Buchcollage
30.06.2013 um 03:15
Er sprach davon, daß das, was früher schon unter ähnlichen Verhältnissen eingetroffen sei, unter ähnlichen Verhältnissen auch später wieder eintreffen werde, dabei schwankte sein Körper nach hinten und vorn, sein Gesicht zeigte alles in allem einen ratlosen Ausdruck, er sprach stockend und zögernd, ganz wie man will, er rang also mit den Gedanken, seine Worte klangen zerstört und kletterten schwerfällig aus dem Mund, in den langen Zwischenräumen hörte man ihn schlucken und schluchzen, er sprach von seinen Erfahrungen, aber auch von seinen sehr finsteren Gefühlen aus dem dunklen Gebiet der Nacht und des Bettes, doch er sprach es mit zerdrückten Endsilben, mit falschen Betonungen, aber weil er diese Ergebnisse, von denen er sprach, für möglich, sogar für wahrscheinlich hielt, sprach er mit großer Überzeugungskraft, seine Rede floß elegant voran, sein Körper wiegte sich schwungvoll, sein Gesichtsausdruck war zuversichtlich, seine Worte machten die Runde und fanden als Sprichworte Verwendung, er sprach von der Berücksichtigung sämtlicher in Betracht kommender Eigentümlichkeiten, allerdings schien er das, was er zu sagen hatte, nur mit Bedauern von sich zu geben, seine Worte kamen dumpf aus einem tief in seinen Körper hinabreichenden Loch, sie kamen nicht zahlreich, dennoch wurde sein Wortreichtum gerühmt, sein vortrag sei, sagte man, gewürzt und gespickt, ich fand ihn beeinträchtigt durch eine verschnupfte Stimme, aber ich sah, das kann ich nicht leugnen, diesen Mann mit dem weißen leuchtenden Kopf ohne weiteres den redegewandten Menschen an, er sprach, mit den Händen auf dem Rücken und mit dem Kopf nickend, wie ein Mensch, der weiß, was er sagen will und der keine Anstrengung scheut, alles zu sagen, was er weiß, er sprach ohne Unterbrechungen, und auch über die Form, wie das, was er sagte, gesagt werden mußte, war er sich völlig im klaren, übrigens war er der Ansicht, daß bestimmte Verhältnisse zu ändern seien, er begann auseinanderzusetzen, wie er sich diese Veränderungen dachte, aber er sprach so kratzend dünn, in so hohen Noten, daß das, was er sich dachte, weit über mich hinwegstrich, im ganzen schien er allerdings zufrieden mit der Wirkung seiner Worte zu sein, und ich muß zugeben, daß man mit Beifall nicht sparte, ich hatte sogar den Eindruck, daß es gerade die Schwierigkeiten des Redens waren, die man an ihm schätzte, jedes Wort saß zunächst festgewachsen in seiner Kehle und wurde förmlich noch warm und rot abgerissen, ich rechnete infolgedessen ständig mit einem Blutstrahl, der beim Mundaufgehen herausspritzen würde, aber Blut erschien nicht, es kamen ohne Unterbrechungen weich gleitend die Sätze, die er mit der Hand aus der fleischigen Unterpartie seines Gesichts salbenartig herausdrückte, er sprach durchaus versöhnlich, sehr gut, bravo, rief man, meine Herren, sagte er nach einer Pause, dann hielt er an und ließ sich auf seinen Stuhl fallen, und das Bravorufen von allen Seiten drückte zweifellos auch ein Bedauern darüber aus, daß dieser Mund, der sich gerade erst geöffnet hatte, schon wieder geschlossen war, und darum erhob er sich natürlich unverzüglich wieder und sah sich genötigt, zu einer Sache Stellung zu nehmen, die keinen Aufschub dulde, er habe nun zu sagen, was zu sagen sei, nichts anderes.
Ror Wolf: Pilzer und Pelzer, S. 102ff.