Was ist los in unserer Gesellschaft?
13.06.2006 um 22:28
maccabros
Es gibt die grobe Gewalt und das viel weitere Feld der subtilenGewalt. Um an die feinere und verstecktere Gewalt heran zu kommen, muss man schon einmalgrundsätzlich friedlicher Leben und nicht sich mit der Faust durchkämpfen. Natürlichkönnen wir beide so gesehen von uns sagen, wir leben ein doch sehr gewaltfreies Leben.
Doch nicht verharmlosen dürfen eben auch den ganzen psychologischen Bereich derGewalt. Viele eingeschlichene Verhaltensmuster und Prägungen welche sich dann in Wortenund Handlungen zeigen. Unser Gespräch zeigt ja gerade, wie wir zuerst einmal die Gewaltdefinieren wollen, bevor wir grundsätzlich davon sprechen wollen.
UnsereGesellschaftsform ist so eingerichtet, dass es weitaus häufiger zu Situationen kommt,welche Einschränkungen und Zurechtweisung gegenüber den Kindern notwendig machen, als eserstrebenswert wäre. Das Umfeld, welches enorm wichtig ist als Unterstützung und Hilfeist oft weder kindergerecht noch natürlich. Einkaufen in diesen grossen Konsumhallen,Hektik, Stress, Überangebot, Freizeitplanung, Alltag organisieren und managen.... Allesist farbig verpackt und eine Reizüberflutung herrscht. Der Mensch hat sich eine sehrkomplizierte und komplexe Lebensweise erschaffen und hält diese nun mehr oder wenigerglücklich und mehr oder weniger stress- und sorgenfrei aufrecht.
In einemnatürlichen durchdachten Umfeld kämen vielleicht 75% der Grenzsituationen gar nicht erstzustande!!!
Wo finden wir ein intaktes Familien- und Freundesnetzwerk, indem Kinder immer wieder in kleinen Gruppen dort sein dürfen, wo jemand mit Freude undvoller Kraft sie betreut für ein paar wenige Stunden, um sie dann auch wiederweiterzugeben. Oder wo sind die Kiesgruben und Naturplätze, in welchen die Kinder ihreBewegungen und ihre Spiele wirklich im grossen Stil einmal befriedigend durchziehenkönnen? Wo können sie an einem Tisch essen oder in einer Wohnung herumtoben, wo man nichtaufpassen muss, dass etwas wertvolles kaputt geht oder auch hier mehr Grenzen aufgezeigtwerden müssen, als es sonst notwendig wäre? Und so weiter.
Das Lernen zu Teilenund etwas mit Sorgfalt zu behandeln und viele kleine solche sozialen Dinge sollten auchbewusst eingebracht werden in die Erziehung. Aber es wird gar nicht mehr bewusst gemacht,weil es ja rundherum schon so viele Dinge gibt, welche das Kind nicht darf oder nichtberühren kann. Natürlich spreche ich von einem Idealfall - aber bestimmt nicht von einernetten Theorie. Denn ich selber habe praktisch über ein Jahr mit Kindern gearbeitet alsSpielgruppenleiter und auch ein Kind selber von 0 bis 6 Jahre mehr oder wenigerregelmässig betreut.
Nur schon die verfluchten Strassen. Wir können schon immersagen, das Kind muss eben lernen, dass es nicht alles darf und all die Sachen, aber wennunser Leben gespickt und durchsetzt ist von so vielen Grenzen, dass ist dann schon dieGrenze zum erträglichen für das Kind. Ich habe erlebt, dass Kinder in Orten aufwachsen,welche von Strassen umgeben sind und die Mutter dauernd dem Kind hintennach muss, damites nicht mit dem kleinen Rad in die Strasse hinausfährt. Verflixt, wäre diese Strassenicht, diese Mutter müsste pro Tag eine Stunde weniger sprechen, eine Stunde wenigerschreien und etwa zwei Stunden weniger wachsam sein. Sie könnte in Ruhe ein Buch lesenoder kleine Hausarbeiten erledigen, wenn in der Umgebung ein Klima des Vertrauens und derGeborgenheit herrscht. Wenn einmal ein bewusster Vater die Gegend angeschaut hat undGefahren aus dem Weg geräumt hat (spitzige Steine, Äste, welche verlocken aber zu dünnsind, Scherben und so weiter).
Es sind Tausend kleine Dinge. Und das Kind könnteseine eigenen Grenzen (wann habe ich Hunger und Durst) besser lernen, wenn nicht diemeisten Mütter immer die Nahrung in die Kinder stopfen und dann verlernt es auf sichselber zu hören, ich mag gar nicht mehr darüber reden, hier sehen wir Menschen, die wieich sage nicht feinfühlig sind, wenn sie dauernd stopfen.
Ich verbreite nunwirklich keine netten Theorien. Du kannst einem Kind Grenzen zeigen ohne Gewalt. Aberwenn du keine Zeit hat und etwas erledigen musst oder irgendwas eben nicht perfektorganisiert werden kann, weil es unsere Gesellschaftsstruktur nicht zulässt und wir inLeistung, Wettbewerb und einem monotomen Arbeitstakt eingebunden sind, dann kannst maneben das Kind nicht einfach festhalten oder die Zeit aufbringen, seine Kraft in eineandere, spielerische Richtung zu lenken.
Du schreibst: Wer mir sagt, erhätte sein Kind nie geschlagen und sei es nur ein Klaps, weil es absolut nicht hören oderverstehen wollte (hoppla Pubertät), dem glaube ich nicht.
Hmm, sorry, aberich kenne nun Menschen, welche ihre Kinder nie geschlagen haben. Ich selber wurde inmeinem ganzen Leben kein einziges Mal von meinem Vater oder meiner Mutter geschlagen.
Ein Kind zu erziehen kann etwas gnadenloses sein, wenn man selber nicht inseiner eigenen Mitte ruht. Und da die meisten Menschen mehr oder weniger nicht wirklichfest in der Quelle verankert sind, wird das, was spielerisch und mit viel Freude undgeschickter Lenkung sein könnte oftmals zu einer ermüdenden und nervenaufreibenden Sache.Ein Kind in diese brutale Gesellschaftsstruktur hineinzuerziehen hiesst, sie daraufabzurichten, getötet zu werden, innerlich und äusserlich, wenn wir die Fallen nichtdurchschauen in eben dieser Gesellschaft.
Meine beste Freundin war alleinerziehendMutter seit Geburt bis 6 Jahre (jetzt) und musste in dieser Zeit dem Kind keine einzigeOhrfeige und überhaupt keinen einzigen Schlag geben, einmal hat sie es etwas an denHaaren gezogen und einmal mit einem Finger auf den Mund geschlagen. Sie ist eine sehrstarke Persönlichkeit und hat Schläge und den Klaps keiner Situation nötig anzuwenden,obwohl sie einiges mehr an Stress auszuhalten hatte durch viele Umstände (Wohnort fürKinder ungeeignet, Arbeitssituation unbefriedigend, Finanzen knapp und so weiter).
Ich denke es ist eine Frage der Einstellung und persönichen Lebenskraft, ob man einKind schlägt oder nicht. Wenn aber jemand selber zuwenig Lebenskraft hat und keineAutorität ist, kann ein Kind diesen Mensch "aushölen" (KInder sind Meister darin,Schwachstellen zu entdecken) und diese Situation kann wahrlich zur Hölle werden. auchhier ist die schwache Person dre Auslöser und nicht das Kind und erschwerend dazu ebendie nicht auf Kinder zugeschnittene Umfled.
Ich habe auf Reisen durch MadagaskarKinder erlebt, genährte und gepflegte Kinder, sie spielten an einem kleinen Bach in einerkleinen Kindehrgruppe verschiedene Altersgruppen , eine alte Grossmutter sass noch dortund wusch Wäsche und hatte einen grossen Korb mit Früchten und anderen Nahrungsmitteldabei. Die grösseren Kinder fütterten die kleinen und zogen ihnen die Hosen aus, wenndiese ins Gebüsch mussten.... Wir in Europa haben neben dem Bächlein noch Häuser mitmodernen Toiletten und wir haben Kühlboxen und so vieles mehr und doch finden wir nurselten solche Situationen in denen einfach "das Bild stimmt" und die Kinder auf ihreKosten kommen.
Extrem viele Fragen zur Erziehung stellen sich nur, weil wir dieKinder in ein widernatürliches, sinnloses und liebloses Gesellschaftsgebinde einpressenwollen/müssen/sollten und ihnen Höfflichkeitsfloskeln und Anstandsregeln vermitteln,welche nicht authentisch sind und dadurch auch keinen Halt in den Kindern finden.Maccabro, ich kann hier stundenlang weiterschreiben, dass sind alles keine nette Theoriensondern Erkenntnisse, gesehen, erlebt, durchlebt, mir wiederfahren.
Wer alleseine eigene Gewalt in sich erkennt, die grobe (wenn noch vorhanden) aber auch die feineund psychologisch, seelische, wer das alles durchschaut, inklusive Ignoranz,Gleichgültigkeit, Unsensibilität, Selbstmitleid, Selbsttäuschung und eine grosse Liste...
all diese dinge zu sehen heisst, sich selber zu kennen heisst, dem Kind eine bewussteGrundlage des Lebens zu vermitteln. Wenn wir in uns einen Ärger spüren mag dies demUmstand entsprechend ein Ausdruck sein und die Wut muss raus, aber die meisten heizensich noch mit Gedanken weiter an, rechtfertigen ihren Ärger und was kurz und adequathätte sien können wird krankhatf weitergezogen und darin geschwelgt.
Alles,was wir selber in uns nicht erkennen an subtilen Gewaltmustern, wirkt unbewusst aufunsere Kinder. Wenn sie dann selber immer schwieriger werden, denken wir, es seinen dieKinder, dabei ist es nur unser Spiegel.
Kennst du deine eigenen subtilenGewalt- und Angstmuster in dir?