Ich denke, es ist sinnvoll, hier nochmal den seinerzeitigen außergewöhnlich umfangreichen Stern-Artikel zu verlinken.
Der Ablauf dürfte nicht mehr allen im Gedächtnis geblieben sein, so dass ich das Lesen empfehlen möchte.
Bei meinen Zitaten habe ich bewusst den Part außen vor gelassen, der sich mit ihrer Zeit bei "Schwer verliebt" befasst. Es ist beschämend und verletzend, was ihr da angetan wurde. Das bedarf meiner Meinung nach keinem erneuten Hochholen, zumal es mit dem Prozess selbst nicht in Zusammenhang steht.
Da schon mal Zweifel an der Einschätzung laut wurden, habe ich hier zitiert, warum es sich beim Täter um einen ganz typischen "Reichsbürger" handelt. Es kann einfach nicht sein, dass es immer noch Menschen gibt, die diese Weltanschauung für harmlos erachten.
https://www.stern.de/panorama/stern-crime/fall-sarah-heinrich--opfer-ein-leben-lang---prozess-gegen-axel-g--beginnt-7295386.html Axel G. ist gerade von seiner Frau verlassen worden, kommt aus der Psychiatrie. Er hatte Benzin und Wasser in den Keller geleitet und gedroht, das Haus anzuzünden. Das Amtsgericht Neubrandenburg hatte ihn deshalb am 6. Januar 2015 vorläufig in die Psychiatrie einweisen lassen. Gut zwei Wochen später, am 21. Januar, war er wieder entlassen worden, weil nach einem ärztlichen Attest "keine Eigen- oder Fremdgefährdung“ mehr von ihm ausginge. Von alldem ahnt Sarah nichts. Sie glaubt, endlich einen Mann gefunden zu haben, der sie länger als fünf Minuten am Stück erträgt.
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Am 23. Dezember 2015 steht Axel G. mit Sarah gegen elf Uhr im Foyer des Amtsgerichts Idar-Oberstein. Nach dem Tod ihrer Mutter hat das Gericht Sarah eine Betreuerin zur Seite gestellt, die ihr bei behördlichen Dingen helfen soll. Axel G. will, dass die Betreuung aufgehoben wird, verlangt die zuständige Richterin zu sprechen. Er will sich künftig um Sarah kümmern. Der Amtsgerichtsdirektor Hans-Walter Rienhardt kommt zufällig vorbei, fragt, ob er helfen könne. Axel G. verlangt, den Dienstausweis des Direktors zu sehen. Rienhardt zeigt ihm den Ausweis. "Der gilt nicht. Deutschland ist eine GmbH", sagt Axel G. und gibt sich als "Reichsbürger" zu erkennen. Dann beginnt er zu singen. Als der Wachtmeister ihn rauswerfen will, schlägt Axel G. nach ihm. Rienhardt alarmiert die Polizei. Axel G. und Sarah laufen hinaus, steigen in einen alten, silbernen Mercedes. Ein Polizist stellt sich dem Wagen in den Weg. Axel G. gibt Gas, nur durch einen Sprung zur Seite kann sich der Beamte retten, sonst hätte Axel G. ihn frontal erwischt. Die Polizisten brechen die Verfolgung ab. Weil sie nicht riskieren wollen, dass Axel G. einen Unfall baut, wie die Pressestelle später erklären wird.
Amtsgerichtsdirektor Rienhardt stellt Strafantrag. Ein paar Tage später erfährt er, dass Axel G. am Abend in Alt Rehse "gestellt" worden sei. Rienhardt meint, dass er die Info von der Polizei bekommen habe, ist aber nicht sicher. Der Jurist geht davon aus, dass Axel G. nun in U-Haft landet. Schließlich hat er beinahe einen Polizisten überfahren. Doch nichts dergleichen geschieht. Die Staatsanwaltschaft in Bad Kreuznach wertet G.s Verhalten nicht als versuchte Tötung, sondern als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im besonders schweren Fall. Axel G. bleibt auf freiem Fuß.
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Und nun sucht schon wieder eine Frau Schutz vor ihm bei Nachbarn. "Sie stammelte mehr, als dass sie redete“, erinnert sich eine Nachbarin. "Der hat mich gekidnappt", habe Sarah geweint. "Wirft sich dauernd Pillen ein. Ich muss auch Pillen schlucken." Vom Haus der Nachbarn aus ruft Sarah die Polizei. Beamte nehmen Axel G. mit. Sarah kommt ins Frauenhaus.
Doch schon kurz darauf sehen die Leute Axel G. wieder in Alt Rehse – Hand in Hand mit Sarah. Ihre Anschuldigungen hat sie schriftlich zurückgenommen.
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Sarah geht kurz darauf wieder ins Frauenhaus – und wieder kehrt sie zu Axel G. zurück. Vielleicht hofft sie immer noch, bei Axel G. ihr Glück zu finden.
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Am 5. Juni schreit Axel G. an einem See herum. Badegäste alarmieren die Polizei. Die Notärztin weist ihn nicht in die Psychiatrie ein, sie glaubt, dass er unter Drogen steht. Gut zwei Wochen später postet G. ein neues Video auf Facebook. Er spielt Gitarre, singt auf einer Wiese vor Rindern. "Das ist Kommunikation, Sarah, merkst du das?", fragt er. "Ja", antwortet sie mit dumpfer Stimme. "Mich wollen sie wegsperren, die blöden Bullen", sagt Axel G. unvermittelt. Dann schreien beide los wie irre.
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"Sarah = BND Verfassungsschutz ... angesetzt mich zu zerstoeren"
Nur einen Tag später, es ist der 24. Juni, stellt Axel G. ein weiteres Video online. Eine Barbie mit pinkfarbenem Haar hängt an Fäden vor einem Fenster. Zwischen ihren Beinen klemmt eine Nashornfigur aus Metall. Axel G. weint. "Niemals werde ich sie vergessen", schnieft er. "Niemals." Womöglich hat er Sarah gerade umgebracht. Nachts hört ihn eine Nachbarin schreien: "Jetzt bin ich ganz alleine. Jetzt habe ich niemanden mehr. Holt doch die Polizei." Doch die Nachbarn sind es leid, die Polizei zu holen.
Am 16. Juli postet Axel G. auf Facebook. "Sarah = BND Polizei Verfassungsschutz … von wegen Dumm und behindert … angesetzt um mich zu zerstoeren … ist so." Drei Wochen später, an jenem frühen Morgen des 9. August, sieht Axel G. die Polizisten nicht kommen, weil er hinter seinem Haus steht und Trompete spielt. Mit vier Mann überwältigen sie ihn.Hätte die Tat verhindert werden können?
Hätte Sarahs Tod verhindert werden können? Die Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach verteidigt ihre Entscheidung, Axel G. nur wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall angeklagt und keine U-Haft beantragt zu haben. Die "rechtlichen Voraussetzungen" für ein versuchtes Tötungsdeliktes "hätten nicht vorgelegen", sagt ein Sprecher. Tatsächlich hat der Bundesgerichtshof in einem ähnlichen Fall ein versuchtes Tötungsdelikt ausdrücklich verneint. Dass Axel G. in Neubrandenburg schon mal in der Psychiatrie gewesen war, weil er gedroht hatte, sein Haus anzuzünden, wusste der Staatsanwalt nicht.
In Neubrandenburg wiederum war nicht bekannt, dass Axel G. in Idar-Oberstein beinahe einen Polizisten überfahren hatte. Vielleicht wäre er dann wieder in die Psychiatrie eingewiesen worden. Ob die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern allerdings wirklich über den Vorfall in Idar-Oberstein informiert war, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Es gibt jedenfalls kein Einsatzprotokoll. Womöglich hat die Polizei in Idar-Oberstein den Vorfall auch gar nicht nach Mecklenburg-Vorpommern gemeldet. "Aus unseren Unterlagen ist keine Mitteilung über den Sachverhalt an ein anderes Bundesland ersichtlich", schreibt die Pressestelle. So bleibt mysteriös, woher Amtsgerichtsdirektor Rienhardt die falsche Info bekommen hatte, Axel G. sei gestellt worden. Fest steht nur, dass der Mann, der gedroht hatte, sein Haus anzuzünden und beinahe einen Polizisten überfahren hätte, auf freien Fuß blieb, obwohl er eine Gefahr für sich und andere war. Und dass er dann Sarah tötete.
Hätten bestimmte Maßnahmen gegriffen, wäre der Täter weggesperrt worden, wäre es nicht zu der Tötung gekommen.
Was allerdings nicht möglich gewesen ist, Sarah selbst vor ihm zu schützen. Das Rechtssystem bietet nichts, was sie hätte daran hindern können, weiter mit ihm in Kontakt zu bleiben. Hier hätte die Initiative nur durch sie ergriffen werden können. Tragisch, dass sie nicht erkannte, in welcher Gefahr sie sich befand.