@hallo-ho Das kann man durchaus nicht generalisieren. Es ist zwar unter anderem zu beobachten, dass sich Neumitglieder, die aus Überzeugung eine Religion gewechselt haben, besonders fromm und streng verhalten. Möglicherweise wegen der konkreten, willentlichen Entscheidung für eine Religion und vorherigen Beschäftigung mit derselben.
Allerdings muss man, glaube ich, 2 Punkte bedenken: zum einen das Konzept einer multiplen religiösen Identität und zum anderen die Tatsache, dass es auch nicht unbedingt leicht fällt, sich völlig von der alten Religion loszusagen.
Hinter der klassischen Vorstellung von Konversion steht die Überzeugung, man könne nur EINER Religion zur gleichen Zeit angehören.
Allerdings besitzen die meisten Menschen schon unabhängig von Religion mehrere Identitäten. Das bedeutet nicht, dass sie gespaltene Persönlichkeiten sind, sondern vielmehr, dass sie eine große Identität haben, die aus vielen Komponenten besteht.
Stell es dir so vor: man versteht sich als Deutscher und Libanese. Denn man ist im Libanon geboren und war dort regelmäßig zu Besuch bei den Großeltern. Man ist aber in Deutschland aufgewachsen und hat hier seinen Lebensmittelpunkt. Man ist Teil eines Fußballteams und arbeitet bei der Firma ,,Kcs finest". Außerdem ist man verheiratet und hat 2 Kinder.
Man ist zwar
eine Person, mit
einer übergeordneten Identität. Aber die Kinder, die Ehefrau, die Arbeitskollegen, die Freunde beim Fußball bekommen nie haargenau die gleiche Person in Gänze zu sehen. Sondern immer ,,ihren" Vater, Freund, Kollegen, Ehemann.
Ein Maßstab ist, ob Kohärenz bezüglich der Identität vorliegt, also ein nachvollziehbarer Sinnzusammenhang.
Etwas ähnliches kann theoretisch auch bei Religionen entstehen. Man fühlt sich angezogen und überzeugt vom Christentum, man möchte aber beispielsweise keinen krassen Bruch mit dem Islam, da man gerne den Kontakt zu Eltern und Freunden halten möchte. Auch rechtliche Faktoren spielen eine Rolle, man möchte beispielsweise nicht die Elternschaft für ein Kind verlieren, weil man den Glauben gewechselt hat. Das kann tatsächlich eine Folge in Ländern mit strenger islamischer Tradition sein.
Jemand, der in zwei Welten zu Hause ist, könnte direkt und indirekt als Botschafter zwischen zwei Welten fungieren -> ja, Ayshe gehört zum Christentum, aber auch zum Islam.
Der Erfolg hängt selbstverständlich auch von der Dialogbereitschaft der Beteiligten ab.
Das sich die Sackgesichter von Taliban und IS oder die iranischen Hardcoremullahs beispielsweise nicht drüber freuen, ist klar.
Aber die spielen in Deutschland zum Glück keine Geige.