monstra schrieb:Eine andere Frage war, warum die GSG 9, die bereit stand, nicht eingesetzt wurde. Die sollte das Landes-SEK im Verlaufe des Tages auch ablösen. Die Polizeiführung war allerdings der Ansicht, dass das SEK für eine solche - nicht terroristische - Situation grundsätzlich besser ausgebildet sei.
Die GSG 9 stand wohl hinter der Landesgrenze bereit, davon wusste das SEK aber nichts. Klar war das 1988 und die Kommunikation war damals noch nicht ganz so einfach wie heute, aber man hätte sich sicher besser organisieren können/müssen.
monstra schrieb:Der Zugriff war eindeutig misslungen. Als Hauptursache wird angegeben, dass der BMW, der am Seitenstreifen der BAB gestoppt hatte, in dem Moment wieder anfuhr, als er vom Mercedes des SEK gerammt werden sollte. So wurde der BMW eher seitlich hinten gerammt, anstatt vorne. Der hellblaue SEK-Mercedes kam auf der rechten Spur neben dem BMW zum Stehen. Die folgenden drei weiteren SEK-Fahrzeuge (auf dem Foto sieht man nur zwei) mussten eine Vollbremsung hinlegen und befanden sind dann hinter dem BMW.
monstra schrieb:Das Problem für das SEK war, dass die Fahrzeuge zu weit weg vom BMW zum Stehen gekommen waren. Ziel war es ja gewesen, ganz nah an den BMW heranzukommen, ihn quasi mit den SEK-Autos von vorne, seitlich und hinten einzukeilen.
Der Zugriff war relativ gut vorbereitet, der Plan war auch nicht grundsätzlich zum Scheitern verurteilt, aber es wurden fatale Fehler gemacht. Der BMW war verwanzt, so dass das SEK darüber informiert war, was im Auto gesprochen wurde. Das Auto war ausserdem so präpariert, dass die Zündung aus der Ferne unterbrochen werden konnte. Die dafür notwendige Fernbedienung hatte das SEK aus unerfindlichen Gründen aber nicht dabei, so dass der Zugriff auch deshalb misslang, weil der BMW nicht so zu stehen kam, wie man das geplant hatte. Das Überraschungsmoment war dahin und die Geiselnehmer bekamen zu viel Zeit, um auf den Zugriff reagieren zu können.
monstra schrieb:Rösner hat keinen einzigen Schuss auf die Beamten abgegeben, sondern ist auf dem Schoß seiner Beifahrerin in Deckung gegangen und hat nur seine Waffe hochgehoben und damit gewedelt. Er hat sie dann nach hinten auf Silke Bischoff gerichtet. Vermutlich, um sie sichtbar zu bedrohen. Dann wurde Rösner von einer Polizeikugel getroffen und sein Colt ging los. Rösner warf die Waffe aus dem Auto.
Rösners Waffe "ging nicht los", er hat abgedrückt. Ob er nun absichtlich abgedrückt hat oder ob das eine Reaktion auf die Schussverletzung am Bein war, das weiss wohl nur Rösner selbst.
Cpt.Germanica schrieb:Hmm… Bei diesem Szenario verstehe ich die 62 Schuss, die den BMW durchsiebt haben (zzgl. den Projektilen, die sonstwo gelandet sind, z. B. weil sie durch die bereits zerschossenen Scheiben einfach hindurch flogen ...), noch weniger, denn es klingt ja so, als hätte Degowski gerade mal sein Magazin leer geschossen und danach "Ruhe" gegeben, also keine "ellenlange Schießerei" sondern eben ein einseitiger "Kugelhagel". Klar wussten die Polizisten nicht, ob Rösner "nachlegt", aber trotzdem scheins ein blindes d'rauf los Geballere statt gezielter Schüsse.
Auf den Fotos sieht man Degowski eigentlich immer mit einem Revolver. Und das dürfte der Grund gewesen sein, dass Degowski "nur" 6 Schuss abfeuern konnte. Degowski hat also kaum "Ruhe gegeben", sondern hatte einfach keine Gelegenheit/Zeit mehr, den Revolver nachzuladen.
Fedaykin schrieb:Das ist ein Argument. Fausteuerwaffen sind sehr schlecht geeigent für so einen Zugriff. Da hätte man schon Halbautomatik größeren Kalibers gebraucht um "Sicher" Personen in einem Fahrzeug auszuschalten. (9mm MP hat ähnliche Probleme bzgl Durchschlag und Ablenkung)
Wer beim SEK ist/war, kann mit einer Pistole auch umgehen. Dass der Zugriff zu einem Desaster wurde, lag nicht an der Bewaffnung, sondern primär daran, dass das SEK beim Zugriff anfänglich viel zu weit weg von dem BMW war und das Überraschungsmoment so völlig "verpuffte". Das Problem waren nicht die Pistolen oder ein kleines Kaliber, das Problem war, dass man die Geiselnehmer nicht sehen konnte, weil man bei Beginn des Zugriffs nicht direkt neben dem BMW war.
Hätte man den BMW wie geplant gerammt, eingekeilt und dann auf nächste Distanz (etwas mehr als Armlänge) durch die Fenster auf die Geiselnehmer schiessen können, dann wären die verwendeten Faustfeuerwaffen die passende Bewaffnung gewesen. Eine "Überlebensgarantie" hätte es für die Geisseln natürlich auch dann nicht gegeben.
schluesselbund schrieb:Eine Aktion wie das Rammen des BMW ist ja eine bewusst ausgeführte Handlung. Wenn diese schon schief läuft findet sich keine Erklärung, warum man nicht in Warteposition verweilt. Allenfalls ein paar Meter zurück setzt. Um so das Weitervorgehen zu Planen. Grundsätzlich gab es für die Täter kein Entkommen mehr.
Die "Rammaktion" ging leider schief, aber die ganze Aktion dann einfach abzubrechen, war da vermutlich schon keine Option mehr. Den BMW dann "pauschal unter Feuer" zu nehmen, zeigt aber leider auf, dass man sich nicht damit befasst hat, wie man vorgeht, wenn das "Einkeilen" des BMW schief laufen sollte. Darauf war das SEK offenbar nicht vorbereitet. Heute würden die Einsatzkräfte vermutlich hinter einem gepanzerten Schild relativ gefahrlos zum Wagen laufen, aber damals hatte man diese Option wohl nicht.
Rückblickend ist das natürlich immer einfach, das Vorgehen zu kritisieren. Aber ohne die Fernbedienung, um die Zündung des BMW zu unterbrechen und ohne eine zusätzliche (gepanzerte) Limousine hätte man den Zugriff vermutlich nicht durchführen sollen/dürfen. Noch sicherer wäre es natürlich gewesen, wenn die Geiselnehmer bereits auf der Raststätte "gestoppt" worden wären, die Gelegenheit dazu gab es.
emodul