Tanja Maljartschuk - Biografie eines zufälligen WundersTanja Maljartschuk ist eine junge ukrainische Schriftstellerin, die derzeit in Wien lebt, und ihr Roman ist schlichtweg ein Juwel an fantastischem, am magischen Realismus geschulten Schreiben. Stilistisch - auch in der Übersetzung ins Deutsche - eines der besten Texte, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
Es geht um ein Mädchen namens Lena (Ukrainerin, die immer wieder angemacht wird, dass Lena ja ein russischer Name sei und sie eigentlich Olena oder Olenka genannt werden muss).
Lena erlebt den Zusammenbruch der Sowjetunion im Kindergarten, ihre russische Kindergartentante wird gemobbt (sie kann weder Russisch noch Ukrainisch fehlerfrei) und löst sich während eines Gewitters durch einen Kugelblitz im Nichts auf.
Lenas Eltern sind sehr arm, ihre Schulfreundin nennt sie "Hund". Dieser begegnen wir gegen Ende des Romans wieder, als sie nicht mehr gehen kann und Lena sie zu sich nimmt. Der Grund: "Hund" heiratet mit 15 Jahren einen gewalttätigen Religionsfanatiker, der sie beinahe tot schlägt, und als sie ein staatliches Frauenhaus zu ihrem Schutz aufsucht, wird sie in die Winternacht vertrieben, da sie keine Papiere eines Frauenarztes bei sich trägt. "Hund" erfriert beinahe in einem Wald und ist ab dieser Nacht ab der Hüfte gelähmt.
Lenas Lebensweg führt sie an die Uni der (wohl fiktiven ukrainischen) Stadt San Francisco, an der sie Sport studiert, da die Bestechungsgelder für die Aufnahme in diesem Fach am geringsten sind. Sie freundet sich mit einer Diskuswerferin mit übermenschlichen Kräften an, schließt sich einer faschistischen, nationalistischen Organisation an, verlässt diese jedoch wieder, als sie eine Buchhandlung mit einem Molotow-Cocktail anzünden soll.
Wegen mangelnder Lehrveranstaltungsabschlüsse fliegt Lena von der Uni und beginnt ihr Leben Schwachen zu widmen. Sie setzt sich zunächst für Straßenhunde ein, die an chinesische Restaurants verkauft oder von der Stadtverwaltung nächtens getötet werden, und schließlich für ihre Kindheitsfreundin "Hund", für die sie Streit in Ämtern auf sich nimmt, damit diese als Invalidin anerkannt wird und einen Rollstuhl finanziert erhält.
Lenas an Michael Kohlhaas erinnernder Einsatz für benachteiligte Lebewesen (Tier wie Mensch) lässt sie immer mehr von der Realität entrücken (sie sucht eine fliegende Frau mit einem Kopftuch, die Menschen und Bisonkälber vor dem Tod rettet) und schließlich endet sie in einer geschlossenen Anstalt, nachdem sie eine Sozialhilfebeamtin beinahe erwürgt hat. Aus dieser entfliegt wie spurlos ... ermordet oder von der Kopftuchfrau gerettet?
Wie immer. Ein großartig geschriebener Roman.
Links mit Infos im
Spoiler
Verlagsinfo: http://www.residenzverlag.at/?m=30&o=2&id_title=1630
Autorin: Wikipedia: Tanja Maljartschuk
Rezensionen:
http://derstandard.at/1385168725252/Der-ukrainische-Gottesbeweis-in-Romanform
http://culturmag.de/rubriken/buecher/tanja-maljartschuk-biographie-eines-zufaelligen-wunders/76174
Interview:
http://www.deutschlandfunk.de/ukraine-im-gespraech-wir-leben-jetzt-in-der-geschichte.1184.de.html?dram:article_id=297135