Die gefühlte Wahrheit?
08.07.2006 um 20:21Die gefühlte Wahrheit
Es mag hier Themen geben, die das Thema streifenund sogar ausführlich behandeln, allerdings möchte ich hier ganz besonders auf denaktuellen Beitrag von Cora Stephan dazu verweisen.
Meine Schleichwerbung mögeman mit bitte verzeihen 8)
Über die Entdeckung einer neuen Hilfskonstruktion
In Deutschland gehört die Heisenbergsche Unschärfe zur Alltagspraxis. Gefühl istalles; "ich fühl mich nicht" ein erbarmungswürdiger Zustand. Angesichts so vieler Emotiondarf nichts mehr als sicher gelten. Alles ist irgendwie unscharf, der Boden schwankt, dieSäulen des Staatsgebildes stehen schräg, ja selbst der Rechtsstaat wankt angesichtsdessen, dass nichts mehr gewiss ist, schon gar nicht die Wahrheit.
Wie das allesangefangen hat, dieser Einbruch des Seelisch-Geistigen in das einst so objektiveWeltbild?
Wahrscheinlich war's der Wettermann, der uns irgendwann dieerleichternde Erkenntnis schenkte, dass niemand mehr an seinen Gefühlen irre werden muss,ja dass unserer Wahrnehmung mehr zu trauen sei als den objektiven facts and figures. Washeißt schon Celsius? Von der "gefühlten Temperatur" war plötzlich die Rede, also davon,wie unsereins das findet, wenn zu den eh schon erheblichen Minusgraden draußen eineisiger Ostwind hinzukommt.
Endlich, denkt sich da der Mensch, komm ich auch malvor im Universum mit all meinem ganz konkreten Sosein und Dasein. Realität ist, was ichfühle. Basta...
...Die Zuversicht, die gebraucht wird, ummarktwirtschaftlich etwas zu wagen, ist ein ökonomischer Faktor erster Güte - und werhätte nicht schon selbst erlebt, dass sich das Wetter kälter anfühlt als das Thermometeranzeigt? Gleiches gilt für den Umgang mit Menschen - nicht nur für den mit störrischenMännern. Meistens kriegt man zurück, was man investiert hat; lockt positives Denken diebesten Seiten des Gegenübers hervor; macht der liebevolle Blick den anderen schöner. DieVorstellungskraft besiegt die Realität - manchmal, jedenfalls.
Die Tücke dergefühlten Weltsicht liegt indes auf der Hand. Wenn alles im Auge des Betrachters liegt,gibt es keine Wahrheit mehr, auf die man sich verständigen könnte, gar noch eine, diejustiziabel wäre. Und deshalb haben Politiker den Vorzug der Gefühlspriorisierung längsterkannt und für sich genutzt.
Qualle:
Und hier eineBuchrezension, die wohl ähnliche Dinge anspricht und von mir hier nur als "weiterführendeLektüre" angeführt sein will. Wer ähnliche Links oder Texte dazu hat möge sie bittePosten.
Systematiker ohne System?
Wolfhart Henkmann: MaxScheler. (Beck’sche Reihe Denker)
...Dafür bedürfe es einer Modifizierung derseit der Begegnung mit Husserl im Jahre 1902 für Scheler prägenden Phänomenologie, die er– weit über Husserls eigene programmatische Ansprüche hinausgehend – als ein genuinmoralisches Verhalten in der Grundaktart der Liebe als "grundsätzliche Offenheit zurWelt" (46) interpretiert [5]. Als Grundaxiom der Schelerschen Variante phänomenologischerPhilosophie könne man die "Korrelativität und grundsätzliche Kompatibilität von Geist undWelt" (47) bezeichnen, deren Aufgabengebiet allein die apriorische Erkenntnis derWesensbeziehungen betreffe...
Max Scheler (1874-1928) – der verschwenderischere undfaustische Denker –
...Die Bedeutung des Wertes und der Liebe als Fundament derErfahrung, die Gemeinschaft zwischen Mensch und Welt, die Ursprünglichkeit emotionalenLebens und der daraus erwachsende Ansatz einer persönlichen Phänomenologie führen zueiner eigenständigen Bündelung zeitgenössischer Themen, unter denen man sich heute nurnoch mit den Stichworten Anthropologie und Wissenssoziologie Konkretes vorzustellenvermag. Weniger leidenschaftlich, doch nicht minder den Spannungen der Zeit verpflichtet,konnte wohl nur Martin Heidegger verstehen, was einen Denker wie Scheler trieb...
Autor: Thomas Wolf
Qualle:
http://www.sicetnon.org/modules.php?op=modload&name=PagEd&file=index&topic_id=51&page_id=200 (Archiv-Version vom 03.10.2006)
Ich möchte Euch nun bitten den Senf dazu abzugeben, der euch dazu wohlin den Sinn kommt und halte mich mit meiner Meinung diesbezüglich erstmal zurück. Mich"plagen" da einige Fragen und da schmeiß ich den formidablen Brei mal in die Runde:
Regiert uns alle das Bauchhirn? Ist Erkenntnis gefühlt und erst in zweiter Liniedurchdacht und in Konstrukte gebettet? Was bedeutet das für unsere Gesellschaft, waswären logische Konsequenzen? Was ist Moral?
Was ist von all dem zu halten?
Ich finden den Artikel von der süßen Cora Stephan ziemlich "erkenntnisfördernd" undjetzt seid ihr dran :)