Interessant, wie
@interrobang es geschafft hat, seinen eigenen Thread zu zertrollen.
Es genügt nicht, bei Nachfragen zu einzelnen Argumenten immer nur einen Artikel zu verlinken und darauf hinzuweisen, dass da alles drinsteht. Der Artikel beschreibt kontroverse Argumente und bezieht dann Position, aber anhand anderer Argumente könnte man ebenso gut zu einem anderen Schluss kommen.
Narrenschiffer schrieb:Ich habe noch nie einen erwachsenen Mann mit einem Federschmuck durch die Gegend laufen sehen. Mir erschließt sich der Sinn des von dir verlinkten Textes nicht.
Ein so irrelevantes Argument habe ich selten gelesen. Hierzu fand sich in einem der zahlreich verlinkten Artikel folgende aufschlussreiche Tafel:
https://iheartthreadbared.files.wordpress.com/2010/04/3223223918_8c26b9105d_o.jpgDie sollte man beherzigen, wenn es um irgendwas mit Rassismus geht.
Narrenschiffer schrieb:Ich finde da nur was von kommerziellem Streit mit einer Firma namens Urban Outfitters:
https://iheartthreadbared.wordpress.com/2010/04/21/linkage-the-feather-in-your-native-cap/
Das ist ein ganzer Artikel zum Thema, in dem der Streit mit UO nur ein Aspekt ist. Man sollte seine eigenen Quellen gelesen haben, und nicht nur auf die Bilder geguckt.
Narrenschiffer schrieb:Interessant auch der Besitzer von Urban Outfitters, Richard Hayne, denn der eckt überall an. So zum Beispiel mit seinem Eintreten für Gleichberechtigung Homosexueller. Und das seit Jahrzehnten.
Ähm... da sollte man besser informiert sein. Nur, weil jemand einen Slogan auf ein T-Shirt druckt, ist er noch lange kein Vorkämpfer für die Idee. Näheres dazu hier:
http://www.upworthy.com/here-are-5-of-many-reasons-i-no-longer-shop-at-urban-outfitters-hopefully-youll-join-meUnd im Übrigen wurde UO erfolgreich von den Navajos verklagt, weil sie Schlüpper im "Navajo-Design" verkauften. Es gibt also auch juristische Grenzen von Aneignung kultureller Symbole.
:note:interrobang schrieb:Gut, du willst also das Kulturen Homogen bleiben und sich nicht vermischen bzw verändern. Das is im grunde das problem worum es mir in dem Tread geht.. Is immerhin ein fortschritt...
Das ist hingegen die unsinnigste Unterstellung, die ich seit langem gelesen habe, wenn man die Userin kennt und die Diskussion hier verfolgt hat. Man sollte nicht versuchen, so vielschichtige, komplizierte Fragen und entsprechend diffenenzierte Argumentationen wie diese auf Ein-Satz-Slogans zu reduzieren... aber das fällt natürlich sehr schwer, wenn man generell zu Einzeilern neigt.
interrobang schrieb:Es läuft nunmal darauf hinaus das Kulturen rein gehalten werden sollen. Objekt xy ist nur für Kultur yz.
Nein. Aber dazu kommen wir später.
Tussinelda schrieb:Natürlich kann eine Kultur sexistisch sein, aber wieso sollte es dann die sein, die sie beschreibt? Insbesondere, wenn es sich um eine Frau handelt?
Tussinelda schrieb: Auch kann man nicht sexistisch gegenüber sich selbst sein.
Beides ist allerdings in der Verkürzung auch nicht richtig, da eine Frau, die sagt, dass Frauen zum Kinderkriegen und Kochen da sind und Männer als Krieger geboren werden, durchaus sexistisch auch gegenüber sich selbst ist.
Allerdings schreibt die Frau in dem betreffenden Artikel nicht, dass Frauen ihres Stammes nicht emanzipiert sein dürfen... sie beschreibt
traditionelle Attribute, die per Verdienst erworben werden konnten, und die innerhalb der Kultur sehr ernst genommen werden.
Das muss man zunächst mal so hinnehmen, und es dem Stamm selbst überlassen, ob künftig auch Frauen einen solchen Kopfschmuck tragen könnten, wenn sie als Soldatinnen für den Stamm gekämpft haben.
Narrenschiffer schrieb:Es gibt sogar sexistische selbsternannte Feministinnen in der schwedischen Regierung, die den Kopftuch-Kotau vor iranischen Mullahs zelebrieren.
Es ist nicht sexistisch, den Bekleidungsvorschriften eines anderen Landes zu folgen, sondern überall auf der Erde diplomatischer Standard. Im Übrigen tragen die Frauen die Kopftücher entgegen der Vorschrift so, dass die Haare noch zu sehen sind, bei der links hängt es gerade noch auf dem Hinterkopf, was Du bei dieser Dame:
Narrenschiffer schrieb:Die australische Außenministerin Julie Bishop hat das Gesetz auch nicht gebrochen, aber sich dabei nicht lächerlich gemacht. Bei Aufnahmen von vorne ist das Kopftuch nicht mal zu sehen.
ausdrücklich lobst.
Da hast Du Dir jetzt per Bildbeweis Dein eigenes Argument zerschossen, denn es geht ganz offensichtlich darum, nur symbolisch der Vorschrift Genüge zu tun.
Im Übrigen hat die Kopftuchfrage hier nichts zu suchen.
Wie schade, dass die Diskussion hier eingeschlafen ist, es hätte interessant werden können.
Denn um zu beurteilen, wie rassistisch ein Verhalten ist, kommt es ja nicht nur darauf an, was die sich diskriminiert fühlende Gruppe als relevant betrachtet, sondern man muss auch die Kultur berücksichtigen, die sich diskriminierend verhält, und warum sie das tut, auf welchen Ebenen u.s.w..
In Europa und dem "weißen" USA ist es jahrtausende alter Teil der
Kultur, andere Kulturen nachzuahmen, zu adaptieren, zu kommerzialisieren und zuletzt komplett zu vereinnahmen.
Die Römer kopierten die Griechen, samt dem Baustil der Heiligtümer und der Religion, sie trugen die blonden Haare der Germaninnen als Perücken, und nahmen allgemein viel aus allen Kulturen auf, mit denen sie in Berührung kamen.
Dei Deutschen betrachten gerade ihre Denker und Philosophen als wichtigen Teil ihrer Kultur... und die hatten allesamt die lateinischen Philosophen gelesen, waren von der französischen Revolution inspiriert, schrieben französische Märchen zu deutschen um, hatten eine fremde Religion angenommen, und verkitschten die Germanen hemmungslos. Viele schrieben in Französisch. Wie entzückt man war, dass die Königin Louise von Preußen tatsächlich Briefe auf Deutsch verfasste!
Spätestens seit der Industrialisierung wurde alles, was an fremder Kultur zu vermarkten war, hemmungslos vermarktet. Dass man irgend einen Heiligen aus irgend einer Religion herumstehen hat, weil er ins Ambiente passt, Symbole wahllos zu Stoff- und Tapetenmustern verarbeitet oder sich heutzutage tätowieren lässt - noch ein aus dem kulturellen Kontext gerissenes Attribut -, dass man schamlos Küchenrezepte fremder Kulturen "adaptiert" und als Fastfood vermarktet, dass man Begriffe aus anderen Sprachen und die heiligsten Symbole fremder Kulturen benutzt .... das gehört schon lange zu unserer Kultur dazu.
Und wo es noch Ursprüngliches gibt, wie die Trachtenkultur in Bayern, wird das ebenso hemmungslos vermarktet und adaptiert, bis es jeglichen Kontext verloren hat.
Wie leben selbst in einer Kultur, deren Stärke es schon lange war, fremde Einflüsse aufzunehmen und für sich zu vereinnahmen.
Diese Aufnahme- und Wandlungsfähigkeit, aber auch die damit einher gehende Respektlosigkeit gegenüber anderen Kulturen (die nur relevant scheinen, sofern sie in irgend einem Aspekt eindeutig überlegen oder gut zu vermarkten sind), ist die Basis der US-Amerikanischen Kultur geworden.
Die ersten Interessen an dem Kontinent und Kontakte zu den Indianern waren nicht zufällig kommerzieller Natur.
Das muss man im Kopf behalten, wenn man darüber diskutiert, wie diskriminierend etwas gegenüber z.B. indianischen Stämmen ist, aber auch, wie respektlos man gegenüber heiligen Symbolen anderen Religionen sein darf u.s.w..
Man muss aber auch etwas anderes berücksichtigen: Es gibt auch eine lange Kultur des respektlosen Spottes in Europa. Hier ist fast nichts so unantastbar wie die Bedeutung eines Federschmucks für einen Plains-Indianer oder ein Koran für einen gläubigen Muslim.
Fasching und Karneval waren immer explizit dazu da, um mit nicht-christlichen Gebräuchen der Kirche ein Schnippchen zu schlagen, um sich über Obrigkeiten und alles, was gerade Thema war, lustig zu machen oder auch beißende Kritik loszuwerden. Nicht selten wurde versucht, das zu verbieten - auch ein Aspekt der in unserer Kultur ständig fortgesetzten Auseinandersetzung um Meinungsfreiheit und individuelle Freiheit.
Und natürlich wurde sich darum auch immer als Prinzessin (Symbol für eine auf reine dekorative und fortpflanzende Rolle beschränkte Frau, Inbegriff sexistischer und obendrein unterdrückerischer Strukturen!), Mönch, König, Soldat, Indianer, Blumenfrau, ... als
Stereotyp verkleidet. Eben
um es zu hinterfragen.
Daher ist es uns einigermaßen wurst, wenn andere im Dirndl rumlaufen und unsere Kultur auf alle erdenklichen anderen Arten kommerziell verwurstet wird (bis zum Nachbau ganzer Dörfer in China), oder darüber gespottet wird... wir tun es ja selbst. Wir fühlen uns dadurch vielleicht verhohnepiepelt, aber nicht diskriminiert.
Wenn jemand meint, dass man aus Fertig-Tortenboden mit "Icing" aus der Dose und ein bisschen Kirschmarmelade eine Schwarzwälder Kirschtorte backen kann, dann tut er uns höchstens leid, aber wir fühlen und nicht kulturell angepisst.
Das einzige, was wir (bis auf einen kleinen rebellischen Rest) verbissen "heilig" halten und auch ehrlich als verletzend empfinden, wenn jemand drauf sch****t, ist: Die historische Wahrheit, die Naziverbrechen und den Holocaust betreffend. Aber das ist ein anderes Thema.
Da, wo diese Spott- und Adaptions-Kultur fehlt, oder andere Inhalte hat, wird unser Verhalten als diskriminierend empfunden, denn wo nicht nur vom Einzelnen, sondern einer ganzen Gruppe ein
ureigen kulturellesSymbol noch mit allen Implikationen ernst genommen wird, da fühlt man sich auch persönlich verletzt, wenn jemand es missbraucht, kommerzialisiert oder darüber spottet.
Dort findet das uns vollkommen natürlich vorkommende ständige Hinterfragen ("Was soll das Symbol? Welche Inhalte verkörpert es? Finde ich die uneingeschränkt gut? Und wenn ich sie verstanden habe: wozu brauche ich dann noch das Symbol? Wird ein Stück schnödes Material heilig, wenn ich daraus etwas schaffe, was eine heilige Bedeutung hat?......." ) nicht statt.
Allerdings muss eine solche Diskussion auch gar nicht stattfinden, wenn kein Bedarf danach ist - oder wenn in ständiger Diskussion darüber immer wieder zu dem Schluss gekommen wird, dass das Symbol als elementarer Teil der Kultur zu schützen ist (wie die Wahrheit über den Holocaust).
Es ist also grundsätzlich die Frage, von wem und in welchem Kontext welches Symbol einer Kultur verwendet wird.
Wo wie im Karneval grundsätzlich doppelbödiger Spott an allem und jedem betrieben wird, auch indem die Stereotypen der Unterdrückten denen der Obrigkeit gegenüber gestellt werden, ist auch ein Indianerkostüm eben nicht diskriminierend, sondern kann als Symbol für Rebellion und gesehen werden. Es ist ebenso wie die kleine Prinzessin weder Verherrlichung von veralteten, sexistischen, autoritären Strukturen, noch ist es Respektlosigkeit. Es wird überhaupt nicht der Anspruch an kulturelle Authentiztität erhoben, oder an gesamtkulturellen Kontext. Es geht nur um das Schlüpfen in eine andere Rolle für einen Tag... eine, die der Lebensrealität so entfernt wie möglich ist.
Da könnte man sich von denen, deren Attribute für einen Tag entliehen werden, wünschen, dass sie auch diese speziell unserer Kultur eigene Tradition berücksichtigen, bevor sie sie als Diskriminierung verurteilen.
Anders ist zu sehen, wenn gerade eine US-amerikanische Firma mit "Navajo"-Stoffmustern auf Damenhöschen wirbt. Das is aber im gleichen Kontext, als würde man versuchen, echten Champagner aus China zu verkaufen oder Parmesan aus Analogkäse. Für die jeweiligen eigentlichen Erfinder ist eine solche Ausbeutung ihrer kulturellen Errungenschaften nicht tolerierbar. Wäre die Schwarzwälder Kirschtorte eine anerkannte Erfindung einer speziellen Region, könnte man dafür die gleichen Ansprüche erheben.
Allerdings muss man sich auch als Hüter einer solchen kulturellen Errungenschaft darüber klar sein, dass gerade viele dieser Erfindungen ohne vorherigen kulturellen Austausch und eigene Adaption nicht stattgefunden hätten. Z.B. haben sich heutige Navajo-Webmuster durch die Einführung von moderneren Webstühlen und Färbefarben entwickelt, Garn wurde importiert, die Händler nahmen Einfluss auf die Entwicklung der Muster.
Wikipedia: Navajo weavingTrotzdem stellt die Webkunst insofern eine Navajo-Tradition dar, als die fremden Einflüsse in die eigene Kunst
integriert wurden.
Hier geht es also vor allem um (berechtigte) kommerzielle Interessen, da muss man nicht so tun, als wären die Stoffmuster oder Champagner-Rezepte quasi religiöses Heiligtum, und sich diskriminiert fühlen... nicht jede Ausbeutung ist Diskriminierung. Selbst zwischen den Navajos gibt es eine Diskussion darüber, ob es ok ist, religiöse Symbole in für kommerzielle Zwecke hergestellte Decken oder Teppiche einzuweben.
Einig kann man sich aber darin sein, dass der Federschmuck eines Kriegers niemals für den Handel hergestellt wurde und eine andere kulturelle Bedeutung hat, als die Webkunst.
Zuletzt und eigentlich geht es noch um respekt- oder zumindest gedankenlosen Umgang mit religiösen Symbolen. Die einen berufen sich auf ihre aufgeklärte Kultur und behaupten, das sei eben eine Freiheit, nichts heilig zu finden. Die anderen weisen zu Recht auf eine gewisse Einseitigkeit der (Macht-)Verhältnisse und ein immerhin verbrieftes Recht auf Religionsausübung und respektvollen Umgang mit religiösen Symbolen... Respekt bedeutet ja nun nicht, dem anderen zu erklären, dass er nicht so empfindlich sein soll, weil nicht empfindlich sein eine kulturelle Errungenschaft sei.
Und die Lösung ist: Gar keine. Es wird eine ständige Diskussion bleiben, wenn es gut läuft. Wenn es schlecht läuft, werden dazu spezielle Gesetze erlassen und ein Status Quo erschaffen, der einem das Nachdenken und die Auseinandersetzung erspart.
Hier ist eine Slideshow mit Fotos von Leuten, die auf Festivals Federschmuck tragen.
Manche sind wirklich lächerliche Karikaturen, andere eindeutig Faschingsverkleidung, manche imitieren aber die Originale und noch andere haben den Federschmuck zu einem Fantasy-Kostüm transformiert. Bei letzterem müsste man schon wieder künstlerische Freiheit zugestehen (vor allem bei dem Iro aus Gräsern), da scheint auch durchaus irgend eine Auseinandersetzung mit den Inhalten stattzufinden. Bei anderen kann ich nachvollziehen, wenn traditionelle Indianer sich diskriminiert fühlen.
Man kann da vielleicht ganz gut die sehr verschwommenen Grenzen zwischen kultureller Ausbeutung und kreativer Inspiration sehen.