PStanisLove schrieb:So nehme ich die sache auch war. Man muss überall der oder die beste sein.
Dass erinnert mich sehr an früher wo es auch sehr darum ging das perfekte leben zu leben.
Ja, und das verursacht enorm viel Druck ... Ich kann den Druck wahrnehmen, aber nicht sagen, wer ihn in mir erzeugt. Ich bin nun schon entspannter ... Aber ganz weg ist er nicht.
Schaffst du alles ist es auch wieder so, dass dann der Neid zuschlägt. In vielen Fällen. Irgendwie habe ich ganz oft das Gefühl, dass das soziale Miteinander in eine massive Schieflage geraten ist: Fängt im Kleinen an, indem z.B. im Bus für alte Leute nicht mehr aufgestanden wird und man sich auch bei einer Begegnung in der Natur nicht mehr grüßt. Und endet eben bei dem Wettbewerb, wer in welcher Disziplin am besten ist.
In der Grundschule meines Sohnes habe ich das sehr unangenehm wahrgenommen - auch wenn es so eine Kleinigkeit war - da waren einige Mütter, mit beruflich sehr erfolgreichen Männern verheiratet und dementsprechend mit Statussymbolen ausgestattet (Audi, etc.), die haben einen vor der Schule nicht einmal gegrüßt, einfach, um zu zeigen, dass man ihrer Meinung nach in einer anderen Liga spielt ... ich weiß, dass einige andere Mütter da wirklich sehr verletzt waren. Insgesamt hat es eine sehr unkonstruktive Stimmung unter den Eltern erzeugt.
(Fremd)gesteuerte Konsumwünsche spielen auch eine große Rolle. So viele Leute sind verschuldet ... und haben gar keine Gegenwerte mehr daheim, um sich finanziell zu entlasten ... Mich wundert z.B. immer, wenn in unserem Kaff veraufsoffener Sonntag ist - da fahren wirklich Menschen aus anderen Landkreisen her, es kann der schönste Sommertag sein, bei uns gibt es keine Parkplätze, sie fuhren an Wäldern und Seen vorbei oder könnten es sich irgendwo gemütlich machen - stattdessen schieben sie sich wie die Lemminge durch die überfüllte Innenstadt.
PStanisLove schrieb: Man kann auch die Einsamkeit überwinden und auf andere zugehen. Man sollte rausgehen, sich mit leuten treffen und allgemein auch mehr in aktion treten, da gibt es genug Möglichkeiten.
So ganz pauschal kann man das nicht sagen. Meine Erfahrung: das kommt immer auf deinen Status an, wie einfach das ist ... Ich bin mal mit einem langjährigen Freund zusammengezogen - in die Stadt, in der er gearbeitet hat und ich habe es nicht geschafft, Anschluss zu finden. Ich habe in einer anderen Stadt gearbeitet und wenn die Kollegen da spontan weg sind, konnte ich oft nicht ... Ich war irgendwann ziemlich verzweifelt, denn der Freund arbeitete andere Schichten als ich und ich war z.B. am Wochenende oft alleine - und die Tage wirkten ewig lang.
Ich habe dann viel Kulturelles gemacht - allein - und kam mir dann immer noch einsamer vor. Aber ich habe niemanden spontan kennengelernt. Dann hatte ich so eine Phase, wo ich dachte, es muss gehen - ich bin dann einem Verein beigetreten, ich spiele total gerne Brettspiele und bin da in eine Gruppe ... ich hatte dann immerhin Termine außerhalb des Hauses, aber auch mit den Leuten wurde ich nicht so warm ... Heute (anderer Ort) habe ich einen sehr festen Freundeskreis). Schon im Studium war das kein Problem. Ich weiß gar nicht genau, woran das damals lag.
Eirsamkeit ist schon ein Problem ... Auch das fängt im Kleinen an, dass man z.B. oft gar nicht mehr mit den Nachbarn spricht, Grüße nicht erwidert werden, etc.
QueenOfLight schrieb: Ich kann dir versichern, dass du nur so sein kannst, wie du nunmal bist. Du hast keine Wahl! Alles ist Schicksal und vorherbestimmt.
Es gibt komische Schicksalsschläge im Leben und schicksalhafte Begegnungen, aber ich denke, dass du doch die grobe Richtung selbst vorgeben kannst. Klar kann man nicht alles erreichen - bist du eine kleine, stumpige Frau, wirst du nie eine Primaballerina sein ... Da kommt es vermutlich auch darauf an, wie impulsiiv und reflektiert du an Dinge herangehst.
PStanisLove schrieb:Keine ahnung wann die Gesellschaft das letzte mal so konservativ tickte, und warum so erschreckend viele leute auch noch mitmachen und keine Revolution im sinne der späten 60 er oder besser im sinne von Punk anzetteln.
Ich hoffe ehrlich ein wenig auf den Marie Condo und Greta Hype, dass viele Leute ihren Konsum und die dahinter stehenden Wünsche hinterfragen. Irgendwie kommt mir die Gesellschaft so übersättigt vor (ich schließe mich da auch ein). Im Restaurant eines Bekannten waren letztes Jahr ein paar Weihnachtsfeiern, die er bemerkenswert dekadent fand - es ging haufenweise bestelltes Essen zurück "Hauptsache der Chef hat bezahlt", Gläser blieben halbvoll stehen, in einem Fall gab es Schrottwichteln und in einem Fall Spaßwichteln - zurück blieben Unmengen umweltunfreundliches Geschenkpapier und Dinge, die nicht mal billig waren, die man einfach zurückließ ...
Es wird jede Menge konsumiert - auf Kosten der Umwelt, auf Kosten von Billigarbeitern in Ländern, die man gar nicht kennt. All das wird ausgeblendet.
PStanisLove schrieb:Vielleicht ist es noch nicht schlimm und extrem genug. Vielleicht brauchen wir erst extrem viele Amokläufe, extrem gestiegene Scheidungsraten und andere dinge das die Leute aufwachen.
Das wird halt als "Einzelfall" oder "andere haben ein Problem" wahrgenommen. Generell wird die Gesellschaft schon sehr konsumentenfreundlich gesteuert ... als ich mein erstes Kind bekam, wurde z.B. auch noch propagiert, dass man als Mutter drei Jahre daheim bleibt - macht man das heute, wird man total schief angeschaut und wegen der Rente belehrt. Seltsam.
Es hat einfach niemand ein Interesse daran, dass man nicht konsumiert, z.B. und dafür viel Geld verdienen muss.
Als "arme" Studenten hatten wir mal ein ziemlich eindrückliches Erlebnis - wir haben im Garten eines Bed and Breakfasts gezeltet - wir hatten kein Geld für ein B&B und so war das unser Familienurlaub mit zwei kleinen Kindern. Die hatten immer Platz für vier oder fünf Zelte ... neben uns zeltete ein alter Mann, dess Hobby fischen war - er kannte sich in der Gegend super aus, die Kinder waren noch überhaupt nicht im Konsumalter und wir haben eine supertolle Woche erlebt (so billig wie nie wieder) ... wir gingen mit den Kindern im Meer schwimmen, Muscheln sammeln, durften ein Ruderboot ausleihen, erforschten ein unbewohntes Haus, gingen Geocachen, beobachteten wilde Kaninchen, bauten Strandburgen. Der Fischer kochte abends den Fisch und fütterte uns mit durch (ihm ging es nur ums Fangen). Wenn es dunkel und kalt wurde im Zelt, durften wir in das Wohnzimmer der Familie sitzen und spielten dort Monopoly ... abendeweise - oder wir lasen ...
Wir waren so glücklich, entschleunigt, nahe an den Kindern dran, die Kinder waren entspannt ... Milch kauften wir beim Bauern, wir liefen alles (hatten damals kein Auto dabei ....). Trotzdem ist es uns nie mehr gelungen, mit steigendem Alter der Kinder auch, an diese Einfachheit anzuknüpfen. Warum? Ich kann es nicht beantworten. Wir waren nochmal an dem Ort, aber er hatte die Magie verloren, wir wurden eher belächelt oder bedauert, dass unsere finanziellen Mittel nicht "für einen richtigen Urlaub" reichten und wir kamen uns arm vor ...