RachelCreed schrieb: Da rennst du bei mir offene Türen ein. Mit Mitte zwanzig hatte ich eine ähnliche Phase; hab mich mit meiner Familie zerstritten, war in meinem Job todunglücklich und habe mich wie der einsamste Mensch der Welt gefühlt - und bin auf einen völlig kaputten, drogensüchtigen und wegen eines Gewaltverbrechens frisch aus dem Knast entlassenen Typen reingefallen, wenn auch nicht online, sondern im Real Life; wäre mir unter normalen Umständen allerdings niemals passiert.
Ist es danach auch zum Glück nie wieder.
Zyra schrieb:Ja, so würde ich das auch beschreiben. Mehrmalige Treffen über einen längeren Zeitraum hinweg zeigen dann, inwieweit die Vorstellung des Gegenübers auch tatsächlich der Wirklichkeit entspricht und dann können natürlich auch tiefere Gefühle entstehen.
Oh weh. So war es bei mir und Chatliebe #2 auch. Er kam mich nach ca. sechs Monaten Chat besuchen wusste irgendwie, wie ich ticke und hat all das "bedient". Er schrieb wunderschöne Texte, interessierte sich für mich als Person und mein Studium und ich dachte, ich hätte den Mann fürs Leben gefunden. Er war nett und freundlich und schien sehr offen zu sein. Er schrieb wunderschöne Gedichte (auch heute noch, er hat einen Onlineblog). Er las die Literatur, die ich fürs Studium lesen musste und diskutierte sie mit mir. Er kam mit in Vorlesungen. Er sprach von Heirat, Kindern, gemeinsamer Zukunft - alles, was ich mir wünschte.
Mit meiner heutigen Lebenserfahrung gab es schon "rote Flaggen" - so war er schon öfters gekündigt worden (konnte das aber plausibel erklären) und hatte sogar sechs Monate in einem Kloster gelebt - aber der Abt hatte ihm nahegelegt, sich nicht um Aufnahme zu bemühen, da er sie ablehnen würde. Das hat für mich keinen Sinn gemacht - und nicht zu dem Menschen gepasst, den ich zunächst kennenlernte. Er gab als Motiv für den Klostereintritt auch an, dass er eine Richtung im Leben vermisste und überlegt habe, ob der Sinn seines Lebens sei, andere Menschen zu unterstützen. Es klang alles so reflektiert und sympathisch.
Es war auch eine Fernbeziehung und für die paar Tage, wo wir uns sahen, riss er sich zusammen, da verliebte ich mich echt. Wir gingen dann auch eine Woche zelten und er ließ sich so nette Dinge einfallen (Candlelightdinner mit Picknicktisch am Strand) - das war ja das, was ich mir total wünschte, dass sich jemand um mich bemühte. Immer öfter hatte er dann aber Stimmungschwankungen, konnte richtig abweisend und gemein werden - am Anfang nur tageweise, dann aber länger. Es war wie zwei völlig unterschiedliche Menschen. Und plötzlich machten auch die Kündigungen, Kontaktabbrüche, etc. die er erlebte, Sinn.
Das machte es für mich so schwer, weil er einerseits "Mr Right" war, andererseits ein richtiger Arsch ... ich habe zunächst Entschuldigungen gefunden - aber glücklicherweise irgendwann kapiert, dass vermutlich die zweite Seite immer da sein würde und ich nicht die Beziehung führen könnte, die ich wollte. "Dodged a bullet" - weil er so widersprüchlich war, habe ich ihn Jahre später gegoogelt und bin auf den Blog gestoßen - es sind massive psychische Probleme dazu gekommen, Lücken im Lebenslauf (Haft? Stationäre Klinikaufenthalte?) er ist sehr allein, wirkt im Blog immer noch sehr sympathisch und einsam ... Ich hätte ein Leben voll Höhen und Tiefen erlebt, wären wir zusammen geblieben. Vor allem Tiefen. Er lebt nun wieder bei seinen Eltern, die sind sehr nett und waren immer voller Sorge.