPR-Gebäudes aufgehalten haben, um der Vorbereitung einer Kunstausstellung zuzusehen - die dort tatsächlich stattfand.
Im Februar 1973 testete Robert Morris, Forschungsleiter der "Stifung für psychische Forschung" in Durham, North Carolina, den Studenten Stuart Harary, der behauptete, er habe sein Leben lang QBEs gemacht. ?Außerkörperlich? sollte Harary von einem Testlabor aus die Identität und den genauen Aufenthaltsort willkürlich ausgewählter Personen bestimmen, die sich während eines bestimmten Zeitraums in einem vorgegebenen Zielgebiet aufhielten. Anfangs gelangen Harary dabei bemerkenswerte Treffer, doch allmählich ließ er nach.
Besonders erfolgreich schnitt bei OBE-Tests im Hauptgebäude der "American Society for Psychical Research" in Manhattan, New York, 1978 und 1979 ein Collegelehrer aus Portland ab, Alex Tanous. Die Objekte, der er identifizieren sollte, befanden sich in einem Raum am entgegengesetzten Ende des Gebäudes, von ihm durch fünf geschlossene Türen getrennt. Dort hatten die Versuchsleiter Karlis Osis und Donna McCormick eine Scheibe aufgebaut, die sich aus vier unterschiedlich gefärbten Segmenten zusammensetzte. Vor jedem Testdurchgang wurde, per Zufall ausgewählt, auf eines dieser Segmente ein Bild projiziert. Zeichnungen, Farbe und Position der Segmente wurden immer wieder willkürlich verändert. Die Ergebnisse waren zwiespältig: Bei 197 Versuchen, im Laufe von 20 Sitzungen, erzielte Tanous 114 Treffer und 83 Fehlschläge.
Gehen derartige Treffer auf einfaches "Hellsehen" zurück - oder tatsächlich auf außerkörperliche Exkursionen zum Zielort? Experimentell darüber entscheiden helfen sollte eine Plastik, die Osis bei einer Künstlerin in Auftrag gab: eine Doppelfigur, die von vorn ein Mädchen, von hinten einen Stuhl zeigte. Würden die Versuchspersonen diese Plastik von ihrer angeblichen OBE-Position aus sehen - oder haben sie eine außersinnliche Wahrnehmung von einem unbestimmten Blickwinkel aus? Ein Teilnehmer, Elwood Babbitt, konnte von seinem Wohnort Wendell in Massachussetts aus die Plastik als Zielobjekt genau "erkennen"; dabei beschrieb er das Mädchen, erwähnte aber nicht den hinteren Teil der Plastik, der von der Tür aus, wo er angeblich astral gestanden hatte, auch nicht sichtbar war.
Stecken dahinter wirklich Wahrnehmungen eines entkörperten Ich, nach einer "Astralreise" an den Zielort? In den Testreihen mit Tanous hatte Osis um die Versuchsanordnung herum eine abgeschirmte Kammer bauen lassen; sie war mit Sensoren ausgerüstet, welche die geringfügigsten Vibrationen aufzeichneten. Bei sämtlichen OBE-Versuchen schlugen die Sensoren an - bei den Treffern allerdings deutlich stärker als bei den Fehlschlägen.
Auch in Morris' Versuchen mit Stuart Harary hatten sich verblüffende Hinweise darauf ergeben, daß während OBEs tatsächlich etwas "auf Reisen" geht. So berichteten manche Zielpersonen, die Harary ausfindig machen sollte, von merkwürdigen Beobachtungen - exakt zum selben Zeitpunkt, als Harary ihnen "astral" nachspürte: Sie wollen "funkelnde Lichter" oder sogar "eine geisterhafte Erscheinung" gesehen haben. Als Harary seine astrale Gegenwart Versuchstieren zeigen sollte, fielen an Hamstern und Rennmäusen zwar keinerlei Reaktionen auf. Doch eine Schlange wurde just zum Zeitpunkt, als er sich angeblich vom Körper gelöst hatte, plötzlich sehr aggressiv. Ein Kätzchen begann in seinem Käfig aufgeregt hin- und herzurennen, versuchte zu fliehen und miaute unentwegt.
Für OBE-Erfahrene selbst ist die Frage nach wissenschaftlichen Evidenzen zweitrangig. "In fast allen Fällen", faßt Charles Tart zusammen, "lautet die Reaktion so: ?Ich glaube nicht mehr an das Überleben nach dem Tode - ich weiß, daß mein Bewußtsein den Tod überleben wird, weil ich erfahren habe, daß es außerhalb meines physischen Körpers existieren kann.?
Smithers,lassen sie die Hunde los.
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