FlamingO schrieb:Insbesondere, wenn man sich vor Augen hält, wie glimpflich wir hierzulande im Vergleich zu anderen Ländern davongekommen sind. Einschränkungen hinzunehmen, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren, sollte eigentlich als etwas Selbstverständliches aufgefasst werden.
Ja, das ist einer dieser Absurditäten - Großbritannien oder Italien haben ja vorgemacht, wie es aus dem Ruder laufen kann - und läuft, wenn keine Maßnahmen getroffen werden. Das wird verharmlost. Aber es ist ja auch so, dass diese Leute weder Wissenschaftlern noch Politikern glauben, sondern ihr Wissen von veganen Köchen und ähnlichem beziehen - das finde ich auch so unglaublich - sie würden sich ja auch nicht von der Putzfrau im Krankenhaus den Blinddarm rausnehmen lassen, wenn gerade kein Arzt zur Verfügung ist.
Aber das ist glaube ich - um die Kurve zu dem Thread wieder zu bekommen - ein Zeichen dieser Zeit, in der wir leben. Die meisten haben keine Notlage erlebt (extreme Wirtschaftskrise), Krieg oder ähnliches. Man ist gewohnt, dass der eigene Lebensstandard sich zunehmend verbessert und wenn es mal nicht so ist, dann hat man keine Strategien, weigert sich, das zu akzeptieren und hört dann lieber auf Leute, die eigentlich keine Ahnung haben, wissenschaftlich widerlegt werden können, aber zumindest das sagen, was man gerne hört (klappt ja auch auf andere Bereiche bezogen, siehe Bezness ... die Fähigkeit zur abstrakten Meinungsbildung anhand verlässlicher Quellen fehlt da völlig.
Ein anderer Aspekt ist, ist, dass man gewohnt ist, Hilfe zu bekommen - das Geschrei nach dem Staat ging beim Begleichen der Aprilmiete los. Ich möchte gar nicht kleinreden, dass die Krise viele Leute auch finanziell an den Rand treibt, aber die "wer versorgt mich nun?" Mentalität war da schon klar zu erkennen.
Ich hatte ja in der 1990ern ein komplett anderes (Einzel)erlebnis, das aber den Zeitgeist von damals widerspiegelt - ich habe mein Studium ja selbst finanziert und lebte wirklich ein knappes Jahrzehnt (da war die Zeit des Abis noch mit drin, ich war in der Regelstudienzeit fertig) sehr prekär. Die Großstadt (Unistadt) war auch teuer und ich musste alle verfügbaren Strategien verknüpfen, um irgendwie zu überleben. Einmal sah es besonders düster aus und ich beschloss, zur Tafel zu gehen - die wurden damals erst gegründet und hatten noch keine einheitliche Struktur. Es hat mich extrem viel Überwindung gekostet - ich musste eine Vorlesung schwänzen (wegen der Öffnungszeiten) und radelte echt von einem Stadtende zum anderen. Dort musste ich erst mal meinen Fall schildern, saß ein paar Leuten gegenüber, wie ein Tribunal kam es mir vor - um dann sehr rüde abgewiesen zu werden. Die Begründung war auch, dass, wenn ich im Leben so hoch hinauswolle und, wenn der Plan klappe, ich ja dann überdurchschnittlich verdienen würde, man nun eine Zeit der Entbehrungen in Kauf nehmen müsse und es schon vermessen wäre, sich in die Reihe derer, die unverschuldet in Not geraten wären, während meine Not ja aus meiner Entscheidung entstanden war, beruflich höher qualifiziert sein zu wollen. Das würde heute nicht mehr passieren. Wie gesagt - ich wäre damals froh gewesen, wenn sie mir nur eine Packung Nudeln in die Hand gedrückt hätten. Da hat sich auch was verändert.
FerneZukunft schrieb: Anfangs werden fast alle Airlines mit kleineren Flotten den Betrieb starten - ich bin mir aber ganz sicher, dass in ein paar Jahren (es wird sicher Jahre dauern), die Zahl der Flüge wieder das "Vorkrisenniveau" erreichen wird und danach dieses sogar übertreffen wird.
Das denke ich auch - der Urlaubssektor - ist dieses Jahr sehr gebeutelt, aber insgesamt ist Urlaub nun etwas, was sich ein Großteil der Bevölkerungsschicht leisten kann und will. Ich bin in einem Camperforum und was da schon seit Wochen abgeht, ist unglaublich. Man glaubt, dass das Seelenheil jedes Einzelnen wirklich von einer zeitnahen Fernreise - völlig ohne Rücksicht auf Verluste abhängt.
Zur Themenfrage: Ich gehe nun ja scharf auf die 50 zu, aber zu meiner Jugendzeit war man entweder daheim oder verreiste mehr lokal oder halt in die typischen Hotspots nach Malle oder so. Die räumliche Mobilität hat extrem zugenommen - nun fährt der Studienrat zu Beginn seiner Pensionierung halt 50 Tage auf der Aida mit - während er früher schon Rom als besonderes Highlight angesehen hat. Inzwischen fliegen auch Leute zum "Billigurlaub" nach Thailand, die früher nicht mal den Bayrischen Wald gefunden hätten.
abberline schrieb: Das seh ich ähnlich. Klar sind die Einschränkungen nicht so geil, aber mal ernsthaft, man darf raus, die Geschäfte sind auf, die Biergärten und Restaurants sind größtenteils auf... Maske im Geschäft und Abstand halten sind nicht prickelnd, aber meine Güte, das ist derzeit ja nicht grundlos.
Wir hatten ohnehin riesiges Glück - wenn man an die ganzen Länder mit Ausgangssperre denkt. Aber das wird irgendwie nicht so wahrgenommen.