Der Fall "Dieter Riechmann"
19.02.2018 um 02:08
Hallo zusammen !
Ich habe mich jetzt mal ein wenig mit diesem Fall beschäftigt und muss mich (mal wieder) über das Rechtssystem in den USA wundern. Ich bin jetzt kein RA und Spezialist für solche Fälle. Aber eines sollte doch in diesem Fall inzwischen klar sein: Egal wer nun letzten Endes das Opfer erschossen hat, wirklich eindeutige Beweise gibt es nicht. Alles ist zweifelhaft. Die Aussagen und die seiner Zeit unkorrekt erarbeiteten forensischen Beweise. Wenn es also nicht zweifelsfrei zu klären ist, wer nun tatsächlich den tödlichen Schuss abgab, womit wird nun das Urteil wegen Mordes gegen DR -nach wie vor- gerechtfertigt ? Aber das ist vorab eher mal eine grundsätzliche Betrachtung der Sachlage. Die verschiedenen Theorien sehe ich wie folgt:
Arbeitshypothese 1: Mord aus Habgier, Täter DR
Angenommener Ablauf: In den Jahren vor dem Urlaub schließt DR Lebensversicherungen auf das Opfer zu seinen Gunsten, in nicht unerheblicher Höhe ab. Am Ende einer gemeinsamen USA-Reise erschießt er sein Opfer per Kopfschuss in Miami und hält nach der Tat eine Polizeistreife an. Den Beamten gegenüber macht er Angaben über einen Raubmord, dem seine Freundin zum Opfer fiel.
Mutmaßlicher Plan: Das Opfer in den USA liquidieren, den Mord als Raubmord/Gangverbrechen tarnen, da solche Verbrechen häufiger in den USA vorkommen, als "überlebendes Opfer" unverdächtigt in die Heimat zurückkehren, das Geld kassieren und das Leben genießen.
Pro:
-DR schloss mehrere LV-Verträge zu seinen Gunsten und über große Summen ab, sein mutmaßliches Opfer ging für ihn anschaffen, er war mit dem kriminellen Milieu zumindest in seiner Heimat vertraut und selbst ein Spieler.
-Als DR die Polizeistreife anhält, ist der Sitz mit dem Opfer (fast) in die Liegeposition gedreht, ganz so, als wollte er das Opfer vor Entdeckung durch Passanten/andere Verkehrsteilnehmer durch die Front-/Seitenfenster schützen.
-Er gibt gegenüber der Polizei an, über 30 Minuten umhergefahren zu sein, ehe er den Streifenwagen entdeckte. Dies dürfte in einer Großstadt wie Miami ein Kunststück sein, sie ist voll davon. Darüber hinaus unternimmt er keinen nachweislichen Versuch, über andere Wege Hilfe zu holen. Er hätte dafür z.B. Privathäuser, Hotels, Tankstellen, Stores, Bars usw. anfahren können, um dort via Telefon einen Notruf abzusetzen oder absetzen zu lassen.
-An seinen Händen befinden sich Schmauchspuren, die allerdings auch ohne eine Waffe selbst abzufeuern dorthin gekommen sein könnten.
-Er kann den Tatort zunächst nicht bestimmen, macht nur sehr vage Angaben zu den Tätern, die dem (bei Touristen) allgemeingültigen Klischee von Gangüberfällen entsprechen.
-Obschon Touristen allgemein (auch schon Ende der 80er!) vor Fahrten in Ghettos/Randbezirke von Großstädten wie Miami eindringlich gewarnt werden und in solchen Fällen angeraten wird, sofort umzukehren, nicht anzuhalten, niemanden anzusprechen und schon gar nicht auszusteigen, will er genau das versucht haben.
Contra/offene Fragen:
-Zu späterer Zeit tauchten Zeugen auf, die Angaben machen, DR habe nicht geschossen. Im Zuge von Recherchen gelingt es einem Journalisten sogar einen mutmaßlichen Täter zu ermitteln, der den Mord vor laufender Kamera zugibt.
-Der mutmaßliche Täter erklärt, es habe sich tatsächlich um einen Drogendeal gehandelt, der dann zu einem tödlichen Raubüberfall wurde. Es soll dabei um eine große Menge BTM im Werte von 280000 $ gegangen sein. Das Opfer sei erschossen worden, um noch vor dem Austausch gegen Drogen an das Geld zu kommen. Die Aussage, dass es tatsächlich um ein Drogengeschäft ging, wird durch passende Aussagen anderer Zeugen der Geschehnisse bestätigt. Problematisch ist hingegen die Glaubwürdigkeit dieser Personen/des Täters.
-DR könnte deshalb zum Tathergang falsche Angaben gemacht haben, weil er selbst in ein großes Drogengeschäft verwickelt war und sich nicht selbst belasten wollte.
-Die StA versuchte durch gekaufte/erpresste Aussagen/Zeugen, schlampig/unsauber erarbeitete forensische Ergebnisse und Manipulation von Ergebnissen auf einen Morddelikt aus Habgier mit DR als Einzeltäter hinzuarbeiten. Dieses Verhalten diente möglicherweise dazu, von einem Drogendeal unter Billigung/Beteiligung/Aufsicht der Behörde(n), sowie der entspr. Korruption abzulenken, die möglicherweise für einen Skandal und weitreichende Folgen für die Behörde(n) und involvierte Personen gehabt hätte. Darauf gibt es zahlreiche Hinweise.
Arbeitshypothese 2: Raubmord bei Drogengeschäft, Täter Gangmitglied(er)
Angenommener Ablauf: DR bahnt bereits aus Deutschland ein größeres Drogengeschäft an, dass er im Zuge seines als Urlaub getarnten Aufenthaltes dort zum Abschluss bringen möchte. Die Kalkulation besteht dabei darin, dass erworbene reine BTM durch Strecken in der Menge zu vervielfachen, was bei gleichbleibenden Verkaufswert einen vervielfachten Gewinn bedeutet. Das Geld für den Erwerb erhält er dabei möglicherweise von Hintermännern aus HH, die evtl. sogar zur fraglichen zeit in den USA weilen. Bestätigt wird das nicht nur durch die Aussagen der durch den Journalisten ermittelten Gangmitglieder, sondern auch durch Äußerungen des Opfers in der BRD vor dem "Urlaub" gegenüber Freundinnen, welche durch die deutsche Polizei befragt wurden. Am Ende des sonst "normal" verlaufenen Urlaubs knüpft DR dann auch Kontakt mit den Verkäufern (Gang). Am Tattag fährt er die geplante Übergabestelle an. DR fährt, das Opfer hat das Bargeld in ihrer Handtasche auf dem Schoss. Als es zur Übergabe kommen soll, schießt eines der Gangmitglieder plötzlich dem Opfer tödlich in den Kopf, raubt das Geld und unterschlägt die Drogen. DR ergreift daraufhin sofort die Flucht. Der geplante "Coup" ist misslungen, das Geld weg, keine Drogen, die "Freundin" erschossen. Um nicht mit einem Drogendeal in Verbindung gebracht zu werden, könnte er zunächst versucht haben, die Leiche zu entsorgen, eine Lösung zu finden. Deshalb ist er möglicherweise auch 30 Minuten mit dem Opfer unterwegs ohne Hilfe zu organisieren, tarnt das Verbrechen durch den Sitz in Liegeposition. Als ihm das Ganze schließlich nicht gelingt, sucht er doch einen Streifenwagen und gibt seine bekannte Geschichte zum Besten.
Mutmaßlicher Plan:
Reine, ungestreckte BTM in großer Menge erwerben, sie strecken und mit vielfachem Gewinn auf der Straße verkaufen.
Pro:
-Entsprechende Aussagen von durch den Journalisten ermittelte Gangmitgliedern bestätigen die Existenz des Drogendeals, der in einen Raubmord mündete. Sie sind allerdings nicht besonders glaubwürdig. Auch die anderen angeblichen Zeugen aus dem Umfeld, welche diese Theorie untermauern, sind fraglich.
-Die StA verhielt sich auffällig unprofessionell. Sie betrieb großen Aufwand, um Aussagen zu kaufen oder zu erpressen, arbeitete teilw. schlampig/unkorrekt und fälschte/manipulierte Ergebnisse. Dieses Verhalten lässt auf eine Vertuschung schließen. Sie hätte offensichtlich große Probleme bekommen, wenn das Verbrechen als missglückter Drogendeal aufgeflogen wäre. Die naheliegende Schlussfolgerung ist automatisch eine Billigung/Beteiligung/Verwicklung der Behörde in besagtes Geschäft. darauf gibt es durch die Gangmitglieder und andere Zeugen auch Hinweise. Besagte Zeugen sind allerdings fraglich/unglaubwürdig.
-Bereits im Vorfeld gab das Opfer selbst Hinweise gegenüber Freunden ab, die Reise diene nicht allein der Erholung, sondern vielmehr auch dem Abschluss eines lukrativen Geschäftes. So lukrativ, dass sie im Anschluss daran "ausgesorgt hätte". Zudem gab es lt. der Zeugen Angaben zu (bewaffnetem) Besuch aus HH, bei dem es um jenes Geschäft gegangen sein könnte. Diese zuvor in der BRD möglicherweise getätigte Vorplanung war mMn auch notwendig. Nicht einmal ein komplett naiver Zuhälter mit übersteigertem Ego hätte angenommen, er brauche zum Erwerb mehrerer Kilo BTM nur in ein Ghetto zu fahren und beliebige dunkle gestalten anzusprechen, um mal eben im Vorbeifahren ein Drogengeschäft dieser Größenordnung zu tätigen. Dazu waren mMn Kontaktaufnahmen zu namentlich bekannten Verkäufern, Absprachen, Verhandlungen nötig, die kurzfristig in den USA sicherlich nicht ad hoc möglich waren.
-Die Aussage des DR gegenüber der Polizei war ziemlich unglaubwürdig. Er hatte also etwas zu verbergen, dass ihn selbst in große Schwierigkeiten bringen konnte. Das muss nicht zwingend die eigene Täterschaft gewesen sein. Auffällig dabei war z.B. seine schwache Erinnerung an Täter und Örtlichkeiten, die vergangene Zeit, bis er sich an die Polizei wandte und das er sich an die Polizei wandte. Dies könnte bedeuten, dass er die wahren Täter in gewisser Weise schützen wollte. Dazu passt seine scheinbare Annahme, ihm könne kein Mord "in die Schuhe geschoben" werden. Aus dieser Kombination könnte man so weit gehen den Schluss zu ziehen, dass er sich nicht durch die Behörde unmittelbar bedroht sah, weil sie möglicherweise selbst in den Deal involviert war und er durch Schutz der Täter und Umstände des Verbrechens als Gegenleistung freikommen würde. Bis heute bleibt er bei seiner "Version" der Geschehnisse, obschon sie äußerst unwahrscheinlich und -nach der Verurteilung zur Höchststrafe- auch nicht mehr hilfreich ist. Befürchtet er, dass es ihm die Behörde sonst noch schlechter ergehen lässt ? Die Möglichkeiten einer Behörde sind vielfältig. Es muss einen bestimmten Grund dafür geben.
-Er fuhr in eine fragwürdige Gegend und hielt angeblich an, trotz allgemein bekannten Warnungen und Verhaltensregeln, sich selbst und seine "Freundin" unnötig gefährdend. Ist dieses Verhalten zu dieser Zeit, an diesem Ort und nach mehreren Wochen des Urlaubs in den USA sehr wahrscheinlich/glaubwürdig ? Wenn er sich nicht verfahren hat, wenn er nicht nach dem Weg fragen musste, weshalb war er dort ?
Contra/offene Fragen:
-Wenn es ein Deal dieser Größenordnung war, woher kam das Bargeld ? Es von der BRD aus undeklariert in die USA zu bringen war zwar möglich, jedoch mit hohem Risiko verbunden. Bekam er das Geld erst dort ? Von wem ?
-Wenn der Deal geklappt hätte, wie hätte er die Drogen in die BRD schmuggeln sollen ? Für das Strecken, den Verkauf in den USA war die verbleibende Zeit bis zur Abreise mMn zu knapp. Im Flugzeug/Gepäck wären fast 30 Kilo BTM kaum/gar nicht zu tarnen/verstecken gewesen. Das Entdeckungsrisiko viel zu hoch. Er brauchte also evtl. Gefolgsleute/Kunden/Hintermänner vor Ort, die sich der erworbenen Drogen annehmen und die weitere Verarbeitung/ggf. Schmuggel/Verkauf/kauf vornehmen, gleichzeitig ihm jedoch seinen Anteil garantieren. Einen Anteil der groß genug ist, davon ein Stück weit ausgesorgt zu haben. Wie wahrscheinlich ist das ? Außerdem hatte DR noch keine nachweisbare Erfahrung in Handel/der Verarbeitung von Drogen. Fungierte er möglicherweise nur als Mittelsmann gegen Provision ?
-Lt. Aussage des möglichen Täters nahm dieser das Geld unmittelbar nach dem Mord an sich und verschwand, noch bevor das Opferfahrzeug flüchtete. Da DR mutmaßlich nicht selbst über eine entsprechende Menge an Liquidität verfügte, verlor er dadurch eine ungeheure Menge an fremden Geld, bekam jedoch keine Gegenleistung. Diejenigen die das Geld möglicherweise zur Verfügung stellten, gingen damit leer aus. Sie verloren das Geld, bekamen keine Drogen, der Mittelsmann wurde inhaftiert und dessen Freundin getötet. Er wurde damit auch zur Gefahr, würde er reden. Die Frage die sich hier stellt ist, warum die möglichen Geldgeber in dieser Situation so passiv blieben ? Weshalb unternahmen sie nichts bekanntes, dem Mittelmann DR z.B. durch Unterstützung zur Freilassung habhaft zu werden und/oder dessen Schweigen -das wohl bis heute anhält- zu garantieren ? Ist das realistisch ?
-DR schweigt zum Thema Drogendeal. Er hat jedoch faktisch nichts zu verlieren. Warum ? Er wurde durch den Überfall -mehr oder weniger- gelinkt. Er hat quasi alles verloren. Möglicherweise sitzt er bis zu seinem Lebensende in einem amerikanischen Hochsicherheitsknast. Warum ? Er könnte sein Schweigen brechen und diejenigen beim Namen nennen, die all das mit ihm einfädelten, was sein Leben endgültig ruinierte und die ungestraft auf freiem Fuß sind. Macht er sich doch noch Hoffnung auf Entlassung ? Befürchtet er Konsequenzen, wenn er die Hintermänner verrät ? Auch nach all den Jahren ? Oder ist die Drogengeschichte einfach nur komplett erlogen und deshalb dieses Verhalten ? Gab es also diesen Deal gar nicht ? Steckte etwas ganz anderes dahinter ?
Persönliches Fazit:
Ich persönlich denke, sein Verhältnis gegenüber dem Opfer war weniger als große Liebe, als vielmehr das zu einem Goldesel zu sehen. DR war Zuhälter, Spieler, kriminell und egozentrisch. Ich erwarte von dieser Person deshalb auch nichts anderes, als ein kriminelles Handeln im Bezug auf das Ableben seiner "Freundin". Entweder in dem er direkt am Mord beteiligt war, oder weil er sie unnötig in ein Hochrisikogeschäft hinein zog, ohne an mögliche Konsequenzen für sie zu denken. Selbst wenn seine Geschichte stimmen sollte, hätte er sie unnötig einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt, als er in einer als Fahrer entschied, entgegen aller Warnungen in einem Ghetto zu halten und Drogendealer nach dem Weg zu fragen. Diese Einstellung gegenüber einer ihm scheinbar nahestehenden Person zeigt seinen Charakter auf. Bis heute ist er mehr in Sorge um sich, als Bedauern für den Tod seiner langjährigen "Freundin" oder diesbezügliche Reue zu zeigen/zu äußern. Das spricht für sich. Leider sind die durch den Journalisten ermittelten Zeugen nicht sehr glaubwürdig. Sie scheinen jede Geschichte unter Eid zu bezeugen, wenn man sie nur gut genug dafür bezahlt.
Im Endeffekt sind beide Arbeitshypothesen daher auch möglich. Für den Drogendeal sprechen allerdings einige Indizien mehr. So kann ich nicht nachvollziehen, warum die StA so viel Energie und auch eigenes Risiko einsetzen sollte, nur um einen Ausländer in die Todeszelle zu bringen. Diese Logik erschließt sich mir nur, wenn man damit von einem eigenen Versagen, eigenen Fehlern, eigenen Straftaten oder Skandalen ablenken und/oder diese vertuschen wollte. Die angebliche Bestechlichkeit/Involvierung in Drogengeschäfte zumindest eines Officers scheint ebenfalls dafür zu sprechen. Zudem hätte DR um an die LV des Opfers zu kommen, nicht extra in die USA reisen und sie dort töten müssen. Er hätte auch eine günstigere, einfachere und risikolosere Option in Europa wählen können. Zumal es in Europa keine Todesstrafe gibt und das Urteil "Lebenslänglich" nicht die volle Distanz bis zum tatsächlichen Ableben des Delinquenten bedeutet. Anders als in den USA. Ein zusätzliches Indiz betrifft auch die LV Verträge selbst. Sie wurden nicht alle unmittelbar vor der USA-Reise abgeschlossen, sondern schon bis zu drei Jahre zuvor. Das ist sehr ungewöhnlich.
In der Gesamtbetrachtung halte ich ganz persönlich deshalb DR für schuldig. Wenn auch nicht unbedingt im Sinne der Anklage. Er wurde meiner persönlichen Meinung nach nicht zu Unrecht hinter Gitter gebracht. Ob -je nach dem was nun tatsächlich vorgefallen ist- eine so hohe Strafe gerechtfertigt ist, wage ich zu bezweifeln. Im Falle des Drogendeals wäre eine tatsächlich lebenslängliche Freiheitsstrafe oder Todesstrafe ohne tatsächlich selbst geschossen zu haben, sicherlich übertrieben. Zumal ich die Todesstrafe ohnehin kategorisch ablehne. Nichts desto trotz vermute ich im Drogenfalle eine Vielzahl an Hintermännern, die allesamt ungestraft davongekommen sind. Ganz zu schweigen vom tatsächlichen Todesschützen, der nie zur Verantwortung gezogen wurde. Das ist dann auch das, was mich so ungeheuer stört: Ein durch die wahren Täter ungesühntes Verbrechen, mit einem nicht ganz unschuldigen Bauernopfer. Mitten in einer sich selbst zum Maßstab aller Anderen heraufgelobten Musterdemokratie, die sich nicht einmal zu schade ist, auch mal in den eigenen Reihen begangene Verbrechen großzügig auszublenden.