Obdachlos werden
26.11.2014 um 23:50
Ich musste mich im letzten Jahr stark mit dem Thema "Obdachlosigkeit" auseinandersetzen. Ich war zwar selbst nicht akut bedroht, weil ich mich in einer stationären Reha befand, aber die Bezüge wurden mir trotzdem gestrichen, sodass ich unter normalen Umständen eigentlich aus meiner Wohnung hätte fliegen müssen. Meine Mutter hat mir da aber zum Glück unter die Arme gegriffen.
Meine Situation: Ich, psychisch krank, war ursprünglich noch als Erzieherin in Ausbildung gemeldet, hätte also Bafög beziehen müssen. Da ich es aber psychisch nicht verkraftet hätte, persönlich in der Schule vorbeizuschauen und die mir auch keine Schulbescheinigung zuschicken wollten, weil sowieso klar war, dass ich eher früher als später abbrechen würde, konnte ich das aber nicht mehr beantragen. Über andere Wege, z.B. mittels der Halbwaisenrente, die ich damals noch bezog, konnte ich zumindest die Miete für mein WG-Zimmer und das Nötigste an Essen finanzieren. schon zu dem Zeitpunkt bin ich aber auf dem Zahnfleisch gelaufen.
Dann begann ich im Februar letzten Jahres meine Reha. Zuerst eine medizinische, um wieder fit zu werden, ab Sommer dann in der selben Einrichtung eine berufliche für die Wiedereingliederung ins Arbeitsleben. Schule und Bafög waren also kein Thema mehr, stattdessen stand nun H4 an. Das bekam ich allerdings nicht zugesprochen. Bei der Agentur berief man sich darauf, dass ich mit 2 Stunden Arbeitszeit am Anfang kein Fall für die Agentur, sondern das Sozialamt wäre. Dass ich mich bei der Arbeitserprobung binnen eines Monats auf vier Stunden steigerte und man deshalb doch für mich zuständig gewesen wäre, ließ man außer Acht.
Gerade deshalb weigerte sich aber auch das Sozialamt zu zahlen und verwies zurück auf die Agentur. Vollends abstrus wurde es aber, als ich im Sommer von der medizinischen in die berufliche Reha wechselte. Die erste hatte die Krankenkasse gezahlt, die berufliche übernahm dann allerdings die Agentur. H4 bekam ich aber weiterhin nicht. Die Begründung: Irgendeine agenturinterne Regelung, die es eigentlich erfordert hätte, dass zwischen den beiden Rehas mindestens ein Tag Pause liegt. Deshalb sei weiterhin das Sozialamt für mich zuständig. Dass meinen Antrag aber auch dieses Mal ablehnte, weil ihm nun einmal vollkommen egal ist, was die Agentur intern und ohne Gesetzesbezug beschließt.
Die Sache wurde dann ganz blöd, als meine Betreuerin, die ich mittlerweile hatte, das Sozialgericht hinzuzog, damit dieses eine Entscheidung trifft. Der Richter war wohl etwas blind, jedenfalls stellte sich später heraus, dass er eine Zahl in der Beurteilung, die meine Rehaeinrichtung für mich schrieb, falsch gelesen hatte. Dort stand klar, dass ich mich auf dem besten Wege befand, wieder 8 Stunden täglich arbeitsfähig zu sein. Stattdessen las er wohl eine 3, was bedeutet hätte, dass das Sozialamt für mich zuständig gewesen wäre. Auf richterlichen Beschluss hin sollte dieses zumindest für das nächste halbe Jahr zahlen. Da das aber absoluter Quatsch war, ging das in Revision und ich sah kein Geld.
Übel wurde das unter anderem, als ich nach dem Ende meiner Reha Anfang Januar Ende des selben Monats noch meine Umschulung beginnen wollte. Da das Sozialamt aufgrund des Beschlusses hätte zahlen müssen und die sich logischerweise weigerten, stand meine Umschulung und somit meine Zukunft auf der Kippe. Ich muss aber sagen, dass ich einen sehr guten Sachbearbeiter hatte. Nachdem er ein paar Kollegen per Telefon beschimpft hatte und auf seinen Vorgesetzten eingeredet hat, dufte ich die Umschulung dann doch schon im Januar beginnen.
Das H4-Geld für die Zeit meiner beruflichen Reha habe ich mittlerweile nachgezahlt bekommen. Für die Zeit zwischen Februar und Juli läuft nach wie vor ein Gerichtsverfahren, allerdings kann sich das noch hinziehen. Laut meiner Betreuerin sehe ich da in frühestens zwei Jahren eine Entscheidung. Allerdings bringt mir all das schöne Geld jetzt auch nicht mehr so viel, wie es mir zu dem Zeitpunkt gebracht hätte, an dem es mir ursprünglich zustand.
Man hat sich bei allen Ämtern immer schön damit rausgeredet, dass ich in einer stationären Einrichtung und somit versorgt war. Dass ich nebenbei noch eine Wohnung hatte, für die Miete zu zahlen war, dass ich Verträge abgeschlossen hatte, die bezahlt werden wollten oder dass ich nun manchmal auch neue Kleidung, Pflegeprodukte und ähnliches brauchte oder einfach etwas anderes als Leitungswasser trinken wollte - denen doch egal. Die Unterbringung besagte ja nur, dass ich ein warmes Zimmer mit Strom und Essen hatte. Davon allein lässt sich aber auf Dauer auch nicht menschenwürdig leben, zumal ich in der Einrichtung war, um psychisch wieder auf den Damm zu kommen.
Ohne den ganzen Mist hätte ich mir bestimmt die eine oder andere Beruhigungstablette ersparen können. Aber der Agentur ging es eben niemals darum, ob ich gesund werde, sondern nur dass ich vorerst aus der Statistik draußen bin und möglichst auch in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar.