@SokratesEnkel Ohne mir die vorherigen Beiträge durchgelesen zu haben und aufgrund meines Alters und der damit einhergehenden Erfahrung zu sprechen: Die Liebe ist immer ein Gefühl für eine Person. Gefühl und Person sind somit untrennbar miteinander verbunden. Die von Dir angesprochene "große" Liebe ist ein unverwechselbares Aufflammen von Hitze in der Bauchgegend, ein spürbares Herzflimmern, feuchte Hände und eine aufkeimende Unsicherheit, wo man doch sonst so souverän scheint, weil man sich in eine Region begibt, die man nicht beeinflussen kann und die einem noch fremd ist in jungen Jahren. Das Gefühl der Liebe gibt sich unbeeindruckt von der Überzeugung, dass man nicht liebt, weil man zu cool dafür ist. Weil die Liebe es besser weiß. Sie hat mit der "Verliebtheit" nichts zu tun, dass ist nur eine vergängliche Schwärmerei, wie der Wunsch, der Frühling und seine Blütenpracht würden für immer fortbestehen. Die Verliebtheit vergeht, wenn es Sommer wird, die Liebe bleibt. Oft bleibt sie über eine lange Zeit, manchmal scheint es für Jahre, als hätte man sie vergessen und sich arrangiert mit den Umständen, doch plötzlich ist sie wieder da: die Liebe. Und die Person. Sie stehen beide vor Dir und lächeln Dich an, das alte vertraute Gefühl im Bauch ist wieder da, als hättest Du einen glühenden Stein verschluckt, die Hände schwitzen, Dein Blick irrlichtert umher, alles ist wieder da, die ganzen Erinnerungen, und Du weißt nach den Jahren, es ist die große Liebe, sie wird es immer sein, sie war einseitig, sie ist es immer gewesen, weil sie es nicht schaffte, ihre Gefühle zu offenbaren, weil sie nicht genug Liebe für Dich empfand, und dies ihr Leben lang bedauerte, denn Dich nicht genug zu lieben war wohl die größte Fehlentscheidung ihres Lebens. Doch sie konnte es nicht. Sie hat es bis heute nicht getan und sie hat bis heute ihre Zuneigung auch niemand anderem geschenkt. Doch immer dann, wenn man damit nicht rechnet, gibt es diesen köstlichen kleinen Moment der Erinnerung: ein Duft, ein Wimpernschlag lang, in dem man dachte, man hätte sie gesehen, eine liebe Zeile von ihr per SMS oder nur ein Anruf. Diese Erinnerungen, die einem nicht genommen werden können. Die vielen kleinen delikaten Tode, die man unter ihren nichtsahnenden Berührungen starb. Diese leise, geradezu schluchzende Sehnsucht, wenn man ihr hinterher sah, wenn man den Platz betrachtete, auf dem sie eben noch saß. Die Gedanken voller energetischer Liebe, die man scheinbar hinausbrüllte, in die Richtung blickend, in der man sie gerade wähnte. Sie hätte es doch hören müssen, spüren, wissen...
Sie wußte es, sie spürte es, doch sie war jung, unentschlossen und wankelmütig. Sie hatte Angst, sich zu vorschnell zu entscheiden und zu binden...
Sei frohen Mutes, mein Freund, dieser Zustand kann lange andauern. 20 Jahre oder länger. Jeder lebt sein Leben und geht seiner Wege, aber die Wege sind verschlungen und unvermutet steht man wieder vor der Person, die man so sehr liebt, stellt fest, dass selbst all die Jahre, die Gebäude, Technik und sogar ganze politische Systeme verfallen lassen können, dieser Liebe, dieser großen, theatralischen Emotion nichts anhaben konnten. Auch wenn wir älter werden, tief in uns bleiben wir uns treu. Und der einen, großen Liebe ebenso. Denn für eine zweite reicht ein Leben nicht aus.