trailhamster schrieb:Die Diskussion ist ja, ob man bei Kindern mit ADHS und conduct disorder schon eine Persönlichkeitsstörung (mit allen Konsequenzen) diagnostizieren sollte / darf. Im Moment sagt die Mehrheit der Experten nein, weil ein kleiner Teil der Kinder mit dieser Kombination später zwar psychisch auffällig bleibt, aber nicht das Vollbild einer Persönlichkeitsstörung entwickelt. Das Problem des Stigmas.
Vielleicht sollte man es so betrachten: Die Diagnose ADHS
mit Störung des Sozialverhaltens beschreibt Verhaltensauffälligkeiten, die untherapiert eine hohe Wahrscheinlichkeit haben können, in einer dissozialen Persönlichkeitsstörung des Erwachsenenalters überzugehen. Von daher kann die Antwort eigentlich nur sein, dass diese Diagnose so früh wie möglich auch gestellt werden sollte, um umfangreiche Maßnahmen in Familie, Schule, Vereinen und am Kind selbst einzuleiten. Und damit meine ich nicht 1 x wöchentlich Ergotherapie und Ritalin. Ich meine damit umfassende Maßnahmen, die das gesamte Lebensumfeld des Kindes betreffen, inklusive vor allen Dingen einer Schulung für die Eltern nebst fachlicher Begleitung über Jahre hinweg. Es sind die Betreuungspersonen im Alltag, die angeleitet werden müssen, ein
solches Kind bewusst zu fördern, fordern und erziehen, und die dabei unterstützt werden müssen. Denn sie sind es, die den Alltag gestalten und den meisten Einfluss haben, zumindest bis zur Pubertät.
Für eine solche Förderung bedarf es aber einer hinreichend gesicherten Diagnose durch Fachleute verschiedener Fachdisziplinen, sodass multikausale Förderung angestoßen werden kann, die sowohl die neurologische, psychische, geistige und aber auch körperliche Entwicklung beinhaltet.
Bei M.H. stand aber lediglich die Diagnose ADHS, obwohl seine Berührungsempfindlichkeit ein Hauptroblem war, das zwischenmenschliche Kontakte erschwerte und diese für ihn scheinbar sogar sehr unangenehm werden ließ, und obwohl er bereits Auffälligkeiten im Sozialverhalten zeigte (Vorfall mit der Schere in der Grundschule, Tiere quälen). Sicherlich wäre bei genauerem Hinsehen eine umfassendere Diagnose schon damals möglich gewesen, sodass o.a. Maßnahmen hätten ergriffen werden können. Aber dazu gehört natürlich, dass man sich einer solchen Diagnose stellt, wie es ja auch sehr schön in dem von dir verlinkten Video erläutert wird.
Mit 19 ist ein Gehirn noch nicht vollständig ausgereift, aber, wie die Gutachterin ja auch so schön erläutert, bestimmte Bahnen sind einfach schon sehr gefestigt, so sehr, dass sie schwer noch komplett veränderbar sind, trotz der Neuroplastizität des Gehirnes. Da darf man sich sicher nichts vormachen. Für mich stellt sich da eigentlich eher die Frage nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Wenn man anderen Straftätern mit 19 zugesteht, dass sie noch reifen können, muss man es dann nicht auch Straftätern mit einer dissozialen PS zugestehen, unter der Voraussetzung einer psychosozialen Förderung im Vollzug?
trailhamster schrieb:Angesichts dessen, was über seine Vorgeschichte bekannt ist und was Marcel H. dokumentiert verübt hat, zu hoffen, irgendwas könne sich grundsätzlich an seiner psychischen Erkrankung (in gewisser Weise ist es ja eher eine "Behinderung") ändern, ist völlig realitätsfremd.
Unter dem Aspekt einer Behinderung, die in dem Alter nicht mehr therapierbar ist, und unter der er auch weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, würde der Gleichbehandlungsgrundsatz natürlich eine andere Wertung erhalten.
Bluelle schrieb:Da muss ich was verpasst haben. Wenn die Katze gemeint ist, ist das kein Indiz dafür Emotionen zu haben.
Es gibt Psychopathen, die ihre Hunde über alles "lieben", ich gehe davon aus, dass das nicht Liebe ist.
Doch, es ist Liebe zu einer anderen Art von Lebewesen oder einem ganz spezifischen Individuum. Die Emotionen können genauso bestehen, sind dann aber eher selektiv.
damesic00 schrieb:Ob dissoziale Persöhnlichkeitsstörung neurologische Ursache hat oder eher Produkt der Umwelt-wissen wir nicht.Das Gleiche gilt für Narzismus.
Ich empfehle dir in diesem Link mal die Anmerkungen unter der Überschrift "Ursachen" durchzulesen:
Wikipedia: Dissoziale Persönlichkeitsstörung Da geht es unter anderem um die Umstände, die zum An- und Ausschalten von Genen führt, die eng mit dem Verhalten von Menschen zu tun haben. Wir wissen schon extrem viel. Wenn man sich damit beschäftigt, ändert sich die ganze Weltanschauung, und auch die Einstellung zu dem Sinn von Strafe und Bestrafung.