Sunrise76 schrieb:Den Frust, den er über lange Jahre angehäuft hat, aufgrund von Situationen, in denen er gefangen war und denen er nicht aus eigener Kraft entgegenwirken konnte, müssen abgebaut werden, um ein gesundes Selbstbewusstsein aufbauen zu können.
Mit Verlaub, aber das ist doch einfach so in den Raum gestellt. Meines Erachtens ist über solche Situationen einfach mal nichts bekannt. Wo hat er sich denn so gefangen und machtlos gefühlt, dass er den genannten Frust, der schlussendlich zu diesen Grausamkeiten geführt haben soll, aufgebaut hat? Und woher weißt Du, dass diese Taten die Folge von Frust und nicht tatsächlich sowas wie "Mordlust" waren?
Wieso ist es für viele hier so glasklar, dass dieser Täter in sich Verzweiflung spürt und sich nach Nähe sehnt? Woher wisst Ihr, dass Hass und zurückliegende Verletzungen sein Antrieb sind und dass es nicht die Lust ist, die Suche nach Befriedigung, die sein Motor ist?Mir persönlich geht das alles zu schnell zu weit. In meinem Empfinden liegen die Motive dieses Menschen völlig im Dunkeln und die Wahrscheinlichkeit, dass er etwas Erhellendes von sich geben wird, wenn er das überhaupt kann, ist in meinen Augen gering.
Mir persönlich stellt sich der Täter als extrem gefährlich dar und ich denke, es ist sehr, sehr gut, dass er auf lange Zeit nichts mehr mit normalen, arglosen Menschen zu tun haben wird.
Die Ankündigung der Taten, die Bestialität in der Ausführung, die Sprachnachrichten, die Bilder, das Zusammenleben mit dem Leichnam des ermordeten C., die, in dessen Namen verschickten Nachrichten, die späteren Gespräche mit Schwester und Bruder... puh, die Liste der Unerträglichkeiten in diesem Kontext ist schier endlos...
Ohne die Scharmützel wieder befeuern zu wollen: Für mich ist es müßig, nach "den" Gründen für all das zu suchen.
Prävention? Mhm... gesetzt den Fall, der Täter wäre dieses Opfer seiner Umstände, dieses supersensible, hochintelligente, unverstandene Wesen, das den einzigen Ausweg aus der unerträglichen Situation in diesen Taten gesucht hätte, was dann?
Würden die User, die auf das Verständnis der Beweggründe drängen, um künftig solche Taten verhindern zu können, loslaufen und sich jeden, vermeintlich frustrierten Jugendlichen zur Brust nehmen? Ihn mit Aufmerksamkeit und Liebe und Verständnis überschütten? Ihn fordern und fördern? Netzwerke installieren? Frühwarnsysteme?
Keine Frage, die Schilderungen der Reaktion des Täters auf körperliche Nähe und seiner Messerstechereien auf eine Fleischwurst (wtf?!), sind mehr als beunruhigend und nähren den Verdacht, dass es sich hier mal nicht um den auffällig unauffälligen Jungen von nebenan handelt.
Gleichzeitig sind dies Ausschnitte, Momentaufnahmen, und wenn ich mich an meine Teenagerzeit erinnere, hat so manch einer aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis Dinge getan, die als Alarmsignale hätten gelten können. Allerdings ist die Pubertät eine schwierige Zeit, eine des Ausprobierens und Testens in vielerlei Hinsicht. Da werden Grenzen überschritten, nicht nur die des guten Geschmacks, sondern oft auch welche in Bezug auf menschlichen Respekt, Drogen, Sex und leider auch Gewalt. Das ist nicht schön, aber Teil der Entwicklung zum eigenständigen Menschen, zur Bildung eines eigenen moralischen Kompasses. Wir hätten uns schön bedankt, wenn permanent irgendwelche Erwachsenen uns Therapien hätten aufdrängen wollen, weil wir angeblich nicht rundlaufen...
Marcel H. allerdings hat den Raum, der irgendwie als "normal" gelten kann, komplett verlassen. Oder vielleicht nie betreten.
Ich ganz persönlich glaube, dass diesem Täter etwas ganz Grundlegendes fehlt, was nur schwer erlern- oder anerziehbar ist. Offensichtlich hat er ein extrem gestörtes Verhältnis zu der ihn umgebenden Welt, keine Ahnung, ob er sowas wie emotionale Bindung verspüren kann oder nicht. Ich weiß auch nicht, ob man sowas als Krankheit sehen kann, die irgendwie einer Behandlung bedarf oder ob es einfach Menschen gibt, die so sind. Fakt ist, dass ihm seine Bedürfnisse (Aufmerksamkeit, Tötungsdrang) wichtiger waren, als das menschliche Leben, vor dem er schlichtweg keinerlei Respekt zeigt. Auch heute nicht.
Ich möchte niemanden anpöbeln und respektiere das Menschen- und Weltbild derer, die überzeugt sind, man müsse verstehen, was mit diesem jungen Mann geschehen ist, was ihn so hat werden lassen. Dieser Forderung liegt, soweit ich das verstehe, die Annahme zugrunde, der Mensch sei "gut" und dieser Täter irgendwann durch äußere Einflüsse und Versäumnisse so geworden, wie er jetzt ist. Vielleicht stimmt das.
Allein, mir fehlt der Glaube, dass die Dinge, die hier als Erklärungsversuche herangezogen (und teilweise als Phantasien entlarvt) wurden, allein oder in Kombination, Gründe für dieses Verhalten darstellen können. Somit ist da für mein Verständnis bisher auch nichts, was irgendwer hätte tun können, wo jemand an einer Schraube hätte drehen, einen Hebel hätte ansetzen können. Vielleicht hätte man mitbekommen können, dass da was extrem im Argen liegt, vielleicht hätte jemand seine Gefährlichkeit erkennen können, vielleicht auch nicht. Keine Ahnung.
Da wir (richtigerweise!) aber niemanden für Taten zur Rechenschaft ziehen, die er möglicherweise in der Zukunft begehen wird, sehe ich, nach jetzigem Erkenntnisstand, niemanden, der irgendwas hätte tun können, um diese Taten zu verhindern. Mit Ausnahme natürlich des Täters selbst.