Ist ein interessantes Thema, damit könnte man sich wirklich stundenlang beschäftigen. Hier noch was:
Artikel im April 2000 im « feuille de trèfle », einem Journal von Genfer Strasse, von Obdachlosen verteilt, erschienen.
Wenn die Medizin krank macht – die Verirrungen der modernen Ökonomie.
Viele tropische Krankheiten bleiben ohne Heilmittel. Die Pharmazeutischen Kompanien ziehen es vor, in psychotrope Medikamente, für reiche Länder gemacht, zu investieren.
Menschen in der dritten Welt leiden unter Krankheiten, gegen welche die Forscher es nicht als nützlich erachtet haben, Heilmittel zu erarbeiten. Krankheiten wie die Blindheit der Flüsse oder die Schlafkrankheit betreffen die Bevölkerung, die sehr wenig Mittel zur Verfügung haben, was bewirkt, dass Medikamente der Industrie wenig einbringen würden. Aber die Laboratorien der grossen pharmazeutischen Kompanien investieren wichtige Summen in Neuroleptika, Antidepressoren, Beruhigungsmittel und andere Substanzen, die dafür da sind, die Bewohner von reichen Ländern « glücklich » zu machen.
Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden jedes Jahr 56 Milliarden Dollar für die medizinische Forschung investiert. Aber weniger als 10 % dieser Summe wird investiert, um Krankheiten zu heilen, die 90 % der Weltbevölkerung betreffen (Quelle : Wochenzeitschrift "The Economist", 14. August 1999).
Zwischen 1975 und 1997, wurden nach Patrice Toullier von Medecins sans Frontières 1223 neue Medikamente auf den Markt gebracht,. Nur 11 dieser Medikamente hatten die Aufgabe, tropische Krakheiten zu heilen.
Die Märkte der ersten Welt sind interessanter für die Kompanien, und gewisse Medikamente sind lukrativer als andere; die interessantesten sind die, die der Patient über längere Zeit hinaus nehmen muss – oder sogar lebenslänglich.
In dieser Hinsicht sind Neuroleptika, die den Personen, die als psychotisch angesehen werden, verschrieben werden, besonders gewinnbringend : Man nimmt sie immer über längere Zeit ein, und oft lebenslänglich. Diese Medikamente heilen wirklich gar keines der Leiden, die sie lindern sollten. Sie wirken wie chemische Zwangsjacken, können demzufolge eine Person in einer Krise beruhigen, sind aber – im besten Fall – nur Krücken.
Sie haben, zudem, eine paradoxe Charakteristik : Die grosse Mehrheit der Patienten ertragen sie kaum, sie sind schon fast eine Tortur, weil sie schwer beschreibbare physische und moralische Leiden implizieren.
Neuroleptika können schreckliche Folgeerscheinungen in die Wege leiten : 2 bis 3 % der behandelten Patienten werden lebenslänglich an einer chronischen Erkrankung der Nerven leiden, der tardiven Dyskinesie, die sich beim Patienten durch ungewollte Krämpfe des Gesichtes und der Glieder charakterisieren.
Die Ärzte versuchten lange Zeit, diese Realität zu beschönigen oder zu verneinen. Während Jahrzehnten wurden Personen oft gegen ihren Willen gefährlichen Behandlungen unterzogen, die gefährlich für ihre Gesundheit waren, schrecklich unangenehm waren (die Ex-Patienten sind quasi einstimmig, was dieses Thema betrifft), und ohne wirklichen Grund durchgeführt wurden (viele Personen, die als psychotisch etikettiert sind, sind nicht wirklich krank, einfach nur einer prinzipiell psychologischen Krise unterworfen).
Heute wird man konstatieren, dass viele Ärzte zugeben, dass Neuroleptika wirklich gefährlich sind...alles währenddem man anfügt, dass die neuen Medikamente, die sogenannten « atypischen Neuroleptika » diese Risiken nicht mehr vorzeigen. Soll man ihnen Glauben schenken ? Oder muss man ein stilles Einverständnis zwischen Psychiatern und der pharmazeutischen Industrie fürchten ?
Eine Sache ist sicher : Man stellt kostspielige Forschungen an, um den sogenannt « psychostischen » Menschen der reichen Länder, von welchen der Zustand von einem medizinischen Standpunkt aus gesehen überhaupt nicht krankhaft ist, zu « helfen », während es in den Tropen allerlei reelle Krakheiten gibt, die wiederholt Schäden anrichten. Heilmittel gegen diese zu finden, wäre sicher sehr viel schwieriger und billiger, als Forschungen über Neuroleptika anzustellen.
Moral und ökonomische Logik passen eben nicht immer gut zusammen...
und noch ein Link:
http://alterpsy.org/de (Archiv-Version vom 09.02.2006)Teuer ist mir der Freund, doch auch den Feind kann ich nützen; zeigt mir der Freund was ich kann, lehrt mich der Feind, was ich soll. (Friedrich von Schiller)
Etwas fürchten und hoffen und sorgen muß der Mensch für den kommenden Morgen, daß er die Schwere des Daseins ertrage und das ermüdende Gleichmaß der Tage.
(Friedrich von Schiller)