caligae168 schrieb:Die Archäologen arbeiten doch auch auf der Basis von „Sieht aus wie“.Warum sollten es die Prae-Astros dann nicht auch dürfen???
Der Witz daran läßt sich mit einem einzigen Wort benennen: Kontext.
Kommt ein "sieht aus wie ein Löwe" im Kontext "afrikanischer Busch" vor, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß es sich um einen Löwen handelt. Mit der Konsequenz, daß man sich in Sicherheit bringen sollte. Lautet der Kontext "Zoo", ist Verweilen und Gaffen ok. Im Kontext "Spielwarenladen" hingegen dürfte es sich um ein Plüschtier handeln. Und ein Metallrohr hat im Kontext "Krieg" den "Siehtauswie"-Wert Gewehrlauf, da reagier ich anders drauf als im Kontext "Baumarkt".
Es gibt aber noch eine andere Art Kontext, nämlich den Kontext des eigenen Verstehenshorizonts. Im Kontext "Krieg" würde ich ein langes Rohr wohl für einen Gewehrlauf halten. Aber ein Indio im Amazonas mag eher an ein Blasrohr denken. Na und wenn ein Hesekiel einen Götterwagen sieht, denkt ein Erich von Däniken gleich an ein Alien-Shuttle. EvD nennt diesen seinen eigenen Verstehenshorizonts-Kontext "Astronautenbrille". Wenn nun aber der Hesekiel "Flügel" sieht und der Erich das für Rotorblätter hält, dann wird deutlich, daß hier die Astronautenbrille versagt. Denn nur wer weiß, wie Hubschrauber-Rotorenblätter funzen, der wird diese auch hinter der Bezeichnung "Flügel" vermuten können. So ein späteisenzeitlicher Hesekiel hingegen, der noch nicht mal die bewegliche Deichsel am Karren kannte, der würde nie und nimmer auf die Idee kommen, solche Rotorenblätter anders als "Bretter", "Stangen" odgl. zu bezeichnen. Wie Flügel sehense ja nicht aus, und daß sowas zum Fliegen dient, da hat er ja keine Peilung von. Hier versagt Erichs Kontext, der kulturelle Kontext, in dem Helis sattsam bekannt sind.
Wenn nun ein Mensch die Felsformation von Yonaguni sieht, mag ihn das visuell an eine Art Bauwerk mit Mauern, Etagen und Treppen erinnern. Weil er eben Bauwerke, Etagen, Treppen kennt. Ein Epipaläolithiker hingegen sähe nur ne Felsformation, eben weil er keine Bauwerke kennt. Und ein Geologe? Der würde zwar ebenfalls womöglich an ein Bauwerk erinnert werden, vor allem aber sieht der dort allenthalben und allüberall nur völlig natürliche Formationen, wie er sie auch von anderswoher kennt, wenn auch nicht in dieser konkreten Kombination.
Der Verstehenskontext des Geologen ist ja nun diese zweite Form von "Kontext", also die Vorstellungswelt, die der Beobachter selbst mitbringt. Zugleich aber ist dies auch die erstbenannte Art Kontext: So ne Felsformation mitten in der Pampa, da ist eben "natürliche Gesteinsformation" zu erwarten. Und sonst gibts da auf Yonaguni am Iseki Point auch keine so alten Hinterlassenschaften von Menschen in direkter Nachbarschaft, geschweige denn Bearbeitungen von anstehendem Fels. Was es dort in der Nachbarschaft gibt, sowohl in Ufernähe an Land als auch nahebei halb im Wasser, das sind weitere ähnliche Felsformationen (Fotos lassen sich davon im Net finden, seit Jahren). Kennt man diesen äußeren Kontext und hat man den "inneren" Kontext (geologische Grundkenntnisse), so ist das eine verdammt gute Grundlage, auf das durchaus korrekte "Siehtauswie" zu kommen. Hat man hingegen keine Ahnung von der Gegend und den dortigen natürlichen (weitere Felsformationen) und artifiziellen Gegebenheiten (Funde der Yomon-Kultur sowohl sehr simpel als auch nicht aus Felsen, vor allem weiter weg), bleibt einem nur der eigene kulturelle Kontext, und man wird an Mauern, Terassen, Treppen etc. erinnert, weil man halt nur sowas kennt. Dieses "sieht aus wie" hat aber eben nur was mit dem eigenen Kenntnisstand (positiv "was ich kenne" wie negativ "was ich alles nicht weiß") zu tun, jedoch nichts mit dem betrachteten Gebilde. Solch ein "sieht aus wie" ist überhaupt nicht gleichwertig mit dem "sieht aus wie", welches den Kontext des Betrachteten selbst beachtet.
Insofern:
caligae168 schrieb:Die Archäologen arbeiten doch auch auf der Basis von „Sieht aus wie“.Warum sollten es die Prae-Astros dann nicht auch dürfen???
Darum dürfen die Präastros das nicht. Weil sie mit der "Astronautenbrille" hantieren, mit ihrer eigenen Unkenntnis der betrachteten antiken Kulturen und deren Hinterlassenschaften. Weil sie den richtigen Kontext ausblenden und ihren eigenen Verstehenskontext da drüberstülpen, der mit den Artefakten, Texten usw. nichts zu tun hat. Sie "finden" Out-of-place-Artefakte, weil sie gar nicht wissen, welche In-place-Artefakte diese Kultur hervorzubringen imstande war.