Ralph V. Turner - Eleanor of AquitaineOriginal anzeigen (0,3 MB)Eleonore von Aquitanien (1124-1204) war eine der faszinierendsten Frauen des hochmittelaterlichen Hochadels. Nicht nur dass sie 80 Jahre alt wurde, sondern dass sie bis zu ihrem Tod als Frau politisch aktiv mitmischte, wie viele ihrer Dokumente zeugen, die Turner in den Mittelpunkt dieser spannend zu lesenden Biographie stellt. Immerhin ist sie die "Vier-Königs-Frau":
- Frau des französischen Königs Ludwig VII.
- Frau des englischen Königs Heinrich II.
- Mutter des englischen Königs Richard Löwenherz
- Mutter des englischen Königs Johann Ohneland (John Lackland)
Insgesamt hatte sie mit ihren zwei Gatten zehn Kinder (mit Ludwig ausschließlich Mädchen), und auch zwei Mädchen wurden Gattinnen von Königen.
Wie bedeutend die Herzöge von Aquitanien im 12. Jahrhundert im Vergleich zur Königsfamilie der Kapetinger in und um Paris waren, zeigt diese Karte:
Original anzeigen (0,8 MB)Bild:Furfur und Zigeuner Lizenz: CC-SA 3.0 UnportedEleonore wurde als 13-Jährige mit Ludwig verheiratet, der als französischer König selbstverständlich ein Auge auf die großen und reichen Gebiete Aquitaniens geworfen hat. Das Schutzalter der Kirche lag damals für Mädchen bei 12 Jahren. Nicht zurecht kam der eher mönchisch wirkende Ludwig während seiner Ehe mit der südländischen Art Eleonores (die Sprache Aquitaniens war eher dem Spanischen als dem Paris-Französischen verwandt) - ihr Großvater war ein Trobadour, ein Sänger - und auch nicht mit ihrer selbstbewussten Stellung als Herzogin wie mit ihrer sexuellen Offenheit. Kurz: Diese Rolle der Frau war ihm suspekt. Zu kriseln begann die Ehe, weil ihm nur Mädchen und kein männlicher Erbe geboren waren, zum Krach kam es während des Zweiten Kreuzzugs, als angeblich Eleonore in Antiochia eine Affäre mit einem Onkel (Vaterbruder) hatte (in späteren Jahrhunderten wurde eine Affäre mit Saladin draus, was ein Blödsinn ist, da dieser damals noch ein Kind war). Auf der Rückreise versuchte der Papst nochmal die Ehe zu schlichten, aber schließlich wurde sie wegen Inzest getrennt (sie waren vierten Grades verwandt, die Kirche verbot offiziell Ehen bis in den siebten Verwandtschaftsgrad - eine für den Adel angenehme Regelung, um unerwünschte Ehen trennen zu können).
Ziemlich rasch nach der Trennung heiratete sie 1152 Henry Plantagenet, Herzog der Normandie und Graf von Anjou, der mit Zugewinn Aquitaniens der mächtigste Fürst Frankreichs wurde, wenn auch offiziell Vasall des französischen Königs. Damit hatte Heinrich ausreichend Mittel, um Stephan von Blois die englische Krone zu entreißen, immerhin war sein Vater König Heinrich I. von England und seine Mutter dessen Frau. Englisch konnte er nicht, so ließ er England meist von Höflingen regieren und war selbst zumeist nicht im Land. Heinrich war ein Filou, hatte eine Mätresse, und als er die der Familie anvertraute 16-jährige Tochter des franzöischen Königs Alix, die Richard versprochen war, wohl vergewaltigte und sie ein Kind von ihm gebar, verbündete sich Eleonore gemeinsam mit den Söhnen Richard und Johann mit ihrem Ex-Mann, um Heinrich vom Thron zu stürzen. Dies misslang. Sie wurde in Frankreich gefangengesetzt und nach Windsor gebracht, wo sie von 1174 bis 1189 (Heinrichs Tod) als Gefangene unter Hausarrest stand.
Nach dem Tod Heinrichs setzte sie alles daran, dass Richard König von England wurde, reiste in diplomatischer Mission diesem als beinahe 70-Jährige sogar beim Dritten Kreuzzug bis nach Süditalien nach (eine Reise von 60 Tagen, eine Strecke!), und nach dessen Tod sorgte sie dafür, dass ihr jüngster Sohn, Johann Ohneland, Nachfolger der englischen Königskrone wurde (von Johann wurde 1215 von den englischen Baronen die berühmte Magna Charta erkämpft).
Während ihrer letzten Lebensjahre wurde von Johann die Normandie verloren. Eleonora zog sich in das von ihr lange Zeit geförderte Kloster Fontevrault zurück, in dem auch ihr zweiter Gatte sowie ihr Sohn Richard Löwenherz begraben waren. Überliefert ist, dass sie für sie und ihre verstorbenen Verwandten regelmäßig Messen für das Seelenheil lesen ließ. 1204 verstarb sie im Kloster, und bis heute sind die einzigartigen, da sehr schlichten Grabmäler der drei plus der später verstorbenen Frau von Richard Löwenherz in der Abtei zu besichtigen. Ich selbst war 2015 vor Ort.
Original anzeigen (4,3 MB)Hinten: Eleonore, Heinrich II. Vorne: Isabel von Angoulême, Richard Löwenherz. Bild: Eigenaufnahme 2015. Lizenz: CC0Original anzeigen (4,3 MB)Nahaufnahme des Grabmals von Eleonore. Bild: Eigenaufnahme 2015. Lizenz: CC0Die von ihr gezeichneten Dokumente zeigen eine Frau, die sehr machtbewusst eigene Interessen als Herzogin von Aquitanien, diesen Titel hat sie nie abgelegt, durchgesetzt hat. Aufstände von Baronen gegen die Zentralmacht, die vor allem zu Beginn ihrer beiden Ehen aufflammten, wurden mit brutaler Militärgewalt niedergeschlagen, und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sie selbst eine treibende Kraft war, dass ihr Haus Poitiers die zentrale Macht in Aquitanien bleibt.
Dass sie nicht so berühmt wie Königin Elisabeth oder Königen Viktoria ist, hat wahrscheinlich zwei Gründe. Einerseits wurde in den Jahrhunderten danach die Frau aus dem politischen Leben verdrängt, sie passte einfach nicht, andererseits passt sie als Herzogin von Aquitanien weder in den französischen noch in den englischen Narrativ. So wurde sie lange Zeit entweder als Sexmonster oder Gottlose (eine, die vor der Hostienwandlung die Kirche verlässt) dämonisiert bzw. im 20. Jahrhundert als Kunstförderung verniedlicht. Es ist der Verdienst von Turner, sie anhand politischer Quellen als Herrscherin zu präsentieren.