@Leoblue Ich finde es schon mal ganz toll, dass du dich hier überhaupt äußerst.
Den ersten Schritt tut man immer im eigenen Kopf - indem man sich eingesteht, dass man ein Problem hat, mit dem man nicht allein klarkommt und Hilfe braucht - und den hast du schon getan. Das mag dir jetzt noch nicht wie viel vorkommen, aber es ist schon eine ganze Menge.
Ich kann deine Hemmungen, dir sozusagen "in Person" Hilfe zu suchen, gut nachvollziehen. Ich habe selbst persönliche Umstände hinter mir, die nun schon einige Jahre zurück liegen, durch die ich wegen schwerer Depression in Therapie war. Der Schritt ist mir damals auch nicht leicht gefallen. Es ging mir da in gewisser Hinsicht ähnlich wie du es beschreibst, da war dieses Denken "da soll ich mich hinstellen und jammern?"
Ich bin von Natur aus kein sehr kontaktfreudiger Mensch, und die Vorstellung, einem Fremden von meinen persönlichen Gefühlen zu erzählen, mein Innerstes auszubreiten, hat mir Angst gemacht. Und dann wieder hatte ich irgendwie die Horrorvorstellung, wenn ich erst mal davon anfange zu erzählen, wie ich mich fühle, stecken die mich sofort in die Geschlossene.
Was mir damals Mut gemacht hat, war der Zufall, dass in meinem Freundeskreis mehrere Personen sind, die aus unterschiedlichen Gründen bereits in Therapie waren. Das hat dem Ganzen doch ein Stück mehr Normalität verliehen.
Und ehrlich gesagt, heutzutage nehmen so viele Leute eine Therapie wahr, allein wegen BurnOut und so, dass das Stigma wirklich vor allem im eigenen Hinterkopf überdauert. Bei mir war es nicht so sehr ein "was sollen die Leute denken" (die meisten sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass es ihnen echt egal ist, was du tust), auch nicht unbedingt "was soll der Therapeut denken" (das ist sein Beruf), mehr das eigene Selbstbild, das ins Wanken gerät, wenn man für sich selbst zulässt, dass man mal schwach ist und Hilfe braucht. Aber eigentlich zeigst du gerade, indem du das annimmst, dazu stehst und dir die Hilfe suchst, die du brauchst, auch sehr viel Stärke.
Eine andere Einstellung, die leicht zur Denkfalle wird, ist dieses "anderen geht es doch noch viel schlechter als mir", oder wie du auch sagst: "andere Missbrauchsopfer werden aggressiv oder selbst zum Täter". Sicher, das ist so, aber das ändert nichts, wenn es dir als Individuum schlecht geht und vor allem nimmt es dir weder das Recht noch das Bedürfnis, Hilfe zu brauchen. Wenn du dir den Arm brichst, lässt du ihn ja auch schienen und eingipsen und sagst nicht, "andere sitzen im Rollstuhl".
:) Was du empfindest, ist nichts, weswegen du dich schämen oder genieren müßtest. Und du musst mit dem Problem nicht allein sein.