Studien zur therapeutische Anwendungen von Hanf
Cannabis – verkanntes Heilmittel?
(ch-fo) Für die einen Teufelskraut, für die anderen Wundermittel: Cannabis er-lebt eine Renaissance als Heilmittel – vorerst allerdings erst in der klinischen Forschung.
Noch im 19. Jahrhundert gehörten Hanfpräparate zu den wichtigsten Heilmitteln gegen Schmerzen. Mit dem Aufkommen synthetischer Medikamente und dem Verbot des Cannabiskonsums verschwanden Hanfprodukte aus den Apotheken. Dennoch ist die Selbstmedikation mit Cannabisprodukten recht populär, wie anonyme Patientenbefragungen zeigen. Aus der Erfahrungsmedizin sind viele Indikationen bekannt: Bei Migräne, Epilepsie, Schmerzen, Allergien oder Depressionen sollen Cannabis-Produkte Hilfe bringen. "Erfahrungsmedizin und Schulmedizin klaffen hier allerdings noch auseinander", erklärt Rudolf Brenneisen vom Departement für klinische Forschung der Universität Bern (DFK), einer der führenden Cannabisexperten der Schweiz. "Nur wenige Wirkungen sind wissenschaftlich fundiert erforscht."
Körpereigenes Cannabinoid-System
Die Cannabispflanze ist eine wahre chemische Fabrik. Über 400 Substanzen sind bekannt, etwa 70 sogenannte Cannabinoide sind identifiziert worden. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist das Delta-9-Tetrahydrocannabinol, kurz auch THC genannt. Er ist hauptsächlich für die psychoaktive Wirkung verantwortlich. Dem THC werden auch die massgeblichen medizinischen Wirkungen nachgesagt – synthetisch hergestellt ist es in Kapselform in den USA als Heilmittel gegen Brechreiz und Appetitlosigkeit für Krebs- und HIV-Patienten registriert und auch von der WHO anerkannt. In der Schweiz ist der Einsatz dieses Medikaments nur mit Sonderbewilligungen des Bundesamtes für Gesundheit möglich.
In den 90er Jahren entdeckten Forscher, dass der Mensch über eine körpereigenes Cannabinoid-System verfügt. Gewisse Zellen haben spezifische Cannabinoid-Rezeptoren, zu denen diese Wirkstoffe wie ein Schlüssel zum Schloss passen. Dockt ein Cannabinoid an einen solchen Rezeptor an, werden in der Zelle spezifische Reaktionen ausgelöst. Der menschliche Körper produziert selber Cannabinoide über die gewisse Abläufe im Körper gesteuert werden. Bisher wurden zwei Rezeptor-Typen identifiziert: Die CB1-Rezeptoren befinden sich vor allem im Gehirn, im Rückenmark und teilweise auch im Herzen. Im Hirn sind sie vorwiegend in Regionen, die mit der Steuerung der Motorik und der Schmerzentstehung zu tun haben, angesiedelt. Die CB2-Rezeptoren hingegen sitzen vor allem in der Milz und auf weissen Blutkörperchen – also auf Zellen des Immunsystems. Die Bedeutung dieses körpereigenen Cannabinoid-System ist noch weitgehend ungeklärt. Doch die Verteilung der Rezeptoren zeigt eine eindeutige Übereinstimmung mit den aus der Erfahrungsmedizin bekannten Wirkungen von Cannabis.
Hilfe für Multiple Sklerose-Patienten
Weltweit laufen verschiedene Forschungsprojekte über die Wirkung von THC und Cannabisextrakte auf Asthma, Augeninnendruck, Schmerzen, Appetitlosigkeit, Entzündungen, Hirntrauma und Muskelkrämpfe. Vor kurzem abgeschlossen wurde eine Untersuchung an der Berner Klinik Montana mit 50 Multiple-Sklerose-Patienten. Das Resultat lässt aufhorchen: "Der auf THC standardisierte, natürliche Cannabisextrakt hat sich als antispastisch erwiesen", erklärt Claude Vaney, Chefarzt und Leiter der Studie. "Die psychischen und physischen Nebenwirkungen waren gering." Eine neue Studie am Inselspital Bern untersucht die Wirkung von Cannabis auf das "Restless-Leg-Syndrom" (RLS). Schätzungsweise leiden fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung an dieser neurologischen Erkrankung. "Wie so oft kam die Idee zu dieser Studie aufgrund von Erfahrungen mit der Selbstmedikation", erklärt Brenneisen. "Patienten, bei denen kein Medikament wirkte, berichteten, dass die Symptome zurückgehen, wenn sie einen Joint rauchten oder einen Hanftee tranken." Ende Jahr sollen die Versuche im Schlaflabor abgeschlossen sein – dann beginnt die Auswertung der Daten.
http://www.ch-forschung.ch/index.php?artid=208