@krimiloverkrimilover schrieb:Die Kammer hat in der Regel immer ein offenes Ohr für Probleme, auch für die der Angeklagten.
Die Angeklagte war als Lügnerin bekannt. Welcher Richter sollte einem Kind glauben, das für seine Lügen und Übertreibungen bekannt war?
Im thread Kremers/Froon hast du neulich gepostet, dass du im gleichen Alter bist, wie die beiden Mädchen damals.
Ich verstehe jetzt, dass du dir frühere Zeiten nicht wirklich vorstellen kannst.
In Deutschland
In den 60ern hat sich hier ein starker, spürbarer Bruch vollzogen, als die 68er Forderungen stellten und langsam ins Berufsleben eintraten. Moderne Erziehungsmethoden wurden angewandt. (Die wurden schon in den 20ern entwickelt, aber nur in exklusiven Schulen und Kindergärten angewendet. Dass diese Methoden verwässert (aber immerhin) auch in staatlichen Schulen Methode wurden, hat Jahrzehnte, bis in die 70er gedauert.
Wir sind dann von Berlin (modern) aufs Land gezogen und da herrschten wieder die alten Methoden. Wenn man Pech hatte, hatte man da wieder einen alten unverbesserlichen Lehrer und Unterricht von anno Zopf.
Ich hab tatsächlich noch Unterricht nach alter Methode bekommen: Kinder hauen, eine Stunde in einem Schrank stehen müssen usw. Und die Eltern fanden das damals richtig. Sie kannten es auch nicht anders. Dann bekamen wir eine moderne Lehrerin und die ganze Klasse atmete auf.
Zweiter PunktVielleicht hast du irgendwann mitbekommen, dass es Vergewaltigungsopfern sehr schwer fällt, das Verbrechen anzuzeigen?
Ich behaupte mal, dass früher der größte Teil der Vergewaltigung nicht angezeigt wurde.
Die Opfer mussten mit männlichen Polizisten sprechen. Die Opfer wurden von den Tätern beschuldigt "ihn angemacht zu haben". Überhaupt herrschte die Meinung, die Opfer sollen sich mal nicht so haben. Der Rock war zu kurz, da müssen Männer (die armen Kerle) doch wild werden etc.
Ausserdem wurden Opfer eingeschüchtert mit dem Hinweis, dass üble Nachrede ein ernstes Vergehen ist. Und selbst wenn man ihnen glauben wollte, war und ist es peinlich, über die Tat (die genau beschrieben werden muss) zu sprechen.
Prozesse finde öffentlich statt. Man hat nicht an die Gefühle der Opfer gedacht.
Wenn einem Kind nicht mit Güte und Aufmerksamkeit entgegen gekommen wird, kann es nicht über sexuelle Straftaten sprechen.
Das waren jetzt ein paar Bemerkungen aus Deutschland.
In Großbritannien, besonders im Norden, war das Leben um einiges härter. Vielen Frauen blieb, um nicht verhungern zu müssen, nichts anderes übrig, als sich zu prostituieren.
Marys Mutter war 16, als sie schwanger war. (Oder 16, als sie Mary zur Welt brachte?). Also selber ein Kind. Sie hat deutlich gesagt, dass sie das Kind nicht will. Warum man sie mit Kind wieder in die Armut entlassen hat, wissen nur die, die da damals das Sagen hatten.
Wenn du einen ganz kleinen Einblick bekommen möchtest, guck dir den Film
"Billy Elliot - I will dance" an.
Das ist eine Komödie, keine Doku. Also Vorsicht. Der Film will amüsieren und unterhalten.Wenn man aber genau hinguckt und mitdenkt, kriegt wenigstens einen Hauch der Lebensbedingungen in den
80ern in Nordengland mit.
Wenn du den Film noch nicht kennst, guck ihn dir an.
Deine Überzeugung, man kann immer etwas versuchen, in allen Ehren. Das Prinzip nie aufgeben ist gut.
Aber du musst doch verstehen, dass eine 10jährige, die ständig geschlagen und missbraucht wird, eben gerade kein Vertrauen hat.
In niemanden. Das ist doch gerade das Problem.
Und zu deiner Ansicht, die Richter hatten ein Ohr für die Nöte und Sorgen Anderer:
Kinder wurden damals ins Gefängnis gesteckt, zusammen mit Erwachsen.
Und wenn ein Mensch das Pech hatte, als wahnsinnig eingestuft zu werden, kam er in ein staatliches "Irrenhaus".
Über damalige Verwahr- und Behandlungsmethoden kannst du dich belesen.
Nur damit du einen Einblick bekommst, wie damals mit Hilfsbedürftigen umgegangen wurde.