Vor einigen Jahren lief es mir bei 1Live als freakiges Hörspiel über den Weg, nun habe ich es mir auch als Buch gegönnt:
Matt Ruff: G.A.S. - Die Trilogie der Stadtwerke2023: Während der erfolgreiche Unternehmer Harry Gant mitten in New York einen gigantischen Turm mit dem Namen »Babel« baut, kämpft seine Ex-Frau Joan Fine in der Kanalisation gegen einen mutierten weißen Hai. Öko-Pirat Philo Dufresne entert derweil zusammen mit seiner Crew einen Eisbrecher Gants, der auf dem Weg zur Antarktis ist. Klingt recht merkwürdig, klingt recht verrückt, klingt nach Matt Ruff.
»Elektro-Neger« haben sich auf dem Markt etabliert und sind überall als elektronische Diener gang und gäbe – nachdem eine mysteriöse Epidemie wenige Jahre zuvor alle Menschen schwarzafrikanischen Ursprungs auf einen Schlag vernichtet hat. Nur einige wenige – grünäugige – Afrikaner überlebten aus ungeklärten Gründen. Darunter auch Philo Dufresne, der sich zum Zeitpunkt des Ausbruchs mit seiner Mannschaft unter See befand – im High-Tech-U-Boot namens »Yabba-Dabba-Doo«.
Dann wäre da noch Kriegsveteran Maxwell, dessen Hauptbeschäftigung das Verstellen von Büchern in der Stadtbibliothek ist – und der zusammen mit der fast 200 Jahre alten Kite Edmonds in einem Wohnheim wohnt, das wiederum Joan Fine gehört.
Kein Mangel an PhantasieMan merkt schnell: Matt Ruff geizt nicht mit Handlungssträngen und Figuren. Und an Einfallsreichtum und Phantasie scheint es ihm auch nicht zu mangeln. Wo »Fool on the Hill« noch eine gute, überlegte Dosierung an verrückten und originellen Ideen vorzuweisen hatte, wird der Leser bei »G.A.S.« mit bunten Phantasieprodukten geradezu bombardiert. Ja mehr: Er kommt gar nicht richtig zum Atmen, bei dem Feuerwerk an Kalauern, ironischen Anspielungen und den Erzeugnissen der Ruffschen Einbildungskraft.
»Jede historische Hochrechnung der Zukunft ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, und überhaupt macht’s viel mehr Spaß, sich das Ganze einfach auszudenken«, schreibt der Autor im Vorwort – und das merkt man auch beim Lesen: Ruff erzählt seine unglaubliche Zukunftsvision mit Bravour und hat stets die Handlungsstränge in der Hand, weiß damit umzugehen.
Ein ausgeflippter Science-Fiction-RomanIm Mittelteil wird die Geschichte sogar zunehmend klarer strukturiert: Joan und Kite versuchen den Tod an Harry Gants Konkurrenten Amberson Teaneck aufzuklären, der angeblich von einem Elektro-Neger mit manipuliertem Verhaltensinhibator ermordet wurde. Die Besatzung der Yabba-Dabba-Doo versucht vom Aussterben bedrohte Lemuren von einem Schiff zu retten – eine Falle von Gants Meinungsmacherin Vanna Domingo.
Was es reizvoll macht, diesen ausgeflippten Science-Fiction-Roman zu lesen, ist die schier endlose Anzahl von Ideen, die aus Matt Ruff nur so herauszusprudeln scheinen. Mangelnde Kreativität und Originalität kann man Ruff jedenfalls nicht vorwerfen. Allerdings scheint es, als wäre Ruff sich nicht sicher gewesen, ob es hier und da nicht schon absurd und witzig genug ist. Da wäre an einigen Stellen des Romans weniger mehr gewesen. Unterhaltung ist bei Matt Ruff jedoch garantiert.
@Befen Befen schrieb am 14.09.2012:...glaube mir dass ich eher dem Wort eines Kritikers folge, der die Bücher bewusst liest, als einem, der sich damit brüstet durch sie hindurchzusprinten
Du scheinst dem Irrtum zu unterliegen, man könne nicht gleichzeitig schnell UND gründlich lesen. Versuche einfach zu akzeptieren, daß man - mit ausreichend Übung - einen Text bei 500 wpm genauso konzentriert und bewußt lesen kann wie Otto Normalleser bei 150 wpm.
:)