Allgemeinwissen gibt es das noch? Was passiert in unseren Schulen?

Meiner Meinung nach sollte der Unterricht in den Schulen zumindest in Teilen grundlegend refomiert werden. Das Interpretieren und Durchkauen von Schiller-Texten in dem Ausmaß, wie es an deutschen Schulen praktiziert wird, bringt keinen Schüler im Leben weiter. Gerne können solche Dinge in einem Literatur-Fach durchgenommen werden, aber als Hauptthemenfeld im Deutsch-Unterricht, wo parallel so viele Menschen Probleme mit der eigenen Sprache haben, halte ich das für nicht sehr zielführend.

Wichtiger wäre es, Schülern elementare Dinge beizubringen, die wirklich JEDER braucht oder als Erwachsener können muss oder sollte. Wie fülle ich eine Steuererklärung aus? Was bringen Lebensversicherungen? Wie erlange ich Medienkompetenz? Was muss ich über gesunde Ernährung wissen? Dies alles wird in der Schule nicht gelehrt, doch angeblich lerne man dort doch für's Leben. In gewisser Weise werden Schüler aber zu Fachidioten erzogen, die in nicht so relevanten Themen dann zwar ganz viel Ahnung haben, in relevanten dann jedoch wenig bis keine.

Scox schrieb:Wie fülle ich eine Steuererklärung aus? Was bringen Lebensversicherungen? Wie erlange ich Medienkompetenz? Was muss ich über gesunde Ernährung wissen? Dies alles wird in der Schule nicht gelehrt, doch angeblich lerne man dort doch für's Leben. In gewisser Weise werden Schüler aber zu Fachidioten erzogen, die in nicht so relevanten Themen dann zwar ganz viel Ahnung haben, in relevanten dann jedoch wenig bis keine.

Die Schule soll einen auf den Beruf / Studium vorbereiten indem sie ein möglichst breites Spektrum an Wissen abdeckt und dort die Basics vermittelt damit man herausfindet was einem ungefähr liegt.
Und genau das tut die Schule.

Ist es so viel verlangt auchmal den Eltern etwas verantwortung zu geben?
Das sie sich zb. mal beim Steuererklärung ausfüllen oder Überweisungen tätigen mit ihren Kindern hinsetzen und das erklären?

Nerok schrieb:Die Schule soll einen auf den Beruf / Studium vorbereiten indem sie ein möglichst breites Spektrum an Wissen abdeckt und dort die Basics vermittelt damit man herausfindet was einem ungefähr liegt.

Schön und gut, aber dafür muss kein kompletter Leistungskurs mit hoher Stundentaktung mit Analysen von Gedichten oder sonstwelchem unnützen Kram vollgestopft sein. Natürlich soll so was schon vermittelt werden, aber nicht mit derartiger Intensität. Ansonsten soll dafür eben ein neues Fach 'Literatur' angeboten werden. Auch im Englisch-Unterricht ist es doch absolute Zeit- und Energieverschwendung, Klausuren über Shakespeare schreiben zu müssen. Der Unterricht soll dich befähigen, in vernünftigem Englisch einigermaßen flüssig sprechen zu können, und dich der britischen/australischen/amerikanischen Kultur näherbringen. Shakespeare darf auch hier gerne behandelt werden, aber seitenlange Interpretationen seiner Werke sind schlicht sinnlos.

Nerok schrieb:Ist es so viel verlangt auchmal den Eltern etwas verantwortung zu geben?

Nö. Gestaltet sich allerdings bei Eltern, die in Vollzeit arbeiten müssen und ihr Kind in die Ganztagsschule stecken, recht schwierig. Die überwiegende Zeit verbringen Kinder heute ja in der Schule, und nicht zu Hause oder in Freizeit. Schon gar nicht die armen G8er.

Nerok schrieb:Das sie sich zb. mal beim Steuererklärung ausfüllen oder Überweisungen tätigen mit ihren Kindern hinsetzen und das erklären?

Für eine Institution, die sich auf die Fahne schreibt, Kindern etwas für's Leben beizubringen, sollte es nicht zu viel verlangt sein, solche elementaren Dinge in den Stundenplan zu packen. Es fällt ja sogar den Schülern selbst schon auf.

Scox schrieb:Meiner Meinung nach sollte der Unterricht in den Schulen zumindest in Teilen grundlegend refomiert werden. Das Interpretieren und Durchkauen von Schiller-Texten in dem Ausmaß, wie es an deutschen Schulen praktiziert wird, bringt keinen Schüler im Leben weiter.

Richtig!
Schule sollte vor allem aber Interesse wecken. Kinder sind Neugierig. Das wird ihnen aber durch das stumpfe durchkauen von Informationen abtrainiert. Was bringt es zu wissen wer Schiller war bzw. die Texte zu kennen wenn man sich dafür nicht interessiert. Warum sollte man französisch können wenn man die Sprache hasst?

Es gibt Basics sie man können muss: Grundrechenarten, Rechtschreibung, Englisch und Informatik aber sonst sollte sich doch alles nach der Neugier der Schüler richten.

@Scox

Ich musste solche Dinge auch selber "lernen". Mir wurde in der Schule auch nicht beigebracht wie ich Strom anmelde, wie und wann eine Steuererklärung gemacht wird usw. Da muss man halt selber durch.

Scox schrieb:Für eine Institution, die sich auf die Fahne schreibt, Kindern etwas für's Leben beizubringen

Das machen sie (manchmal :) ) auch... etwas für's Leben beibringen, nicht alles :)
Hier ist das Problem das ich diverse Fächer/Themen eben durchziehen muss, da niemand weiss ob es nicht mal gebraucht wird. Ich habe in meinem Bekanntenkreis mind. zwei junge Menschen, die über die Volljährigkeit hinaus keine Ahnung haben, was sie beruflich machen/werden wollen.

Also muss eben "jeder" "alles" lernen :D

Ich werd dafür jetzt vielleicht nicht gemocht, aber:

Meist ist es irgendwie schon so, dass der sinn des in der schule vermittelten wissens genau von denen angezweifelt wird, die mit Bildung danach weniger viel zu tun haben :cat:

Ich habe vor meinem Studium eine kaufmännische Lehre im Gross- und Aussenhandel gemacht. 3/4 der Klasse konnten keinen Dreisatz.
Mittlerweile wird einem das ja im Supermarkt schon abgenommen.
Jetzt scheint das Problem zu sein wie man Preise, die sich auf 100 Gramm beziehen mit Preisen vergleicht, die sich auf 1 Kilo beziehen.

@Scox

Gedichtsanalysen und generelle analysen in deutsch z.b. sind durchaus wichtig für die lese und verständniskompetenz von texten.

Die geschichtlichen hintergründe vielleicht weniger, aber auf denen liegt auch nur ein geringer fokus.

Es gibt genug leute die nicht zwischen den zeilen lesen können, keine statistiken vergleichen können und keine schaubilder erklären können, und genau deswegen braucht man solchen unterricht.

@Negev

Das stumpfe Durchkauen von Informationen ist auch so ein Problem. Manchmal kann man den Eindruck gewinnen, die Schule mache viele zu einfachen Ja-Sagern, die einfach nur vorgegebene Inhalte nachplappern. Es wird Schablonenwissen vermittelt, welches in den Klausuren nach vorgegebenen Regeln abgefragt wird. Eigene Schlussfolgerungen oder Gedanken - Kreativität - werden kaum gefördert, sondern v.a. das Auswendiglernen und Wiedergeben. Das ist es, was den Unterschied zwischen einer '1' und einer '3' in einer Klausur ausmachen kann.

@Hawkster

Hawkster schrieb:Ich habe in meinem Bekanntenkreis mind. zwei junge Menschen, die über die Volljährigkeit hinaus keine Ahnung haben, was sie beruflich machen/werden wollen.

Kein Wunder bei der Fülle an Möglichkeiten heutzutage. Aber ist das nicht eigtl. traurig, wo diese Institution doch genau das tun soll - nämlich berufliche Interessen wecken, und am Ende sind die Schüler nicht schlauer als vorher?

@shionoro

shionoro schrieb:Gedichtsanalysen und generelle analysen in deutsch z.b. sind durchaus wichtig für die lese und verständniskompetenz von texten.

Sehe ich anders. Die Sprache ist eine ganz andere als die, die wir heute sprechen. Kein Schüler hat etwas davon, überschnörkeltes und vollkommen altmodisches Deutsch oder Englisch zu lernen. Einen Überblick gewinnen - ja, aber durchnudeln bis zur Hirnerweichung - nein.

shionoro schrieb:Es gibt genug leute die nicht zwischen den zeilen lesen können, keine statistiken vergleichen können und keine schaubilder erklären können, und genau deswegen braucht man solchen unterricht.

Zwischen den Zeilen lesen können heißt auch kreativ zu sein. Unser Schulsystem fördert Kreativität leider nicht gerade. Generell mangelt es auch an Vermittlung deiner aufgezählten Punkte, ja. Hat aber nichts mit Shakespeare, Goethe oder Theodor Storm zu tun.

@Scox

Das stimmt so nicht. Törleß und Effi Briest sind durchaus in Prosa verfasst und nicht sonderlich verschnörkelt, Dantons Tod auch.

Don Karlos und Maria Stuart sind da andere sachen, aber das sind ja auch Dramen.

Texte genau durchzuanalysieren ist wichtig (und das hat mit kreativität erstmal gar nichts zu tun sondern mit verständnis)

Dass es nicht zwangsläufig gut vermittelt wird ist eine sache, dass sie sinnlos ist eine andere.

Kinder lernen auch nicht vernünftig dreisatz zu lernen, deswegen sollte man ihn aber nicht abschaffen sondern im gegenteil besser erklären.

Goethe und shakespear sind keine sonderlich großen inhalte im aktuellen lehrplan, zum Glück.
Du hast vielleicht das ein oder andere goethe gedicht mal vorliegen, aber nichts großes.
Sie stehen auch auf keiner lektüreliste, außer der lehrer will es explizit in nem guten kurs.

Kein Wunder bei der Fülle an Möglichkeiten heutzutage. Aber ist das nicht eigtl. traurig, wo diese Institution doch genau das tun soll - nämlich berufliche Interessen wecken, und am Ende sind die Schüler nicht schlauer als vorher?

Das ist sogar sehr traurig. Wenn ich mir anschaue das der Sohn eines Bekannten seine Mittlere Reife (über irgendeine Kollegschule) bekommen hat und im Schnitt zwischen 2 und 4 U-Stunden Unterricht/Tag hatte, dann denke ich:
Irgendwer macht hier einen schlechten Job... ich will nun nicht ausschliesslich den Lehrern die Schuld geben, aber es gibt da Dinge wo ich schreien könnte.
Die Fülle der Ausbildungsbereiche ist schon recht hoch, aber ich sehe auch das "spezialisiert" werden muss, da die Berufsbilder zu umfangreich werden und dann wird es ganz komisch.

shionoro schrieb:Goethe und shakespear sind keine sonderlich großen inhalte im aktuellen lehrplan, zum Glück.
Du hast vielleicht das ein oder andere goethe gedicht mal vorliegen, aber nichts großes.
Sie stehen auch auf keiner lektüreliste, außer der lehrer will es explizit in nem guten kurs.

"Faust" ist doch Pflichtlektüre in der Oberstufe oder nicht?

Was die wenigsten sich hier klarmachen, ist, dass man schule früher und heute nicht gut vergleichen kann.

Damals auf dem Gymnasium hatte man wirklich die besten schüler und daraus resultierend ein entsprechend höheres niveau (zudem weniger lehrermangel).
Heute haben die lehrer die da sind (und zum glück kommen momenten viele neue junge lehrer dazu) viel schlechtere schüler mit denen sie arbeiten im durchschnitt, weil viel mehr leute auf das gymnasium gehen und quasi keiner mehr auf die hauptschule.

Wenn man dann eine klasse hat mit größeren schwankungen und allen gerecht werden muss ist das nicht einfach.
MAn hat die wahl das schlechteste viertel aufzugeben und ihnen wenn's nicht allzu fatal ist ne 4 ode rin mündlichen fächern ne drei zu schenken, oder man senkt das niveau so weit dass die note am ende fast bedeutungslos ist.

DArum ist generell die umstrukturierung zu gesamt schulen auch recht sinnvoll.

@nananaBatman

Nein, ist es nicht.

@shionoro
Jeder Jahrgang an meiner Schule, von dem ich weiß, musste das lesen. Zumindest den ersten Teil...

@nananaBatman

Ich nicht, und mein kollege der deutsch LK hatte auch nicht.

An unserer schule hat keiner irgendein werk von shakespear lesen müssen außer gedichte in Deutsch.

shionoro schrieb:Damals auf dem Gymnasium hatte man wirklich die besten schüler und daraus resultierend ein entsprechend höheres niveau (zudem weniger lehrermangel).
Heute haben die lehrer die da sind (und zum glück kommen momenten viele neue junge lehrer dazu) viel schlechtere schüler mit denen sie arbeiten im durchschnitt, weil viel mehr leute auf das gymnasium gehen und quasi keiner mehr auf die hauptschule.

So sehe ich das auch... trifft den Kern

@shionoro
Mein Deutschunterricht verlief anders: Wir hatten so nen Hippielehrer, der Antoautoriäre Erziehung voll toll fand, gedutzt werden wollte, mit uns meditierte und uns sogar die Noten aussuchen ließ, während wir "unser selber unterrichten mussten".
Ergebnis = keine Sau hat was gelernt + Niemand hatte wirklich Respekt vor den Lehrer und machten sich über ihn lustig hinterm Rücken.

Die Hauptschule soll zuallererst mal eine breite Basis bieten, ein Grundwissen vermitteln, dass es den Schülern ermöglicht, wenn gewünscht, eine weiterführende Schule und eventuell ein Studium anzuschliessen.
Ich weiss nicht wie es bei den Einzelnen ist, aber mit 16, 17, 18 ( und auch darüber hinaus) hat mich eine Steuererklärung nicht die Bohne interessiert.
Selbst im Studium, zumindest in meinem, lernt man Dinge, die man später nicht braucht. In einem Fach wurde ich zur Schnittführung von Mammareduktionen geprüft, etwas zu dem ich mich nie hinreissen lassen würde. :D
Geschadet hats mir aber auch nicht.

@NothingM

is natürlich nich gut, aber auch nicht repräsentativ.

Es geht ja nicht um den einzelnen lehrer sondern darum, wie der deutschunterricht grundsätzlich gedacht ist.

@shionoro
Hab jetzt nachgeschaut. Also zuminest in meinem Bundeland ist "Faust I" Pflichlektüre.