Doppelmord in Herne: Täter Marcel H. in Haft
10.03.2017 um 21:04
Ich möchte den Täter in keinster Weise in Schutz nehmen, doch ich kann die stetig steigende Unzufriedenheit der jungen Generation und die dadurch wachsende Wut gegenüber der Gesellschaft schon nachvollziehen.
Er ist nicht der einzige Mensch, dem Ablehnung begegnet, denn viele junge Menschen werden mit Ablehnung konfrontiert, doch nicht jeder Mensch kann gut mit Ablehnung umgehen. Einige nehmen Ablehnung auch sehr persönlich, obwohl kein böser Hintergedanke hinter der Ablehnung steckt, sondern lediglich eine simple Entscheidung, die z.B. ein Arbeitgeber ganz einfach treffen muss.
Natürlich gibt es absolut keinerlei Lebensumstände, die seine Taten in irgendeiner Weise rechtfertigen oder gar nachvollziehbar erscheinen lassen, denn was er sich da geleistet hat, kann man meiner Meinung nach mit nichts entschuldigen.
Ich weiß nicht, wie andere unsere Gesellschaft wahrnehmen, doch ich verzeichne im Alltag sehr oft eine Kälte und "Leere" in Menschen. Wenn ich in der Bahn sitze und mir anhöre, worüber sich junge Menschen unterhalten, dann werde ich innerlich sehr unruhig.
Nun ist der Täter "nur" 7 Jahre jünger als ich, doch ich weiß noch sehr genau, dass ich in etwa bis zu meinem 20. Lebensjahr einen unglaublichen Hass auf meine Mitmenschen hatte, den ich mir heute absolut nicht erklären kann.
Meine Familie? Asoziale.
Männer? Ich habe mir damals immer die falschen rausgepickt, weshalb ich auf Männer nicht gut zu sprechen war und mich total einsam gefühlt habe, da ich mir nicht im klaren darüber war, dass ich keinen Mann benötige, um glücklich zu sein, denn durch Medien und einige Mitmenschen wird einem etwas völlig anderes suggeriert.
Freunde? Hatte ich damals keine, denn ich war immer die, die keinen Mist mitgemacht hat, da ich mich unter keinerlei Umständen in irgendwelche Schwierigkeiten bringen wollte.
Job? Ich hatte und besitze noch immer nur einen Hauptschulabschluss, doch ich weiß genau, dass ich niemals eingestellt worden wäre, wenn ich rein optisch nichts hermachen würde, denn ein schönes Dekolleté und ein charmantes Lächeln öffnet einem als Frau Türen, die den meisten Männern wohl verschlossen bleiben.
Worauf ich hinaus möchte: NIEMAND hat mich in der Schule darüber aufgeklärt, wie hart das Leben tatsächlich sein kann, denn wenn man immer auf die Schnauze bekommt, ohne ein stabiles Umfeld, welches einen in solchen Situationen auffängt, dann schürt sich bei manchen Menschen innerlich Hass, so auch bei mir.
Wenn dieser Hass mich überkommen hat, dann haben mir meine Gedanken damals bitterböse Streiche gespielt, denn ich konnte meine Gedanken nicht mehr beherrschen und hatte Fantasien, die an Perversion wohl nur schwer zu überbieten sind. Die kamen aber immer nur dann in mir auf, wenn ich von etwas schwer enttäuscht war oder von jemandem schwer enttäuscht wurde.
Es gab Situationen, da hatte ich Mordgedanken, worüber ich heute schockiert bin, denn NICHTS gibt einem das Recht, um eine andere Person zu töten, außer man handelt aus reiner Notwehr.
Leider darf man sowas nicht groß äußern, doch meine Psychiaterin hat mir damals versichert, dass ich zu keiner Minderheit gezählt habe, die solche Gedankengänge in jungen Jahren hatten und haben.
Er tut mir insofern leid, dass ich ihm Erfolge gewünscht hätte, die eventuell ein Glücksgefühl in ihm ausgelöst hätten, welches den Hass und seine innere Wut hätten kompensieren oder gar übertünchen können.
Einen Jungen und einen jungen Mann zu töten, weil man jung, blind und mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu lebensmüde ist, um die Chancen des Lebens erkennen zu können, macht mich unglaublich traurig.
Es stimmt mich natürlich insbesondere für beide Opfer traurig, doch durchaus auch für den Täter, denn er ist nicht der erste, dem die Synapsen durchbrennen, da er seinen Platz im Leben und innerhalb der Gesellschaft (noch) nicht gefunden hat, sondern lediglich einer von vielen.
Alle drei waren jung. Alle drei hatten ihr ganzes Leben erst noch vor sich.
Ich hoffe, dass mir niemand krankhafte Empathie dem Täter gegenüber unterstellt, denn seine Tat ist unentschuldbar, armselig, feige, widerlich und grauenhaft. Doch ich möchte offen und ehrlich sein, dass ich auch schon schwere Zeiten und Situationen meistern musste, in denen ich solche Gedanken entwickelt habe, wenn auch niemals gegenüber einem Kind, wobei sowas keine Rolle spielt, denn ein Menschenleben bleibt ein Menschenleben, unabhängig vom Alter.
Der Gang zur Therapie hat mich enorme Kraft und sehr viel Mut gekostet, denn sich seine seelischen Probleme einzugestehen, war für mich nicht leicht, doch ich gehe heute mit einer ganz anderen Denk- und Sichtweise durchs Leben, wofür ich sehr dankbar bin.
Man kann NIEMANDEM mit 19 Jahren die Schuld für sein Handeln oder Denken in die Schuhe schieben, auch nicht seinen Eltern, Freunden, Mitschülern oder wem auch immer, ganz gleich, wie die einen behandelt haben. Man kann mit 19 Jahren aber durchaus von Hass und Wut beherrscht werden, die einen zu Taten treiben, die man eigentlich nicht beabsichtigt hat.
Ich wünsche es keinem, denn abgrundtiefer Hass und Wut können Gedanken in einem Menschen zum Vorschein rufen, die selbst aus einer lieben, schüchternen und herzlichen Person zur eiskalten Bestie werden lassen.
Mein Beileid gilt den Angehörigen der Opfer, doch auch seine Eltern haben mein Mitgefühl, ganz gleich welches Verhältnis der Täter zu seinen Eltern hatte oder nicht hatte, denn sowas muss man als Mutter oder Vater auch erstmal verkraften.