Familienbande: Netz oder Fesseln?
20.12.2008 um 23:42
na wenn ich den Eingangsbeitrag von Doors lese, da komme ich mir ja ziemlich schlecht und meine Sorgen mir ziemlich nichtig vor als Zögling aus bürgerlichen Kreisen, der sein Leben in einer Familie fristete, in der Welten aufeinanderprallen und der ich doch eine wunderbare Erziehung verdanke. Ich möchte die vergangene Zeit kurz schildern, die noch lebendig, noch gegenwärtig, noch jung ist, die dort aufhört, wo das jetzt beginnt.
Eine Mutter habe ich mit beengter Perspektive und mit Hang zum Bedeutungslosen, zum Irrelevanten, zu Klatschzeitungen und kitschigen Magazinen, zu simplen Tätigkeiten, zu ermüdenden Diskussionen über Lappalien, zum Verdrängen bedrückender Missstände, zum Ignorieren des wahrlich Wichtigen, mit einer Ader des Pessimismus, einer destruktiven Emotionalität bei jedem aufkeimenden Problem und Liebe zu übermäßiger Ordentlichkeit; fast schon eine typische sittsame Frau aus dem letzten Jahrhundert, wäre da nicht ihr Verständnis von Emanzipation, die sie in ihren Augen zu unnützem Zorn und Aufregung berechtigen, anstatt ihr die Pflicht der Bildung und des Verstandsgebrauchs verbunden mit der Ebenbürtigkeit gegenüber dem Mann aufzuerlegen. Vermutlich ist ihr der kleinbürgerliche Geist anerzogen worden, den auch ihre Eltern stolz präsentieren und damit trotz guter finanzieller Situierung ihre Kurzsichtigkeit beweisen.
Einen Vater habe ich, voll unternehmerischer Ambition, mit Liebe zu den Büchern und freundlicher Aura, mit Witz und Vernunft, erfüllt mit der Flamme des Optimismus und gesegnet mit einem klaren Blick, geschaffen für Denkarbeit, für das Vollführen kluger Schachzüge, strebsam in seinem Handeln; auch er könnte einer verjährten Ära entstammen in seiner Rolle als liberal gestimmte Gestalt, die sich in der weltlichen Öffentlichkeit beheimatet versteht und nicht im kleinen Kreis der Nachbarschaft. Wahrscheinlich prägten seine Ahnen im selben Maße seine Haltung und seine Ansichten, seine Wünschen und seinen Willen, wie es bei seiner Gattin und meiner Mutter der Fall war.
Und eigenartiger Weise haben sich diese beiden Menschen gefunden, haben gewaltige Gegensätzlichkeit in einer Ehe vereint und diese - was mir unerklärlich erscheint - glücklich geführt.
Unter ihr bin ich aufgewachsen, habe Zeiten der Folgsamkeit durchwandert, mich orientiert nach den Impressionen, ohne zu hinterfragen, ohne zu kritisieren und die Verhältnisse zu bewerten, die mich umgaben. Es war eine Kindheit, die vollkommen natürlich war und die mich trotz ihrer Früchte beschämt, was daher rührt, dass ich mein damaliges Handeln nach dem heutigen Maßstab beurteile. Häufig wurde ich auf Reisen mitgenommen, habe mit verschwommener Sicht ferne Länder beschaut und nicht einmal wahrgenommen, dass ich Samenskörner aufgenommen hatte, die später einmal mit dem Wasser der Wissbegierde begossen werden sollten. Genau dies ereignete sich am Übergang zur Jugend, worauf der Baum der Kenntnisse aufblühte, der mich zugleich in Besorgnis versetzte ob der beunruhigenden Zustände, über die ich erfuhr. Manch einer mag lachen über solch herrliche Gegebenheiten, doch wo andere mit den Schwierigkeiten ihres Lebens ringen, bin ich im Zeichen des Pflichtgefühls bemüht, angesichts der Geschenke des Schicksals, die meinen Weg erleichterten, zu versuchen, auf die Weise zu helfen, die ich am besten beherrsche, soweit ich kann. Neben der Gier nach weiterem Wissen hat mich ein immenser Tatendrang befallen, der unaufhörlich darauf pocht, dass ich mich nicht bloß des köstlichen Obstes erfreue, das ich erhielt, sondern zugleich Bäume pflanze, an denen Äpfel Kirschen für all diejenigen wachsen, welchen es an solchen ermangelt.
Und diese Entwicklung, wird mir positiv in Erinnerung bleiben, wird mir zeigen, was mir das Elternhaus bescherte, was es mir vergönnte - doch zugleich messe ich der Selbstständigkeit einen hohen Wert bei, der Sezession von der Familie, nach der nur noch ein loses Band besteht, welches den Kontakt pflegen lässt, aber weder die Eltern noch die Kinder an große Pflichten bindet, die nur hinderlich wären, beim Erlangen größerer Individualität orientiert an den persönlichen Talenten, beim Erlangen größerer Freiheit und Verantwortung im eigenen Streben.
Nun, das wäre es von mir und meiner Meinung.