Mordfall Jauch
02.11.2012 um 00:07
Habe die bisherige Diskussion wegen einem losen regionalen Bezug bisher intensiv verfolgt, möchte nun aber einmal meine Gedanken bzgl. Motiv, auch aus meinen Erfahrungen und Kenntnissen, einbringen.
Dass Täter und Opfer ein enges Verhältnis miteinander hatten, halte ich aufgrund der äusseren Umstände fuer fast gegeben - am Weihnachtsvorabend duerfte man im Regelfall bei keiner entfernten Bekannten aus einem banalen Grund zu Hause zu Besuch sein bzw. höchstwahrscheinlich persönlich dorthin gefahren werden. Breit diskutiert wurde ja ein Liebesverhältnis, dieses halte ich aufgrund der altersmässigen und auch optischen grossen Differenzen fuer tendenziell unwahrscheinlich, viel spricht jedoch fuer das gelegentlich auch angesprochene Mutter-Sohn-ähnliche-Verhältnis.
Das muss nicht mal unbedingt auf einer psychischen Schieflage des Täters beruhen, der einen Mutterkomplex auf das Opfer ueberträgt, die Mutter-Sohn-Empfindungen können durchaus gegenseitig gewesen sein:
- Täter wohnt mit alleinerziehender Mutter zusammen. (Geschieden? Frueh verwitwet?) Womöglich kommt hier muetterliche Zuneigung, Fuersorge und vielleicht auch Strenge aufgrund der Belastung der Mutter zu kurz und der Filius ist auf Ersatzfiguren angewiesen.
- Opfer hat mit Mitte 40 keine Kinder, sehnt sich aber vielleicht danach, wie nicht wenige kinderlose Frauen in diesem Alter. Dafuer spricht der Umstieg von einem technischen auf einen Erzieherinnenberuf. Die Zielgruppe, schwer erziehbare Spätpubertierende oder junge Erwachsene mit Startschwierigkeiten im Berufsleben und mit nur bedingt gesellschaftsfähigen Manieren haben aber keine Lust auf Bemutterung. Der nette, zuvorkommende und optisch ansprechende Zivi umso mehr.
Könnte es da nicht sein, dass das Opfer, welche als Neuling in ihrem Beruf ueberdurchschnittlich engagiert ist, den Täter zu ihrem "Spezialprojekt" gemacht hat ("Wenn's dir mal dreckig zu Hause geht, kannst du bei mir auf dem Sofa pennen" "Wenn's mit dem Ausbildungsplatz im KFZ-Betrieb klappt und du dort entsprechende Bewertungen bekommst, schiess ich dir was fuers Auto vor" usw.)
Ich halte es fuer wahrscheinlich, dass eine solche proizierte Mutter-Sohn-Beziehung im Allgemeinen recht heimlich ablaufen duerfte, da es fuer die Beteiligten evtl. Peinlichkeiten aufwirft, wenn sie mit Vermutungen und Geruechten der Umwelt konfrontiert werden z.B. Versteckte Gefälligkeiten, offiziell "zufällige" Treffen zu Betriebsfesten (sie als Mitarbeiterin, er als ehemaliger Azubi) o.ä. Also eher selten Treffen in den rein persönlichen Sphären der jeweils anderen, welche Dritte einsehen könnten. Deshalb duerfte ein intensiver Kontakt auch nicht aufgefallen sein.
Irgendwie muss diese Harmonie gestört worden sein. Ich tippe da auf innere Entfremdung seitens des Opfers. Vielleicht hat sie Seiten an ihrem Schuetzling entdeckt, die ihr nicht gefallen haben. Dies können ganz einfach charakterliche Schwächen sein, aber durchaus auch handfeste Delikte oder Straftaten, die dem Opfer ueber den Täter bekannt geworden sind. Vielleicht hatte sie, je mehr sie in ihren Beruf eingebettet war, auch weniger Zeit fuer den Täter und er hat sich vernachlässigt gefuehlt.
Und das Treffen am Tag vor Heilig Abend? Eventuell eine Aussprache, welche in neue Vorwuerfe gemuendet sind? Vielleicht aber auch nur ein beabsichtigtes Austauschen von Weihnachtsgeschenken, welches in eine Diskussion und dann zu einen handfesten Streit fuehrte?
Auch ich kann hier nur spekulieren, aber ich halte folgende Varianten fuer wahrscheinlich:
-Opfer hat Täter eine materielle Zusage in Aussicht gestellt (z.B. finanzieller Zuschuss fuer ein Auto, evtl. sogar als Weihnachtsgeschenk). Nun zieht das Opfer die Zusage zurueck, z.B. weil sie meint er sei es nicht wert oder noch nicht reif dafuer. Täter ist sehr materiell veranlagt, hat viell. mit einem in Aussicht gestellten Geschenk schon vor Freunden geprahlt und sieht nun seine Felle davonschwimmen. Er fuehlt sich vom Opfer, die er verantwortlich fuer ihn hält und als einzige "Fuersorgerin" sieht verraten und begeht die Tat aus Wut im Gefuehl ungerecht behandelt zu werden.
-Opfer hat unvorteilhaftes Wissen ueber den Täter z.B. ueber ein begangenes Delikt (z.B. Unterschlagung, Sachbeschädigung) oder einen Vertrauensbruch (z.B. Fremdgehen). Nach einem Abwägungsprozess eröffnete sie ihm beim Treffen, dass sie das Wissen weitergeben wird ("man muss zu dem Mist stehen, den man gemacht hat, blabla") Täter sieht rot, weil er die Konsequenzen sieht (z.B. Eintrag im Strafregister und Schwierigkeiten bei der Ausbildungsstelle und/oder weil er es als Vertrauensbruch seiner engen Bezugsperson) und begeht die Tat.
-Opfer teilt dem Täter mit, dass sie Abstand wuenscht, z.B. weil sie die Bindung nicht so eng sieht wie er oder weil er sie zu viel Zeit oder Energie kostet. Täter ist psychisch labil und ihm wird schlagartig ein emotionaler Mittelpunkt entzogen. In seiner Labilität fuehlt er sich ohnmächtig und rächt sich an ihr drastisch durch die Tat.
-Eine schon frueher im Forum angesprochene Variante trat ein, die ich auch fuer sehr wahrscheinlich halte: Die Auseinandersetzung ist eskaliert (z.B. ueber eine meiner 3 zuvir geäusserten Hypothesen) und der Täter beleidigt das Opfer zunächst schwer unter der Guertellinie. Opfer will darauhin Täter rausschmeissen und sagt ihm er könne sehen, wie er allein nach Hause komme. Täter kommt in Rage ("zuerst tut sie mir das an (Diskussionsgegenstand) und jetzt komme ich auch noch zu spät zu meiner Weihnachtsparty"). Bei ihm wird eine rote Linie ueberschritten, er rastet aus und begeht die Tat.
Aus dem Gesamtzusammenhang tue ich mich schwer damit, zu erkennen, dass die Tat geplant sein soll. Das vergleichsweise zielgerichtete Vorgehen des Täters nach der Tat (Entfernung von Spuren, Nutzung und Abstellen des Autos in Mosbach) spricht auch erstmal nur fuer einen abgebruehten Charakter, nicht aber zwingend fuer einen geplanten Ablauf im Vorfeld der Tat.