UNKNOWNbrother schrieb:Wie bist du grundsätzlich damit umgegangen? Sowas muss einen doch schwer belasten? Bist du da so hart im nehmen? Oder hast du dir Hilfe geholt?
@Mila_ @Jordy80 Bei meinen Reisen in Kriegsgebiete war mir schon vorher klar, was mich erwarten würde. Ebenso klar war mir, dass es mich unter Umständen Gesundheit oder Leben kosten könnte. Natürlich stellt man sich die Frage, was man da eigentlich auf sich nimmt und wägt das Risiko ab. Als freier Journalist versichert Dich Dein Arbeitgeber nicht. Keine Unfall- oder Lebensversicherung kommt dafür auf, wenn Du freiwillig in ein Kriegsgebiet reist und dort zu Schaden kommst.
Natürlich habe vorher versucht, mich "mental" auf das einzustellen, was mich möglicherweise erwarten würde. Eine wichtige Rolle spielte auch eine Mischung aus politischer Überzeugung, Einsicht in die Notwendigkeit und Abenteuerlust. Wer jung ist, gibt sich gern mal der Illusion der Unsterblichkeit hin. Schwierig, das aus meiner heutigen Sicht umfassend zu beurteilen.
Natürlich belasten einen solche Erlebnisse. Man ist ja schliesslich kein gefühlloser Eisklotz. Aber im Laufe der Jahre bzw. Jahrzehnte habe ich gelernt, mit diesen Schatten der Vergangenheit umzugehen. Manchmal kommen diese Bilder wieder hoch, gern auch mal vollkommen unerwartet. Aber dann weiss ich: Das ist Vergangenheit. Das tut Dir nichts mehr. Wieder rein in die Kiste des Unterbewusstseins und Deckel zu. Vielleicht hängt es auch von der Persönlichkeit, von den Lebenserfahrungen ab, welches Mass an Resilienz* man schon in frühen Jahren entwickelt hat bzw. entwickeln musste.
Hilfe für das, was man heute als "posttraumatische Belastungsstörung" o.ä. bezeichnet, gab es damals nicht. Auch die TeilnehmerInnen der Weltkriege, die Opfer von Verfolgung, Haft und Folter mussten damals ohne auskommen. Hierzulande und erst recht in anderen Ländern mit einem weniger ausgeprägten Hilfesystem.
*"Resilienz (von lateinisch resilire ‚zurückspringen‘ ‚abprallen‘) oder psychische Widerstandsfähigkeit ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie durch Rückgriff auf persönliche und sozial vermittelte Ressourcen als Anlass für Entwicklungen zu nutzen. Mit Resilienz verwandt sind Entstehung von Gesundheit (Salutogenese), Widerstandsfähigkeit (Hardiness), Bewältigungsstrategie (Coping) und Selbsterhaltung (Autopoiesis).
Das Gegenteil von Resilienz ist Verwundbarkeit (Vulnerabilität)." (Wikipedia)